Wirtschaft im Fokus: Nach- und Vorausschau

Vor wenigen Tagen ist das neue Buch von Daniel Stelter unter dem Titel „Coronomics: Nach dem Corona-Schock – Neustart aus der Krise“ im Campus Verlag in Frankfurt am Main erschienen. Wir werden dieses Buch in Kürze hier vorstellen und besprechen. Zum besseren Verständnis des Autors und seiner Überlegungen vorneweg Zitate aus seinem letzten, im September 2018 im Finanzbuchverlag, München, erschienenen Buch „Das Märchen vom reichen Land. Wie uns die Politik ruiniert“* (256 S., 22,99 €). Inklusive kurzer Bewertungen – auch mittels Überschriften – meinerseits vom November des gleichen Jahres.

Daniel Stelter ist ein promovierter Wirtschaftswissenschaftler und Publizist (hier seine Homepage „Think beyond the obvious“). Er war von 1990 bis 2013 als Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group (BCG) tätig. Zuletzt als Senior Partner, Managing Director und Mitglied des BCG Executive Committee. In wenigen Tagen – genau am 29. Mai – wird er 56 Jahre alt. Mit seinen Arbeiten reiht er sich ein bei Max Otte (hier besprochen) und Marc Friedrich & Matthias Weik (hier besprochen). Wobei Stelter bislang in seinen Büchern auf individuelle Empfehlungen zur Krisenvorsorge und -bewältigung kein Schwergewicht gelegt und stärker Politikberatung im engeren Sinne betrieben hat. In dieser Hinsicht ist er auch näher bei dem Fünften im Bunde, Markus Krall (hier interviewt von Roland Tichy über die bürgerliche Revolution).

Noch so ein Märchen wie Schneewittchen?

Das Märchen vom reichen Land

Zustandsbeschreibung

„Wir schaffen das Wunder, hart zu arbeiten und gut zu verdienen und dennoch weniger Vermögen zu besitzen.“ (S. 20).

„Die Formel für Reichtum ist einfach: gut verdienen, sparen und die Ersparnis richtig verwenden. Das Problem in Deutschland: seit Jahren überwiegen … Konsum und Verzicht auf Investitionen in der Politik. Weil diese zugleich mit übermäßiger Abgabenbelastung und der Förderung einer falschen Vermögensbildungsstrategie der Bürger die private Vermögensbildung hemmt, haben wir es mit einem doppelten Problem zu tun. Wir bilden (zu) wenig privates und staatliches Vermögen. Wir sorgen nicht vor.“ (S.22).

Was der Euro bewirkt

Exportweltmeister 2017 (vermutlich auch 2018): „Ein Titel, der uns nicht beliebt macht.“ (S. 27).

„Zunächst ist der Euro ein Subventionsprogramm für die exportorientierte Industrie in Deutschland. Es profitieren vor allem die Aktionäre und (weniger) die Mitarbeiter dieser Branchen. Demgegenüber gibt es erhebliche Wohlstandsverluste für andere. Der ‚Mann auf der Straße‘ gehört nicht zu den Gewinnern des Euro.“ (S. 29).

„… unsere Exportüberschüsse (sind) vor allem der Schwäche des Euro und der fehlenden Möglichkeiten zur Abwertung in den anderen Ländern des Euroraumes geschuldet. Beides funktioniert auf Dauer nicht. Kommt es zur unvermeidlichen Neuordnung des Euroraumes und dem Austritt einzelner Länder … droht eine heftige Krise bei uns.“ (S. 33).

„So bleibt das unstrittige Ergebnis, dass wir sparen und dennoch nicht ‚reich‘ sind. Natürlich hat dies auch mit unserer Geschichte zu tun. Zwei verlorene große Kriege mit erheblichen Zerstörungen, die Teilung des Landes und schließlich die Kosten der Wiedervereinigung haben Spuren im Vermögen der Deutschen hinterlassen.“ (S. 47).

Hohe Belastung der Durchschnittsverdiener

„49,4 Prozent musste der deutsche Durchschnittsverdiener 2016 vom Einkommen für Steuern und Sozialabgaben abführen, weit über dem OECD-Schnitt von 36,0 Prozent. Nur in Belgien war die Belastung mit 54,0 Prozent noch höher. Das liegt auch daran, dass die Steuerschraube hierzulande bereits ab 50 000 Euro Jahresbruttoeinkommen drastisch angezogen wird.“ (S. 48f). Hinzu kommen indirekte Belastungen, z.B. aus der EEG-Umlage. „Übrigens eine Umverteilung zu Lasten der ärmeren Bevölkerungsschichten, die nicht von der Subventionierung von Windparks und Solaranlagen profitieren.“ (S. 50).

„Wer Blasen an den Immobilienmärkten verhindern und die Stabilität des Finanzsystems erhöhen will, der muss grundlegend über unser Geldsystem nachdenken und das Recht der Banken, Geld zu schaffen, in Frage stellen.“ (S. 57).

Wie die Eichhörnchen

„Die Summe der Handelsüberschüsse der letzten Jahre liegt deutlich über dem Zuwachs des Auslandsvermögens. Wie die Eichhörnchen sammeln wir fleißig und finden nicht alles wieder. So dumm wir individuell sparen, so dumm sparen wir auch als Volkswirtschaft.“ (S. 66).

