Notfallmechanismus in der Pandemie – und was sich sonst noch dahinter verbirgt

Etwas Normalität ist ja eingekehrt. Die Pandemie in unserem Land erscheint beherrschbar, der beschlossene Notfallmechanismus dient der Öffnung. Oder wurde zu viel Wind gemacht, die Gefährlichkeit allgemein übertrieben? Hierauf versuchen wir Antworten zu finden. Die Betonung liegt auf versuchen. Denn wie hatte Paul Watzlawick sein in 1976 erschienenes Buch* nocheinmal treffend betitelt: „Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen.“

Zweite Welle der Pandemie infrage gestellt.

Wann greift der Pandemie Notfallmechanismus?

In der NZZ vom 6.5.2020 wird der zwischen der Bundeskanzlerin und den Bundesländern gefunde Lösungsansatz wie folgt beschrieben. „Sollte es zu einer vielfach befürchteten zweiten Welle von Infektionen kommen, haben sich die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin auf einen Notfallmechanismus geeinigt. Falls regional stärkere Ausbrüche verzeichnet werden, soll ein geografisch begrenzter Lockdown greifen. Als Schüsselzahl nannte Merkel 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche. Was dieser regionale Lockdown genau bedeuten würde, steht noch nicht fest, wahrscheinlich müssten dann aber Geschäfte, Gaststätten und Schulen schliessen. Sobald die Gesundheitsbehörden dann eine Woche lang wieder weniger als 50 Fälle pro 100 000 Einwohner melden, sollen die Beschränkungen wieder aufgehoben werden.“

Was bedeutet der Pandemie Notfallmechanismus für einzelne Bundesländer

Was dies für einzelne Bundesländer bedeutet, wird in faz-net vom 7.5.2020 anhand von Sachsen, Hessen und Baden-Württemberg erläutert. So soll es in Sachsen ab Mitte Mai so gut wie keine durch die Pandemie bedingten Verbote mehr geben. Vorausgesetzt es stimmt die Hygiene. In Baden-Württemberg sieht das anders aus, nachdem das Ländle nach Bayern und Nordrhein-Westfalen am stärksten betroffen ist. „Im Zollernalbkreis kamen in den vergangenen Tagen 96 Neuinfektionen hinzu, das sind 51 pro 100.000 Einwohner. Nach drei bayerischen Landkreisen gehört die Region um Balingen zu denen in Deutschland, in denen ein Shutdown nach der neuen Regel der Kanzlerin zwingend ist.“

Nebenbei bemerkt, hier lebe und arbeite ich.

Ministerpräsident Bouffier spricht von einem sehr großen Schritt, wenn auch in Hessen bald Restaurants, Sportstätten, Casinos, Theater und Museen öffnen. Auch Veranstaltungen mit bis zu 100 Teilnehmern sind möglich, in Ausnahmefällen auch mit mehr Personen. „Man vertraue auf die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger. Der Zuwachs an Freiheit sei nur möglich, wenn die Regeln insbesondere des Abstands und der Hygiene eingehalten würden“. So der MP.

Dabei muss man wissen – und das wird tags darauf von faz-net thematisiert – , dass die Schlüsselzahl 50 im gewissen Sinn beliebig ist. Zudem schwankt die Zahl der festgestellten Neuinfizierten kräftig und hängt natürlich auch davon ab, wie stark man testet. Dadurch könnte ein Fehlanreiz entstehen, „… künftig weniger zu testen, um einen abermaligen Lockdown zu verhindern.“ Das wäre für den Pandemie Notfallmechanismus „tödlich“.

Wie sieht das mit der zweiten Welle der Pandemie aus?

Wir hatten hier verschiedene Stimmen zusammengetragen, die sich eindeutig für die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Welle ausgesprochen haben.

Nicht unterschlagen werden soll eine Gegenmeinung, die Gunter Frank auf der Achse des Guten am 7.5.2020 äußert. Nach ihm handelt „… es sich hochwahrscheinlich nicht um eine Killerseuche mit zig Millionen möglichen Todesopfern weltweit …“. Alles was man benötige sei interdisziplinäres Denken. „Zur Behandlung von Covid fragt man die Kliniker, aber zur allgemeinen Gefährlichkeit eben die Epidemiologen, wie die des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin.“

