In Zeiten wie in dieser Ausnahmesituation mit Corona liegt ein Hauptaugenmerk der politisch Handelnden auf der neuen Gefahr. Dabei scheinen sich die Ängste davor zu relativieren, obwohl immer noch viel Unbekanntes enthalten ist. Zudem rangieren die wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 im Bewußtsein der Menschen vor deren negativen gesundheitlichen Auswirkungen.
Neben dem Corona Virus gibt es aber andere Konstellationen, die dringend wieder mehr Aufmerksamkeit benötigen (hier haben wir mit Fahrradunfällen, wie auch anderen Gefahrenmomenten etwas davon abgearbeitet). Nicht zuletzt, weil gerade in Zeiten der Pandemie die Situation für „Experimente“ jeglicher Art vordergründig günstig erscheint. Streifen wir bei der Suche nach Gefahren einfach mal durchs Revier.
Ängste in Deutschland anno 2020
Seit 1992 misst die R+V-Versicherung – ein Unternehmen der Volks- und Raiffeisenbanken – jährlich in einer Befragung „die Ängste der Deutschen“. Laut R+V die bundesweit einzige repräsentative Umfrage, die einen Langzeitvergleich möglich macht. Dazu wurden vom 8. Juni bis 21. Juli diesen Jahres mehr als 2400 Frauen und Männer (ab 14 Jahren) etwa zwanzig verschiedene politische und gesellschaftliche „Besorgnisse“ vorgelegt, die sie auf einer Skala von eins bis sieben zu bewerten hatten. Dabei definieren die Werte von fünf bis sieben die Kategorie „große Angst vor …“.
Faz-net vom 10.9.2020 fasst die aktuellen Ergebnisse wie folgt zusammen:
„Nach dieser Wertung gaben 53 Prozent der Befragten an, sie hätten große Angst davor, dass Trumps Politik die Welt gefährlicher mache. In der Rangliste der größten Sorgen folgen Ängste, die alle indirekt mit der Corona-Krise zu tun haben: die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten (51 Prozent), vor den Kosten der EU-Schulden für die Steuerzahler (49) und vor einer schlechteren Wirtschaftslage (48). Die Angst, von einer Pandemie häufiger als zuvor betroffen zu sein, rangiert erst auf Platz neun. 42 Prozent der Befragten benennen sie, das sind ähnlich hohe Werte, wie sie die Angst vor dem Zuzug von Ausländern oder die Überforderung des Staates durch Flüchtlinge (jeweils 43Prozent) erreichen.“
Allgemeines Angstniveau auf niedrigstem Wert
Dabei ist das allgemeine „Angstniveau“, das sich aus dem durchschnittlichen Mittel aller Angst-Bewertungen ergibt, mit 37 Prozent auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Befragungen in 1992 gesunken. Allerdings verblieb rund 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch ein deutlicher Unterschied zwischen Ost (42) und West (35) .
Ob Jung, ob Alt, bei allen steht die Sorge vor US-Präsident Trump an erster Stelle. Bei Jugendlichen folgt danach die Angst vor dem Klimawandel und vor Naturkatastrophen, bei den mittleren Jahrgängen die Angst vor einer schlechteren Wirtschaftslage. Und die Älteren sorgen sich vor allem um die EU-Schulden und davor, ein Pflegefall zu werden. Angesichts der über einen längeren Zeitraum dominierenden Meinungen in der Berichterstatttung (des Mainstreams) und einer individuellen Orientierung alles nicht wirklich überraschend.
Verzicht auf Konsum und fehlende Einsicht
Carl Tillessen und die Gefahr von übermäßigem Konsum
Dazu passen auch die von Carl Tillessen in Buchform angestellten und in faz-net vom 22.9.2020 kolportierten Überlegungen zum Konsumverzicht. „Konsum. Warum wir kaufen, was wir nicht brauchen“*, erschienen im September im Verlag HarperCollins, New York (Hauptsitz).
„Man weiß, dass es eine Sucht ist, man geht aber trotzdem nicht dementsprechend damit um. Wenn wir unseren Überkonsum weiter als eine kleine harmlose Schwäche betrachten, werden wir das Problem nicht in den Griff bekommen. Das gilt für unsere Gesellschaft als Ganze und für jeden Einzelnen als Individuum.“ Folglich propagiert Tillessen eine Konsumdiät, ein minimalistisches Leben und schickt uns in die Therapie.
