Spitz-findig-keit #215

5 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute lassen wir uns dafür von der Literatur einfangen. Und begegnen dabei einem Mann, den man aufgrund einer traurigen Koinzidenz, weil er sich auch nicht mehr wehren kann, wohl schon als den „Literaturpabst“ schlechthin beschreiben könnte.

1. Spitz-findig-keit

Die NZZ vom 22.4.2025 über Peter von Matt, der am Ostermontag, am selben Tag wie Pabst Franziskus, das Zeitliche gesegnet hat.

„Peter von Matt war nicht nur ein bedeutender Lehrer und ein grosser Autor, er war auch ein Citoyen, eine öffentliche Figur, ein Bürger, der das Wort ergriff, wenn es nottat. Er war kein genuin politischer Kopf, er folgte keiner Parteilinie – auch in politischen Dingen war er ein Freibeuter. Das sittliche Gesetz erschloss sich ihm nicht aus einer höheren Moral, sondern aus dem Bewusstsein desjenigen, der die menschliche Schwäche zum Massstab des dem Menschen Möglichen machte. Peter von Matt war kein Idealist, er war ein Moralist, der um die Nöte und die Verzweiflung der menschlichen Seele wusste, weil er sie aus der Dichtung und aus dem Leben gleichermassen kannte.“ Nun ist Peter von Matt in Zürich im Alter von 87 Jahren seiner langwierigen Krankheit erlegen.

Laut Roman Bucheli las er am liebsten Virgina Woolf und William Shakespeare. Ein Zitat von letzterem aus dem Schauspiel König Lear, 4. Akt, 1. Szene, uraufgeführt zu Beginn des 17. Jahrhunderts: „Das ist die Seuche unserer Zeit: Verrückte führen Blinde“, hier bereits einmal festgehalten. Mein klares Fazit: alles schon mal dagewesen!

2. Spitz-findig-keit

Apropos führen: Herr Pluesch, der neue kerngesunde Charakterdarsteller aus unserer Preppo-Feder, beim Gassi gehen mit zwei weit geöffneten Augenpaaren.

3. Spitz-findig-keit

Nach zweitägiger Suche im eigenen Bücherfundus fündig geworden: Öffentliche Verehrung der Luftgeister, Reden zur Literatur, von Peter von Matt, erschienen im Carl Hanser Verlag, München 2003.

Dabei habe ich von den 26 Reden, nachweislich durch Unterstreichungen, nur, oder besser immerhin, damals acht durchgearbeitet. In „Die Beweise und die Erschütterungen“ (S. 27-43) beschreibt von Matt „König Ödipus“ von Sophokles und „König Lear“ von Shakespeare als die „… größten Tragödien, die es überhaupt gibt und je geben wird“. In ihnen verwandele die Wahrheit, lange geleugnet und abgewehrt, „… denjenigen, der sie endlich zur Kenntnis nimmt … in einer furchtbaren Weise. Beide müssen dabei durch den Wahnsinn hindurch“, um am Ende, wenn alle Illusionen zerrissen sind, die Welt zu sehen, wie sie ist (S.35).

In „Luftgeist oder Hund seiner Zeit?“ (S. 59-65) läßt von Matt unter anderen Elias Canetti zu Wort kommen. Der beschreibt den wahren Dichter als den seiner Zeit verfallenen Hund, der unermüdlich hin und her läuft, manchmal empfänglich für Pfiffe von oben, leichter aufzuhetzen als zurückzurufen, der seine feuchte Schnauze in alles steckt (S. 62). Um die geringe Chance zu wahren, dass von der Kunst Besessene nicht für möglich gehaltene Zeilen schöpfen, müssen wir – so Peter von Matt – „… die Besessenen Besessene sein lassen.“ Zudem müsse unbedingt darüber geredet werden. Denn ohne eine ständige öffentliche Rede über die Poesie bestünde die Gefahr, dass sie eines Tages ganz verkümmert (S. 64-65).

Und hier geht es weiter.

#PreppoKompakt

Die Welt sehen wie sie ist, über alle Dinge offen reden und diskutieren. Dies ist nicht nur für Literatur und Poesie lebenswichtig. Gleiches gilt auch für Politik und Gesellschaft. Also liebe Leute, Augen und Mund weit aufmachen, gepaart mit gesundem Menschenverstand.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert