Berichten in Tageszeitungen zufolge grassieren Ängste, insbesondere wenn aktuelle Ereignisse dazu den Anlass geben. Mögen sie auch noch soweit entfernt geschehen sein. Angst vor terroristischen Anschlägen, Ängste in der Schule oder vor An- und Übergriffen auf öffentlichen Plätzen, vor Belästigungen bei Bus- und (U)Bahnfahrten, vor KO-Tropfen – es gibt unzählige Beispiele. Hier sind anhand von Berichten der FAZ vom 7. Mai 2018 und 19. Februar 2019 nur zwei davon festgehalten. In der Regel finden sich Stimmen, die, unter Bezugnahme auf amtliche Statistiken, dann wieder relativieren. Wir kennen dies zur Genüge von den Reaktionen nach Abstürzen von Passagiermaschinen, wenn detailliert vorgerechnet wird, dass bei Autounfällen viel mehr Menschen zu Tode kommen. Oder von Aussagen gestandener Polizeipräsidenten, wie hier vom Schwarzwälder-Boten vom 19. Februar 2019 festgehalten, die ganz einfach von einer übersteigerten Kriminalitätsangst ausgehen.
Das mit dem subjektiven Empfinden
Sehr oft wird das subjektive Sicherheitsgefühl thematisiert, und das ist ganz selten deckungsgleich mit der Statisik. Der Risikoforscher Ortwin Renn unterscheidet (in dem oben genannten FAZ-Artikel vom 7.5.2018) dabei fein den ‚Sensationsaspekt‘ von der ‚Identifikation mit den Opfern‘. „Ein Terrorangriff oder ein Amoklauf ist immer etwas Außergewöhnliches. Solche Dinge beschäftigen die Menschen. Und je mehr man sich mit etwas beschäftigt, desto wahrscheinlicher erscheint es einem.“ Und Renn weiter: „Man könne sich selbst vorstellen, Opfer eines Anschlags zu sein, da gerade bei islamistischen Anschlägen die Opfer zufällig seien. ‚Es kann auch mich treffen‘ – diese Annahme verstärke die Angst.“
Das indiviuell empfunden gestiegene Sicherheitsbedürfnis findet dabei seine Entsprechung unter anderem in immer mehr ‚Kleinen Waffenscheinen‘ (benötigt für Schreckschuss-, Reizstoff/Gas- und Signalwaffen) – wie der WDR am 12. Januar über unser bevölkerungsreichstes Bundesland Nordrhein-Westfalen und die FAZ am 7. September diesen Jahres über das Land Hessen zu berichten wissen. Relevant sind auch die Ergebnisse einer Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach vom Juli 2019 unter 1103 Befragten der ‚Generation der Mitte‘, das sind die 30- bis 59-Jährigen (hier in unserem Blog behandelt). Diese zeugen von einer stark zunehmenden Aggressivität in vielen Lebensbereichen. Für 90 Prozent macht sich dies im Straßenverkehr, für 81 im gesellschaftlichen Umgang, für 59 auf öffentlichen Plätzen, für 54 im Internet und für 51 Prozent in den öffentlichen Verkehrsmitteln bemerkbar.
Wahrscheinlichkeit hin oder her – was im Ernstfall konkret tun
Gesetzgeberische Maßnahmen sind sicherlich erste Wahl, wenn es darum geht, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stabilisieren. So arbeitet der Bundesrat gegenwärtig an einem von mehreren Bundesländern eingebrachten Gesetzesentwurf, der es ermöglichen würde, Waffenverbotszonen (speziell für Springmesser und feststehende Messer mit einer Klingenlänge von über sechs Zentimetern) auf Aufenthaltsorte mit besonders vielen Menschen auszuweiten. Dort sei die Wahrscheinlichkeit für Messerangriffe besonders hoch (FAZ vom 11.5.2019). Aber Vollzugsdefizite aufgrund einer dünnen Personaldecke bei städtischen Ordnungsämtern oder einer schon kräftig überlasteten Polizei, und dies gilt generell, schränken die Wirksamkeit von Gesetzen ein.
An der Hochschule der Polizei in Rheinland-Pfalz trainierten in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal Ärzte aus Notaufnahmen für den Ernstfall (zur Pressemitteilung hier). Es ist deren Antwort auf das hohe Aggressionspotenzial, das neben Polizisten und Einsatzkräften immer mehr auch das Personal von Krankenhäusern trifft. Mit Einsatz- und Kommunikationstrainern wurde das richtige Verhalten geübt. Neben Kommunikationsstrategien gehören auch einfache Abwehr- und Selbstverteidigungstechniken dazu.
Für Passanten, die zufällig Zeuge eines aggressiven Verhaltens werden, stellt sich die grundsätzliche Frage, helfen oder Abseits stehen (siehe hierzu den entsprechenden Artikel des Sicherheitstrainers Steffen Melzer auf Tichys Einblick vom 2.8.2019). Vereinfacht gilt: Mut bedeutet „… auch und vor allem, sich vom Täter weg zu bewegen, zusammen zu bleiben, die Polizei zu rufen und sich das Aussehen, Besonderheiten, Fluchtrichtung etc. des Täters zu merken. Gegebenenfalls kann man andere Personen gezielt um Unterstützung ansprechen.“
Einzelmaßnahmen reichen sicher nicht aus – unser Staat muss liefern
Was es inzwischen nicht alles gibt: Kurse für mutige Helfer (FAZ vom 22.1.2019) und eine Initiative Kompass, mit der die emotionale Klärung von Angsträumen angestrebt wird (FAZ vom 19.7.2018). Trainings der Polizei im S-Bahn-Waggon für Frauen und Mädchen ab 16 Jahren, damit sie lernen, mit brenzligen Situationen umzugehen (Stuttgarter Nachrichten vom 6.9.2019). Mit einem Armband kann man/Frau testen, ob ihrem Getränk KO-Tropfen verabreicht worden sind (siehe hierzu die FAZ vom 3.3.2019 und Bild vom 15.3.2019).
Und es gibt neuerdings einen funktionalen Schutzschirm (in der FAZ vom 13.10.2019 als Regenschirm mit Zusatzfunktion vorgestellt). Dieser sollte alle politisch Verantwortlichen – und das symbolisiert ein Schirm ja ausgezeichnet – an die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols erinnern. Und zwar nicht nur bei Regenwetter, wie ein Schirm, selbst bei Sonnenschein, bei Tag und bei Nacht: An die ständige Aufgabe des Rechtsstaates, für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Nach Thomas Hobbes (1588-1679) „… lege jedes Gesellschaftsmitglied seine Fähigkeit zur Gewaltsamkeit ab, übertrage sie auf den Staat und erwarte sich als Gegenleistung die Sicherstellung von Sicherheit und Ordnung durch den Staat“ (siehe hierzu die Abhandlung der Bundeszentrale für politische Bildung). Allein nach dem Rezept von Mascha Kaléko zu leben – „Jage die Ängste fort und die Angst vor den Ängsten“ – kann Einzelnen helfen, reicht aber für eine große Gemeinschaft definitiv nicht aus.
#PreppoKompakt
Ängste sind allgegenwärtig, je nach „Großwetterlage“ zudem bei unterschiedlichen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Deshalb ist das subjektive Sicherheitsempfinden auch eine ernstzunehmende Größe. Neben dem, was der Einzelne oder eine kleinere Gemeinschaft tun kann, um sich sicher zu fühlen und um einigermaßen sicher zu sein, fällt dem Staat aufgrund seines Gewaltmonopols die zentrale Funktion zu.