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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute beschäftigen wir uns dafür lieber mit begnadeten Literaten und ihren Schauplätzen sowie einem famosen Märchenerzähler, der selbst an Märchen glaubt.
1. Spitz-findig-keit
Leo Tolstoi (1828 – 1910) schüttet sein Herz aus, heute vor 172 Jahren – aus dem „Buch der Tagebücher„* (S. 306 und S. 659 zur Person).
„Ob gut oder schlecht, man muß immer schreiben. Schreibt man, gewöhnt man sich an Arbeit und bildet seinen Stil, wenn auch ohne unmittelbaren Nutzen. Schreibt man aber nicht, läßt man sich verlocken und macht Dummheiten. Mit nüchternem Magen schreibt es sich besser. Nach dem Abendessen war ich bei allen Mädchen und überall erfolglos. Morgen von früh bis spät schreiben und alles daransetzen, mit einem Mädchen zu schlafen.“
Dies hat sich in Starogladkowskaja im Kaukasus zugetragen. Leo Tolstoi war, als er es niederschrieb, 24 Jahre alt und diente in der zaristischen Armee als Fähnrich einer Artilleriebrigade im Kaukasuskrieg. Die Erfahrungen hat er laut Wikipedia in seinen frühen Kaukasus-Erzählungen (Der Holzschlag, Der Überfall, Die Kosaken) verarbeitet. Der Suhrkamp-Verlag hat 2018 in einer Neuübersetzung diese sowie weitere späte Arbeiten Tolstois über den Kaukasus in dem Buch „Krieg im Kaukasus“ zusammengetragen.
2. Spitz-findig-keit
Die NZZ vom 25.6.2025 (hinter Schranke) über das Scheitern von Robert Habeck, dem berühmten Märchenbuchautor, mit Northvolt: „Vom Hoffnungsträger zur politischen Hypothek. Die Insolvenz des schwedischen Batterieherstellers Northvolt hat in Deutschland ein heftiges politisches Nachbeben ausgelöst. Im Fokus steht das Wirtschaftsministerium, das unter dem damaligen grünen Minister Robert Habeck 2023 finanzielle Unterstützung für den Bau eines neuen Northvolt-Werks in Heide im norddeutschen Bundesland Schleswig-Holstein genehmigt hatte. Es sollte Batteriezellen für E-Autos herstellen und Europas Abhängigkeit von China reduzieren.“
Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) übernahmen der Bund und das Land Schleswig-Holstein je hälftig eine Bürgschaft gegen Ausfallrisiken und Kosten. Bund und Land mussten in diesem Frühjahr einschliesslich Kreditnebenkosten zusammen 620 Millionen Euro an die KfW überweisen. „Ob und wie viel sie davon je zurückerhalten werden, ist ungewiss.“
3. Spitz-findig-keit
Faz-net vom 27.6.2025 zur Hochzeit von Jeff Bezos, dem 61-jährigen Chef von Amazon, mit Lauren Sánchez, die von Donnerstag bis Samstag mit einem enormen Aufwand an Geld, Glamour und Sicherheitsmaßnamen in Venedig gefeiert wurde und weltweit Beachtung fand. Dabei kam es auch zu einer kräftigen Kontroverse zwischen den Befürwortern – „Ehre für die Stadt, Ausdruck der Liebe zum Land“, und den Kritikern der Veranstaltung – „privater Ballsaal für die Superreichen, für Venedig der endgültige Tod“.
Der langjährige Bürgermeister von Venedig (1993-2000/2005-2010) und Philosoph, der 81 Jahre alte Massimo Cacciari, wertete dies als einen Wettbewerb darüber, wer den meisten Unsinn redet. „Wenn man Bezos, Trump und Venedig, dazu Krieg, Ungerechtigkeit und die Zerstörung des Planeten, schließlich Kapitalismus, Overtourism und Luxus zusammenrührt, kommt am Ende eine Flüssigkeit heraus, in der man nichts mehr unterscheiden kann.“ Diese Hochzeit sei ihm herzlich egal, „… weil sie das Schicksal Venedigs weder zum Guten noch zum Schlechten beeinflusse.“ Dem kann Mann/Frau – auch ohne philosophisch zu werden – sich locker anschließen.
Widmung
Einem anderen Bürgermeister gewidmet, der heute ganz entspannt im Kreise der Familie seinen 57. Geburtstag feiern kann. Udo Hollauer, ein aufrechter, bodenständiger Mann, der Spuren hinterlässt. Nicht nur im Raum Meßkirch, von wo er kam. Auch hier in Albstadt, wo er 13 Jahre lang zum Segen der Bürgerinnen und Bürger als Baubürgermeister wirkte. Und in Kürze mit seiner Arbeit in Sigmaringen. Die Verabschiedung von Herrn Hollauer (ganz rechts im Bild) nahm Oberbürgermeister Roland Tralmer vor.


#PreppoKompakt
„Venezianisches Idyll„*, ein Roman von Christina Hesselholdt, erschienen im Carl Hanser Verlag im Januar 2025. Dort ist die Protagonistin im Thomas-Mann-Jahr – wie in #220 erwähnt – auf dessen Spuren in Venedig unterwegs. Keine Spuren hinterlassen hat dort „Das böse Mädchen„* (Suhrkamp, München 2007) aus Mario Vargas Llosas gleichnamigem Roman, das sich dafür in Paris, London, Madrid und Tokio intensiv um reiche Männer bemüht hat. Ohne Lauren Sánchez näher treten zu wollen – kenne sie nicht persönlich -, aber mit ihren 55 Jahren hat sie auch ein klein wenig von Llosas bösem Mädchen. Beispielsweise südamerikanische Wurzeln, einen unbedingten Aufstiegswillen und reiche Männer als Mittel zum Zweck im Visier.
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Eine Antwort
Lieber Herr Dr. Gneveckow,
vielen lieben Dank. Es war mir eine sehr große Freude Sie
kennen zu lernen. Aufregende, unerfreuliche, spannende
aber auch unzählige wertvolle Momente haben wir
miteinander erleben dürfen.
Ihnen und Ihrer Familie alles Gute für die Zukunft.
Herzliche Grüße
Udo Hollauer