6 minutes
Zumindest in Mittelamerika hat eine Kryptowährung das Erwachsenenalter erreicht. El Salvator ist das erste Land weltweit, wo der Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel wurde. Die Geburtswehen dort dauern noch an, aber auch uns Europäer halten Kryptowährungen kräftig auf Trab. Also, die Kryptowährung wird erwachsen.
Bitcoin offizielles Zahlungsmittel in El Salvador – Kryptowährung erwachsen
Seit Dienstag, den 7.9.2021, ist der Bitcoin gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvador. Vorangegangen war der Beschluss des Parlaments vom 8. Juni, dies innerhalb von 90 Tagen umzusetzen. Das in Kraft getretene Gesetz verpflichtet Händler dazu, Bitcoin Zahlungen zu akzeptieren, sofern es ihnen technisch möglich ist. Zudem fördert die Regierung den Einstieg in die Bezahlmethode mit einem 30 US-Dollar Startguthaben für eine Wallet-App namens „Chivo“. Sie funktioniert wie eine digitale Geldbörse. Darüber hinaus soll die Nutzung von Vulkanenergie zum Minen von Bitcoin die Zukunft der Kryptowährung im Land sichern. Wir haben hier darüber berichtet.
Vertrauen in Bitcoin
Doch das Vertrauen der Bevölkerung in die Kryptowährung ist bislang gering, wie faz.net am 6.9.2021 festhält. So lehnten laut „… einer landesweiten Umfrage der Universidad Centroamericana (UCA) mit knapp 1300 Teilnehmern im August rund 70 Prozent der Salvadorianer das Bitcoin-Gesetz ab. Etwa gleich viele hatten demnach ungenaue Vorstellungen von Bitcoin: Nur 4,8 Prozent der Befragten definierten sie korrekt als Kryptowährung.“ Eine wilde Achterbahnfahrt attestiert das Managermagazin dem Bitcoin, dessen Kurs am Tag der Einführung als gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvator dann zweistellig einbrach. Zu den Gründen zählen zusätzlich technische Probleme der digitalen Geldbörse im Registrierungsprozess und an den Geldautomaten, wie faz.net tags darauf berichtete.
Vorteile des Bitcoin
Wie die NZZ vom 7.9.2021 (hinter Schranke) festhält, sind mittel- und langfristig aber deutliche Vorteile durch den Bitcoin zu erwarten. El Savador ist als eines der ärmsten Länder der Welt auf Überweisungen von Salvadorianern, die im Ausland arbeiten, angewiesen. Kommerzielle Agenturen verlangen dafür bis zu 30%, mit dem Bitcoin soll es deutlich günstiger werden. Präsident Nayib Bukele sieht ein Einsparpotenzial von 400 Mio. US-Dollar pro Jahr.
Die NZZ gibt die Einschätzung eines in Panama ansässigen Kryptoexperten wider, der davon ausgeht, dass die Menschen in einem halben Jahr plötzlich merken, dass und wieviel sie wirklich bei Überweisungen mit Bitcoin sparen können. Auch das große Schwanken/die Volatilität des Wertes der Kryptowährung – zeitweise 70% weniger wert, für Menschen, die mit durchschnittlich 4000 Dollar im Jahr auskommen müssen, eine Frage des Überlebens/Verhungerns – lege sich, sobald diese sich mehr und mehr durchsetzen. In zahlreichen Ländern Lateinamerikas verfolgten die Zentralbanken das Experiment in El Salvador genau. „In Kolumbien, Uruguay und Mexiko zum Beispiel stünden private Banken wie Finanzbehörden auf jeden Fall schon bereit, um ebenfalls Kryptowährungen einzuführen.“ So Alexander Busch – vor Ort in Salvador – in der NZZ.
Verdachtsfälle der Geldwäsche und Strafvereitelung
Die Verdachtsfälle der Geldwäsche in Zusammenhang mit Kryptowährungen steigen rasant, wie das Handelsblatt am 1.9.2021 berichtet. So hat das Aufkommen bei der Geldwäsche-Spezialeinheit/Zentralstelle des deutschen Zolls (Financial Intelligence Unit – FIU) mit Sitz in Köln zugenommen. „Lag die Zahl der Geldwäsche-Verdachtsmeldungen im Zusammenhang mit Kryptowährungen im Jahr 2018 noch bei rund 570, stieg sie demnach bis 2020 auf rund 2050. Das entspricht fast einer Vervierfachung.“
Verdacht auf Strafvereitelung im Amt
Wie Die Welt gestern berichtet, ließ die Staatsanwaltschaft Osnabrück im Zusammenhang von Ermittlungen gegen die FIU das Bundesfinanzministerium und -justizministerium in Berlin durchsuchen und Unterlagen beschlagnahmen. Hintergrund ist ein seit Februar 2020 laufendes Ermittlungsverfahren gegen namentlich nicht benannte Verantwortliche der FIU. „Es besteht der Verdacht auf Strafvereitelung im Amt. Die FIU soll Geldwäscheverdachtsmeldungen von Banken ‚in Millionenhöhe‘ nicht ordnungsgemäß an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet haben.“ Vielleicht einfach nur Arbeitsüberlastung, denn das Personal in der Zentralstelle wurde sicherlich nicht gleich vervierfacht.