Und er rät dazu, den Verstand zu benutzen. „Wenn man sich rational klar gemacht hat, welche Dinge einem gut tun und welche nicht, fällt es einem auch emotional viel leichter, auf bestimmte Dinge zu verzichten.“ Dieser Glaube an einen allgegenwärtigen Verstand ehrt ihn, ist aber zugleich auch ein Schwachpunkt in seiner Argumentation.
Jan Söffner und die Kraft der Normalität
In der NZZ vom 17.9.2020 kommt Jan Söffner zu Wort, Professor für Kulturtheorie und Kulturanalyse an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Er hält fest, was Tillessen offensichtlich übersehen hat. Wie wir uns in der Regel selbst betrügen oder, weniger hart formuliert, überlisten.
„Das lebenspraktische Verschwindenlassen von Unangenehmem und Bedrohlichem ist per se noch nichts Besonderes. Denken … wir an den Fleischkonsum bei gleichzeitiger Abscheu vor der Massentierhaltung und der Ausbeutung billiger Arbeitskräfte in Schlachthöfen.“
Normalität sei nur durch Selbstbetrug zu haben – Unaufrichtigkeit sich selbst gegenüber, „mauvaise foi“ nach Jean-Paul Sartre. In der Corona-Krise sei nun aber das Leben unter anderem durch Lockdown-Maßnahmen, den Digitalisierungsschub und das Home-Office selbst anormal geworden.
„So gesehen, hätte der Sommer 2020 das Potenzial gehabt, eine ganze Epoche ins Wanken zu bringen und die Suche nach einer anderen, lebbaren Normalität zu befördern. Allein, dazu ist es bis jetzt nicht gekommen. Denn ist unsere Normalität auch bis ins Mark erschüttert, hat sie, jenseits des altbekannten menschlichen Selbstbetrugs, doch mächtigere Immunreaktionen ausgebildet, als jede andere Normalität vor uns sie je gehabt hat.“ So Prof. Söffner.
Verkehrsunfall nach Stau als Gefahrenmoment
Brutal zurück in die Normalität nimmt uns faz-net vom 7.10.2020 mit dem Bericht über ein schweres Verkehrsunglück mit fünf Toten auf der A 1 zwischen Bremen und Osnabrück. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gab es aufgrund einer Baustelle im Bereich Wildeshausen einen Stau. Kurz nach Mitternacht raste dann ein Kleinbus aus Polen in einen stehenden Lastwagen, ohne dass die Polizei später Bremsspuren fand.
Sachverständige raten Autofahrern vor einem Stau so schnell wie möglich die Warnblinkanlage einzuschalten, um den nachfolgenden Verkehr zu warnen. Zudem sich am Stauende eher auf der linken Spur aufzuhalten und mehrere Fahrzeuglängen Abstand zum Vordermann zu lassen, bis drei, vier Fahrzeuge hinter dem eigenen Wagen zum Stehen gekommen sind. Angesichts der zunehmenden Zahl von Baustellen aufgrund hoher Investitionen in die Infrastruktur, man denke nur an die zahlreichen Brückensanierungen, ein so zu entschärfender Gefahrenmoment.
Hackerangriff mit tödlichen Folgen
Hackerangriffe auf deutsche Universitäten sind gang und gäbe – beschrieben in faz-net vom 25.9.2020 hinter Bezahlschranke. Dies liegt mit daran, dass Unis mit ihren verzweigten Strukturen und vielen externen Nutzern für Hacker eine relativ leichte Beute sind.
Nun hat solch ein Hackerangriff auf die Universität Düsseldorf, dort ging das Erpresserschreiben ein, Anfang September möglicherweise ein erstes Todesopfer gefordert. Eine Frau mit Aorta-Riss, die in eine Wuppertaler Klinik transportiert werden musste, nachdem die Server des Universitätsklinikums Düsseldorf lahmgelegt waren, verstarb. Als die tödlichen Folgen des Angriffs publik wurden, gaben die Hacker die blockierten Server wieder frei und ihre Spur verlor sich – wie zumeist.
Hochprofessionelles Vorgehen
Von der Zentralstelle für Cybercrime (ZAC) bei der Staatsanwaltschaft in Köln wurde den Hackern ein hochprofessionelles Vorgehen bescheinigt. Solche Attacken stürzen die angegriffenen Institutionen oft für Wochen ins Chaos. Eine effektive Gefahrenabwehr ist dabei enorm schwierig.
Internetkriminalität mit neuem Schwung – Gefahr mit Ansage
Wie faz-net berichtet, ist jeder Vierte in Deutschland schon Opfer von Internet-Kriminalität geworden. Dies ergab das aktuelle „Digitalbarometer 2020„, einer jährlichen Bürgerbefragung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit Sitz in Bonn und Freital bei Dresden.
