Nachdem die Öffentlichkeit sehr lange darauf warten musste, ist das Thema mit den E-Scootern momentan in hohem Maße präsent. Als ginge es den Erwachsenen darum, sich die Kindheit und Jugend zurückzuholen. Wobei in ländlichen Regionen – anders als in städtischen Ballungszentren – wohl eher der traditionelle Roller von Kindern und Jugendlichen bewegt wird. Aber, ob ohne oder mit Motor, das Ganze behält eine stark infantile Note.
Erst jetzt …
Erst jetzt – nachdem seit dem 15. Juni 2019 E-Scooter gesetzlich erlaubt sind – dämmert vielen Großstädtern, welche Probleme damit einhergehen: Erst jetzt gibt es Verhandlungen der kommunalen Spitzenverbände mit vier großen Verleihfirmen (siehe hierzu verschiedene Beiträge auf der Internetseite des Deutschen Städtetags: Pressemitteilungen). Erst jetzt werden einschlägige Handlungsempfehlungen publiziert (siehe auf der vorgenannten Seite nur das Papier von Agora Verkehrswende, das fundiert Empfehlungen ausspricht). Erst jetzt realisieren Polizei und kommunale Ordnungsdienste, welch neues, zusätzliches Aufgabengebiet ihnen zugewachsen ist. Denn neben den körperlichen Schäden und Verletzungen haben die ersten Wochen dieses Experiments eindeutig aufgezeigt, dass ohne strikte Kontrollen und Überwachung ein geordneter Ablauf auf Fahrradwegen und Straßen absolut nicht zu gewährleisten ist. Zur Freude von Kriminellen, denen angesichts schon angespannter Personalkapazitäten bei der Polizei damit in ihrem Tagesgeschäft Freiräume erwachsen dürften.
Konflikte vorprogrammiert
Nutzungskonflikte sind normal. Wird die Verkehrsdichte nicht übertrieben, dann lassen sich auch mit Verhaltensregeln, die auf die Schwachen Rücksicht nehmen, die Dinge gut in den Griff bekommen. Aber selbst in Wald und Flur bedarf es zwischen Wanderern und Mountainbikern gewisser Absprachen, damit niemand Schaden nimmt. Beim E-Scooter-Experiment haben das fachlich zuständige Bundesverkehrsministerium sowie der Gesetzgeber, d.h. Bundestag und Bundesrat, mit Kraftfahrzeugen, Rad- und Kradfahrern und Fußgängern ohne eine zuvor geleistete größere Öffentlichkeitsarbeit und umfassende Vorbereitung gleich fünf verschiedene Verkehrsteilnehmergruppen aufeinander losgelassen. Dass sich dabei Konflikte entwickeln und hochschrauben nimmt kein Wunder. Da werden mit Drohgebärden deftige Beleidigungen ausgetauscht, mit Aufklebern auf den QR-Codes Scooter als defekt gekennzeichnet und damit unbrauchbar gemacht, ja diese sogar in Großstadtgewässern „entsorgt“.
Weitere Schwachstellen
Das neue Berufsbild Juicer erinnert schon vom Namen her an Zitronen, die man auspresst. Es sind die Menschen, die die E-Scooter abends einsammeln, Akkus aufladen und morgens wieder auf die Straße bringen – siehe hierzu den Beitrag auf faz.net+ vom 31. August (hier festgehalten faz.net). In Bezug auf die Haltbarkeit der Fahrzeuge wird gegenwärtig von drei bis sechs Monaten ausgegangen. Aber selbst bei der Zielvorstellung von 10 bis 18 Monaten ist die Frage angemessen, wo die Nachhaltigkeit bleibt. Sie bleibt vermutlich auf der Strecke, wie so vieles andere auch. Das neue Mobilitätsangebot sollte verstärkt Autofahrer über die „letzte Meile“ zum Umsteigen auf den Öffentlichen Personen-Nahverkehr bewegen. Es gibt aber bislang keinerlei Anzeichen dafür, dass dies bei uns gelingt.
Mehr als fragwürdiger Nutzen
Cui bono, wem nützt nun die ganze Angelegenheit? Selbst in Bezug auf die etwa fünfzehn angetretenen Verleihfirmen erscheint fragwürdig, ob sie das Geschäft bei uns profitabel gestalten können, obwohl auch finanzstarke US-amerikanische Unternehmen am Start sind (zuhause seit Herbst 2017 im Geschäft – siehe unser Eingangsbild). Die Unfallkliniken und Ärzteschaft haben schon jetzt genug am Hals. Oder ist es ein raffiniertes Ablenkungsmanöver des Bundesverkehrsministers – Stichwort Autobahnmaut. So etwas wird vorstellbar, wenn einreißt, dass man für sein Tun nicht mehr die politische Verantwortung übernehmen muss – egal, ob so oder so, es ist „beScheuert“.
Vorschlag: anstelle des E-Scooters lieber eine Schaukel kaufen und mit zertifizierten Dübeln und Schrauben zuhause befestigen. Das Schaukeln entspannt richtig und ist in der Regel ungefährlich. Eine Hängematte geht natürlich auch.