„In einer überschuldeten Welt ist es keine gute Idee, Gläubiger zu sein.“ (S. 68, mit Zahlen unterlegt). Doch wir sind es. Und im Euroraum kommen noch Target2-Forderungen (Zins- und tilgungsfreie Kredite ohne Sicherheiten) in Höhe von rund einer Billion (= 1000 Milliarden) Euro (Stand Sommer 2018) hinzu (S. 73-84).

Akademischer Streit darüber, ob dies nur ein buchhalterisches oder ein echtes Problem ist. Hat der Euro dauerhaft Bestand, Ersteres. Löst sich der Euroraum auf, indem beispielsweise Italien ihn verläßt, dann Letzteres.

Warnung vor Nebenwirkungen

„Die Nebenwirkungen der ’schwarzen Null‘ sind erheblich. Zum einen fördert das staatliche Sparen zusätzlich den Ersparnisüberhang bei uns, der mit den Exportüberschüssen korrespondiert. Zum andern haben die Politiker am falschen Ende die Ausgaben gekürzt. Nämlich bei der Zukunftsfähigkeit unseres Landes.“ (S. 87).

Wirtschaft im Fokus – sinkende Leistungsfähigkeit

„44,6 Millionen Menschen mit Arbeitsort in der Bundesrepublik zählte das Statistische Bundesamt im April 2018.“ Höchststand! In den kommenden Jahren steht ein deutlicher Rückgang der Erwerbsbevölkerung bevor. (S. 110). „… Notwendigkeit, qualifizierte Zuwanderer anzuwerben. … Die Einwanderung von Menschen mit geringem Bildungsniveau trägt nicht zur Lösung unserer demographischen Herausforderungen bei, sondern verschärft diese noch … „. Das Wachstum der Produktivität reicht nicht aus (S. 111).

„Den Babyboomern bleibt nur die unerfreuliche Aussicht, von drei Seiten in die Mangel genommen zu werden: von fallenden Vermögenswerten, steigen Preisen und höheren Abgaben und Steuern, weil unsere Politiker, statt vorzusorgen, die ungedeckten Versprechen erhöht haben, um Wählerstimmen zu gewinnen.“ (S. 124).

Unkontrollierte Zuwanderung kein Lösungsansatz

Der Autor setzt sich fundiert mit der Zuwanderung nach Deutschland auseinander (S. 127-153). Der unkontrollierten Einwanderung mit Quantität statt Qualität und Masse statt Klasse wird unter anderem der japanische Weg der konsequenten Produktivitätssteigerung gegenübergestellt (S. 131f).

Sehr gut wird die Pervertierung des Gedankens beschrieben, zu helfen. „Wer hofft junge und gebildete Flüchtlinge dauerhaft aufzunehmen, verwehrt den Herkunftsländern eine bessere Entwicklung. Wer 25000 Euro pro Flüchtling aufwendet, statt mit dem Geld 2500 Flüchtlingen vor Ort zu helfen, verwendet sein Geld ineffizient und ungerecht. Außerdem schafft er den perversen Anreiz, sich auf eine lebensgefährliche Reise zu begeben, die eigentlich nicht erforderlich ist.“ (S. 129). Und: „Statt einen Beitrag zur Bewältigung unserer Sozialstaatsprobleme zu leisten, werden diese Migranten und die weiteren, die kommen … die Probleme potenzieren.“ (S. 135).

„Deshalb gibt es auch eine Belastungsgrenze finanzieller Art, die jeder sieht, der sich nicht im Märchen vom reichen Land verliert. Ebenso … eine Grenze der sozialen Integrationsfähigkeit … wenn es sich um Menschen aus einem anderen Kulturraum handelt. Dies anzusprechen ist nicht fremdenfeindlich, sondern einfache Mathematik.“ (S. 150).

Politik versus ökonomische Logik

„Euro(pa) um jeden Preis. Ein politisches Projekt gegen jede ökonomische Logik.“ (S. 155-182).

So darf es nicht weitergehen

„Wie man ein Land ruiniert. Die Politik vernichtet unseren Wohlstand gleich mehrfach. (S. 183-193).

Plädoyer für einen grundlegenden Neustart

„So sanieren wir Deutschland. Es genügen keine Reformen, wir brauchen einen grundlegenden Neustart.“ (S. 195-233.) Uns bleibt nicht mehr viel Zeit!

Kurzbewertung

In den elf Kapiteln mit Zwischenbilanz (S. 105-108) eine saubere Analyse der Situation Ende 2018 auf den zentralen Feldern der Politik in Deutschland und Europa. Ohne Scheuklappen wird mit dem Märchen vom reichen Land aufgeräumt.

Ist: Kaputtsparen und Konsum (S. 184). Klare Argumentation mit einleuchtenden, nachvollziehbaren Begründungen. Nüchterne Schlussfolgerungen und Empfehlungen für ein rationales Handeln.

Soll: Wohlstandsmehrung als politisches Ziel (S. 199). Im Prinzip gibt dieses Buch in den Grundzügen ein wirtschaftspolitisches Handlungsprogramm vor. Eine unvoreingenommene Aufnahme im politischen Raum ist ihm zu wünschen.

Und hier geht es direkt zu „Coronomics“

#PreppoKompakt

Wunsch und Wirklichkeit klaffen beim Märchen vom reichen Land weit auseinander. Gravierende Änderungen haben die genannten Empfehlungen Daniel Stelters bislang nicht bewirkt. Aber vielleicht ändert sich das jetzt mit seinem neuen Buch „Coronomics“. Hoffen wir es!

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