Im Vergleich zum Vorjahr nahm besonders der Betrug beim Online-Shopping zu. Dies habe auch mit dem von der Corona Pandemie ausgelösten Digitalisierungsschub zu tun. Verbrecher passten sich der neuen Realität schnell an.
Geringes Bewußtsein für Gefahren
„Trotz steigender Kriminalitätsraten achtet laut der Umfrage nur jeder Zehnte bewusst auf entsprechende Sicherheitsmaßnahmen. Zehn Prozent ergreifen überhaupt keine Maßnahmen, um sich im Netz zu schützen. Das sei wie Autofahren ohne Anschnallen oder Bahnfahren ohne Maske, sagte BSI-Präsident Arne Schönbohm. Die Ergebnisse zeigten deutlich, dass die Nutzer hier noch mehr Orientierung brauchten.“ So in faz-net vom 28.9.2020.
Zocken an der Börse per App – eine todernste Gefahr nicht nur fürs Konto
Laut faz-net vom 10.9.2020 hat es hierzulande erstaunlicherweise relativ lange gedauert, bis das Zocken an der Börse zum sekundenschnellen Spiel geworden ist. Man lädt sich einfach eine App aufs Smartphone und spekuliert drauflos. Zudem sind die Gebühren, wenn nicht sogar kostenlos, lächerlich niedrig. So kostet bei Scalable Capital, einem Fintech aus München, die Trading-Flatrate 2,99 € im Monat.
Zielgruppe Millennials oder die Generation Y
„Zielgruppe sind die mit Gamification-Elementen bestens vertrauten Millennials. Enthusiasten sprechen von der Demokratisierung des Börsenhandels, während Kritiker Neulinge auf dem virtuellen Börsenparkett sowie Zockerfreunde, die glauben, langfristige Finanzstrategien und Diversifizierung des Portfolios seien etwas für Angsthasen, eindringlich vor dem finanziellen Ruin warnen.“
Als drücke man Zwölfjährigen Autoschlüssel in die Hand
Eine US-amerikanische Finanzexpertin setzte das Spekulieren per App damit gleich, als drücke man Zwölfjährigen die Schlüssel für einen Sportwagen in die Hand. Der in ihrem Land bekannteste – und umstrittenste – Neo-Broker heißt Robinhood. Seit Jahresbeginn und durch die Corona-Pandemie befeuert hat das Unternehmen mehr als drei Millionen vor allem junge Neukunden gewonnen. Die Hälfte davon spekuliert erstmals an der Börse. Und man kann selbst auf Pump spekulieren. Mit Aktien, aber auch hochkomplizierten Finanzprodukten.
Gemäß DerStandard vom 10.10.2020 ist Robinhood mit zwölf Millionen Nutzern zur Nummer zwei in den USA geworden. „Auch Geldgeber wollen mitnaschen, insgesamt 1,25 Milliarden Dollar steckten sie heuer in das Start-up, das zuletzt mit 11,7 Milliarden Dollar bewertet wurde. Doch es gibt auch Kritik an Robinhood: Der spielerische Umgang mit Wertpapieren auf der App verleite zu Risiko.“ Eine die Gefahren bei weitem verharmlosende Formulierung.
Ein erstes Opfer
„Zu den risikoaffinen Hobby-Spekulanten gehörte auch der College-Student Alex Kearns. Während des Lockdowns verfiel er wie viele andere ahnungslose Privatanleger dem Daytrading. Als ihm im Juni seine Robinhood-App aus ungeklärten Gründen ein Minus von mehr als 730.000 Dollar anzeigte, interpretierte Kearns die Summe fälschlicherweise als realen Verlust – und beging Selbstmord.“ So Melanie Mühl im faz-net- Artikel „Per Flatrate in den Ruin“.
Eindeutige Empfehlung
Besser „anno 1800″* spielen, das den Deutschen Computerspielpreis 2020 erhalten hat (heise online vom 28.4.2020). Von der Trading-App aber die Finger lassen.
Und hier geht es weiter mit der zweiten Welle
#PreppoKompakt
Nicht immer ist der heilige Georg zur Stelle, um uns vor dem Drachen zu schützen. Die meiste Arbeit zur Abwehr von Gefahren müssen wir immer noch selbst erledigen. Aber neben dem gesunden Menschenverstand schadet eine Portion Gott- oder Urvertrauen auf keinen Fall.
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