Frank weiter: „Zweite Welle? Mit welchem fachlichen Geheimwissen wird davor gewarnt, mit welchen Quellen? Es ist eine hochspekulative Hypothese, die gerade im geöffneten Österreich faktisch widerlegt wird. Und warum wurde, wenn man so viel Angst davor hat, eine Herdenimmunität durch den Lockdown verhindert? Das alles spricht nicht für ein reflektiertes, kompetenzgesteuertes Krisenmanagement.“

Auch Wolfgang Herles hat seine eigene Meinung

Wolfgang Herles, gestern 70 Jahre alt geworden, postuliert heute auf Tichys Einblick, dass es gerade die „Freiheitsbeschränker“ seien, die ganz auf eine zweite Welle setzten. „Sie werde schrecklich sein. Wird sie weniger schrecklich oder bleibt sie gar aus, wird es schrecklich für die Profiteure des Schreckens, für die Lauterbachs dieser Republik, die überhaupt nur wahrgenommen werden, weil sie den Teufel der regierungsfrommen Panikmedien so schön an die Wand malen dürfen. Ohne zweite Welle bricht ihr Geschäftsmodell zusammen.“

Sehr ernst wird Herles am Ende seines Artikels, wenn er auf die in Großbritannien in den vergangenen Wochen um zwanzig Prozent gestiegene Zahl der Krebstoten verweist. „Der Chef der deutschen Krebshilfe befürchtet ein ähnliches Ergebnis in Deutschland, falls sich nichts ändert. Es sind Opfer der Maßnahmen. Alle reden davon, dass man unbedingt die Triage habe vermeiden müssen. Deshalb die totale Stilllegung des öffentlichen Lebens. Aber de facto haben wir die Triage. Wer nicht Covid-19 hat, läuft Gefahr zu sterben, weil er nicht behandelt wird.“

Triage – ein nicht seltenes Auswahlproblem

Die faz-net vom 8.5.2020 erläutert eben diese „Triage“ näher. Der Begriff steht im Französischen für Sichten oder Sortieren. Unter Bezugnahme auf einen älteren Artikel des Medizinsoziologen Volker H. Schmidt werden drei unterschiedliche Situationen beschrieben, in denen Mediziner unter Umständen über Tod oder Leben entscheiden müssen. Welche(r) Nierenerkankte darf zuerst in die Dialyse? Wer bekommt das nächste Spenderherz? Oder wenn in der Intensivmedizin die Ernstfälle von gestern die Betten blockieren, die man für Ernstfälle von heute benötigen würde.

Tod als Drohkulisse

Dient der Tod nur als Drohkulisse. Diese vom Wiener Medizinethiker Ulrich Körtner in Der Standard vom 8.5.2020 angestellte Überlegung träfe, wenn überhaupt, sowohl auf das Argument von Frank, als auch auf das von Herles zu.

Körtner: „Wir sollten auch verhindern, dass einzelne Bevölkerungsgruppen mit vermeintlich unterschiedlichen gesundheitlichen Risiken gegeneinander ausgespielt werden, zum Beispiel Alte gegen Junge. Es widerspricht auch einer freiheitlichen Gesellschaft, Menschen in bevormundender Weise vor sich selbst schützen zu wollen. … Denken wir nur an Rauchen, schnelles Autofahren, Risikosportarten, Fett- und Zuckerkonsum: Es gibt Rauchverbote, Vorschriften für Sicherheitsgurte und Tempobeschränkungen oder Kennzeichnungspflichten für Lebensmittel. Im Fall von Corona haben wir noch einige gesundheitspolitische Debatten vor uns. Angenommen, wir haben irgendwann einen Impfstoff: Soll es dann eine Impfpflicht geben?“

Welche Rolle spielen Schüler/Kinder im Infektionsgeschehen der Pandemie

Der Standard vom 7.5.2020 beantwortet kurz und knapp die wichtigsten Fragen. Macht aber auch klar, dass viele Fragen weiterhin offen sind.

Hierzu zählt, wie anfällig Kinder für Covid-19 sind und welche Rolle sie im Infektionsgeschehen spielen. Die Krankheitsverläufe bei Kindern sind oft symptomlos und meistens harmloser als bei Erwachsenen. So starb in China von 2.135 infizierten Kindern und Jugendlichen genau ein einziger Patient. Untersuchungen in Island und in China legen nahe, dass sich Kinder zudem deutlich seltener anstecken als Erwachsene. In der Literatur sind auch noch keine Fälle dokumentiert, dass unter zehnjährige Kinder Erwachsene angesteckt hätten.