Europäisches Zentralregister mit Kryptowährungen
Im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche und im Zuge der wachsenden staatlichen Regulierung von Kryptowährungen, plant die Europäische Kommission den Aufbau eines europaweiten Registers. Eine entsprechende Ausschreibung existiert bereits, wie Cryptonews am 1.9.2021 berichtet. Also eine europäische Antwort und hoffentlich auch Lösung des Problems.
Fragwürdige Energien im Umfeld des Kryptomarktes
Über eine sehr ungewöhnliche Werbung des Handelsunternehmens „Migros“ wunderten sich Schweizerinnen und Schweizer in der Ostschweiz, als ein Flyer in ihrem Briefkasten landete, wie 20 minuten berichtet. Darin die Aufforderung, „Schicke uns ein Bitcoin und du erhältst zwei zurück“. Insgesamt sollten so 100 Bitcoins zu haben sein, was einem Gegenwert von 4,7 Mio. CHF/rd. 4,3 Mio. EUR entspräche. Nicht das erste Mal, dass Betrüger das Vertrauen der Menschen in eine bekannte und vertraute Marke ausnutzen wollten. Zum Glück ist bislang keiner unserer eidgenössischen Freunde darauf hereingefallen.
Prominenz bewirbt Kryptos
Am Rande der Legalität bewegt sich ein Fall auf der Insel, über den N-TV am 7.9.2021 berichtet hat. Dass Betrüger Prominente bezahlen, um deren enorme Reichweiten auf Social Media für beliebig aus dem Boden gestampfte Finanzprodukte wie Kryptowährungen zu nutzen, ist der britischen Finanzaufsicht ein Dorn im Auge. Die Behörde äußerte sich kritisch zur Werbung von sogenannten Influenzern für Kryptowährungen. „Wir können Online-Unternehmen nicht Praktiken erlauben, die wir bei anderen Firmen nicht tolerieren würden“, so der Chef der Finanzbehörde Charles Randell.
Dabei ging es um die US-amerikanische Schauspielerin Kim Kardashian, die im Internetdienst Instagram im Juni ihre Fans – über 200 Millionen Follower – aufgerufen hatte, sich einer ‚Ethereum Max Gemeinschaft‘ anzuschließen. „Ethereum Max habe jedoch nichts mit der nach Bitcoin zweitgrößten Kryptowährung Ethereum zu tun, betonte Randell. Es handle sich vielmehr um eine erst kürzlich von Unbekannten gegründete spekulative digitale Währung. Er wisse nicht, ob es sich dabei um einen Betrug handle.“
Fußball und Kryptos
Als harmlos kann wohl – noch? – eine Entwicklung bewertet werden, die in der NZZ vom 6.9.2021 beschrieben wird und mit dem spektakulären Vereinswechsel von Lionel Messi vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain (PSG) viel Aufmerksamkeit eingefahren hat. „Unter den mittlerweile über 11 600 Kryptowährungen … finden sich neben den Token der beiden Klubs weitere Coins von Fussballvereinen – aus Italien von Juventus Turin, der AC Milan, Inter Mailand und der AS Roma, von Manchester City und Arsenal aus England, von einigen der türkischen Hauptstadtvereine sowie Atlético Madrid und Valencia aus Spanien.“
Die Geschichte der Fussballklub-Token sei noch zu jung für ein abschließendes Urteil. Wahrscheinlich werde man bald zum gleichen Schluß kommen wie bei Vereinen, deren Aktien an der Börse gehandelt werden. Also, nur für Fans geeignet! „Im Gegensatz zu Aktien ist man mit Token vielleicht näher am Herzen des Klubs, aber nicht an finanziellen (Miss-)Erfolgen des Vereins beteiligt.“ Dies schlußfolgert Werner Grundlehner in der NZZ.
Und hier geht es zu den neuesten Spitzfindigkeiten.
#PreppoKompakt
Kryptowährungen und das zugrundliegende Verfahren der Blockchain sind international weiter auf dem Vormarsch. Dabei sind Anlagen ohne ausreichenden Sachverstand selbst in bekannte Kryptos, wie Bitcoin und Ethereum, riskant und können erhebliche Verluste zur Folge haben. Wie bei allem was mit Geld zu tun hat, ist auch hier Vorsicht geboten. Hinzu kommt, dass immer mehr Betrüger über neu gestrickte Maschen ins Geschäft einsteigen, worauf die zuständigen Behörden reagieren. Auch daran kann man erkennen, die Kryptowährung wird erwachsen.