6 minutes
Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute lernen wir dafür etwas über mobiles Gemüse, verbeugen uns vor einem großen Regisseur – der übrigens ganze drei Tage jünger ist, wie meine geliebte Großmutter Hedwig Simon – und treffen auf einen komischen Kauz aus dem 17. Jahrhundert.
1. Spitz-findig-keit
Mobiler Rettich – die NZZ vom 14.8.2024 mit folgendem Aufmacher: „Eine Taxiflotte namens ‚rasender Rettich‘ sorgt in Wuhan für Aufruhr – die 300 Autos sind ganz ohne Fahrer unterwegs“. In der Millionenstadt Wuhan, Hauptstadt der Provinz Hubei – wir erinnern uns – nahm 2020 die COVID-19-Pandemie ihren Anfang.
Bisher gab es keine Berichte über schwerwiegende Unfälle des 2022 gestarteten Experiments, das bis Jahresende auf 1000 Autos ausgeweitet werden soll. „In den USA hat vergangenes Jahr die Firma General Motors ihre selbstfahrenden Taxis in San Francisco aus dem Verkehr ziehen müssen nach einem Unfall mit einem Fussgänger. Die Regierung in China hingegen fördert autonomes Fahren, indem sie Tests von Robotaxis auf grossflächigen Gebieten in den Städten zulässt. Eine Diskussion über die Risiken von autonomem Fahren ist unerwünscht. Berichte von tödlichen Unfällen mit privaten selbstfahrenden Fahrzeugen wurden in der Vergangenheit im Netz zensiert.“
2. Spitz-findig-keit
Aufmüpfige Vögel – ein Beitrag von Mario Thurnes auf Tichys Einblick vom 13.8.2024 aus Anlass des 125. Geburtstages von Alfred Hitchcock (1899-1980). Eigenartigerweise wird darin der eindrückliche Film „Die Vögel“ (Birds) aus dem Jahre 1963 nicht erwähnt, obwohl im Beitragsbild eine Möve und ein Rabe „Hitch“ so gut wie im Nacken sitzen. Im letzten Leser-Kommentar zu „Der Mann, der das Kino veränderte“ dafür der Hinweis auf ein ellen(50 Stunden)langes Interview, das François Truffaut mit Hitchcock im August 1962 geführt hat (auf Wikipedia beschrieben, hier im Originalton wiedergegeben).
Meine Seh-Empfehlung: „Erpressung“ (Blackmail), der Stummfilmklassiker aus dem Jahr 1929 auf ARTE mit Anny Ondra in der weiblichen Hauptrolle und der Musik von Moritz Eggert (77 Minuten lang, verfügbar noch bis zum 31.10.2024). Sein für alle Hitchcock-Filme legendärer Cameo-Auftritt findet sich auch hier (von 10:28 – 10:45 als Fahrgast im Bus). Dabei tritt der Regisseur als Komparse auf. „Das wurde zu einem Markenzeichen seiner Arbeit – und Hitchcock selbst bald lästig. Er war der Meister der Suspense. Er wollte die Spannung auf den Film lenken. Deshalb war es für ihn ein Problem, dass viele Zuschauer nur darauf warteten, wann er im Bild zu sehen sein würde. Also taucht er in seinen späteren Filmen oft bereits in der ersten Viertelstunde auf – um diese Pflicht abgehandelt zu haben.“
Alfred Hitchcock bleibt mit seinem 53 Spielfilmen unvergessen. „Der unsichtbare Dritte ist immer noch glänzende Unterhaltung für einen schönen Filmeabend. Ebenso wie das Fenster zum Hof oder Bei Anruf Mord. Psycho darf in keiner Sammlung der wichtigsten Filme aller Zeiten fehlen. Das Werk Hitchcocks ist vielfältig. Noch heute dauert es ewig, ihn zu beschreiben und muss selbst ein Internet-Autor viele Aspekte weglassen, um nicht zu langatmig zu werden.“ So Mario Thurnes, der damit indirekt auch das Fehlen der Vögel begründet.
3. Spitz-findig-keit
Komischer Kauz – wir bleiben vor Ort in London, gehen allerdings noch weiter in die Vergangenheit zurück und zudem in die Kirche. Vor 357 Jahren am „Tag des Herrn“ eine Begebenheit in St. Dunstan, von Samuel Pepys (1633-1703), einem Marinebeamten, am 18.8.1667 in seinem Tagebuch festgehalten (Quelle: „Buch der Tagebücher“, S. 390, zur Person S. 649).
„Neben mir stand ein hübsches, sittsames Mädchen, dem ich mich zu nähern versuchte, doch rückte sie immer weiter von mir ab und zog schließlich sogar Nadeln aus der Tasche, um mich damit zu stechen, falls ich weiter die Hand nach ihr ausstreckte. Zum Glück bemerkte ich ihr Vorhaben und ließ von ihr ab. Dann entdeckte ich ein anderes hübsches Mädchen in der Bank vor mir, das sich kurz nach mir umdrehte. Ich drängte mich zu ihr und durfte eine Weile ihre Hand halten, ehe sie sie wieder zurückzog. Dann war die Messe vorüber und damit auch meine amourösen Spielereien.“
Und hier geht es spitzfindig weiter.
#PreppoKompakt
Dem ist nichts hinzuzufügen – außer vielleicht: „Andere Zeiten, andere Sitten“.