Aus alledem werden in Beiträgen in der NZZ vom 4.5.2020 und faz-net vom 7.5.2020 etwas unterschiedliche Schlüsse gezogen. Die Schweizer bezweifeln angesichts der hohen (volks)wirtschaftlichen Kosten von Schulschließungen – wie Lerneinbußen der Kinder und Produktivitätseinbußen arbeitender Eltern – prinzipiell deren Sinn. Die deutsche Seite leitet im wesentlichen die folgende Empfehlung ab. „Da junge Menschen trotz einer Corona-Erkrankung häufig keine Symptome zeigen, ist Hygiene in Schulen besonders wichtig. Krankenhaushygieniker raten deshalb zu Masken – und zum Fieber messen.“

„Tröpfchen und Tröpfchenkerne sind in Klassenzimmern überall: Es wird viel gesprochen, gelacht, gerufen, gehustet und geniest – man braucht also Barrieren, die die potentiellen eigenen Viren zurück- und die anderer Personen abhalten. Einen Mund-Nasen-Schutz sollten Schüler und Lehrer daher im Unterricht tragen.“ So Karin Truscheit in ihrem Artikel in faz-net „Das hustende Klassenzimmer“ (statt das fliegende* von Erich Kästner, einer fast zeitlosen Lektüre, auch für junggebliebene Erwachsene).

Zwei Hoffnungsträger im Kampf gegen die Pandemie

In der Berichterstattung der letzen Tage tauchen immer wieder Meldungen auf, die auf eine erfolgreiche Bekämpfung der Covid-19 Krankheit hoffen lassen. Dabei geht es um Medikamente und Impfstoffe.

Medikamenten-Mix

Die NZZ vom 9.5.2020 berichtet: „Wissenschafter in Hongkong haben eine erfolgreiche Behandlung des Coronavirus mit einem Cocktail aus drei Medikamenten gemeldet. Es habe sich gezeigt, dass die Kombination der verschiedenen Wirkstoffe bei Patienten mit einem milden bis moderaten Krankheitsverlauf die Anzahl der Viren im Körper schnell verringere … . Es müsse aber noch untersucht werden, ob dies auch bei schwer erkrankten Corona-Patienten der Fall sei.“

Zum Medikamenten-Cocktail gehören das zur Behandlung von Multipler Sklerose eingesetzte Mittel Interferon beta-1b, die gegen HIV eingesetzte Wirkstoffkombination Lopinavir/Ritonavir sowie das Hepatitis-Medikament Ribavirin.

Auf der Suche nach dem richtigen Impfstoff

Am 7.5.2020 steht in der NZZ, dass derzeit in ersten klinischen Tests acht Impfstoffe an gesunden Erwachsenen erprobt würden. Man verfolge verschiedene Ansätze, „… vom konventionellen Impfstoff mit abgeschwächten oder abgetöteten Viren über Impfstoffe, die einzelne Proteine des Virus enthalten, bis zu genetisch veränderten harmlosen Viren, die als Fähren einzelne Moleküle von Sars-CoV-2 in den Impfling transportieren.“

Erfahrungsgemäss dauere es sieben bis 10 Jahre von der Idee bis zur zugelassenen Vakzine. Der Impfstoff gegen Ebola wurde in der Rekordzeit von fünf Jahren entwickelt. „Wer abkürze, könne später Probleme bekommen.“ Das gelte auch für die mit hohen Erwartungen versehenen, schnell produzierbaren RNA-Impfstoffe.

Faz-net von heute berichtet, Pfizer mit seinem deutschen Partner Biontech hätte mit der klinischen Studie für einen Impfstoff nun auch in den Vereinigten Staaten begonnen. „Sollte sich der Impfstoff als sicher und wirksam erweisen, könnte er möglicherweise bis Ende des Jahres in großem Maßstab in den USA eingesetzt werden“. Man könne bis dahin 20 Millionen Dosen produzieren, in 2021 könnten dies mehrere hundert Millionen sein. Hoffentlich trifft nicht das im vorigen Absatz Gesagte zu.

Und hier geht es weiter

#PreppoKompakt

Ob die zweite Welle der Pandemie nun kommt oder nicht. Dem Vorsorgeprinzip folgend sollten wir uns als Einzelne, wie auch die Gesellschaft als Ganzes, gut und zugleich angemessen darauf vorbereiten. Und auch den Pandemie Notfallmechanismus nicht austricksen wollen. Von Erich Kästner aus dem Jahr 1950 stammt übrigens auch der Spruch/das Epigramm „Moral – Es gibt nichts Gutes außer: Man tut es.“

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