Spitz-findig-keit #234

7 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute lernen wir dafür lieber was ein Labubu ist, wie Mann/Frau heilig wird und wer es 2025 aufs Siegertreppchen der Sprachpanscher geschafft hat.

1. Spitz-findig-keit

Die NZZ vom 1.9.2025 über den Labubu, den neuesten Schrei: „Wegen eines Kuscheltiers benehmen sich Erwachsene zurzeit wie Kindergartenkinder. Das hat aber weniger mit dem Spielzeug zu tun als mit einer fortschreitenden Infantilisierung unserer Gesellschaft.“ Und weiter: „Es geht um ein kleines Plüschmonster namens Labubu, eine Mischung aus Monchhichi und Maurice Sendaks ‚Die wilden Kerle‘, das zurzeit von den Taschen vieler Stars wie David Beckham, Rihanna oder Cher baumelt und Frauen wie Männer rund um die Welt verrückt spielen lässt. Verkauft wird der Labubu in verschiedenen Pastellfarben und Stilrichtungen, aber stets in streng limitierter Stückzahl und zudem in sogenannten Blindboxen (was konsumpsychologisch ansprechender tönt als Katze im Sack, aber das GReliqientourneeleiche bedeutet). Man merkt nämlich erst beim Auspacken, was man da eigentlich gekauft hat – daher auch das regelmässige hysterische Geschrei.“

Auch wer und was dahintersteckt, wird schön bebildert beschrieben. Die chinesische Firma Pop Mart stellt die Plüschfiguren exklusiv her und kommuniziert kurzfristig in den sozialen Netzwerken, wann die neuen Modelle in die Läden kommen. Das Gefühl, dieses limitiert angebotene, dadurch in seiner Begrenztheit besonders wertvolle Objekt unbedingt haben zu wollen, verleiht der ganzen Chose Flügel, kriminelle Energien eingeschlossen.

Auch dem DerStandard vom 3.9.2025 ist, nach dem auch schon gefälschte Exemplare am Markt sind und Finanzbehörden ermitteln, der Labubu einen gewohnt sehr gut und bissig kommentierten (annähernd 500 an der Zahl) Artikel wert.

2. Spitz-findig-keit

Faz-net vom 4.9.2025 (hinter Schranke) mit einer pfeilschnellen Heiligsprechung. Die NZZ vom 5.9.2025 (hinter Schranke) ebenfalls mit einem läuternden Artikel, der es auf eine, meiner Einschätzung nach, noch nie dagewesene Lesedauer von 24 Minuten bringt.

Dabei handelt es sich um Carlo Acutis, den Spross einer wohlhabenden Mailänder Familie, der am 12. Oktober 2006 im Alter von nur 15 Jahren einer aggressiven Leukämieerkrankung erlegen ist. Nach mehreren Exhumierungen und Umbettungen ruht sein Körper im rechten Seitenschiff von Santa Maria Maggiore zu Assisi, während sein Herz sich in einem goldenen Reliquiengefäß, kaum zehn Minuten Fußweg von dort entfernt, in der Kathedrale San Rufino von Assisi befindet. Nicht unpraktisch, denn so konnte das Herz in Europa und den USA kräftig auf Reliqientournee gehen.

Gestern hat Papst Leo XIV. Carlo Acutis offiziell in den Kreis der Heiligen der katholischen Kirche aufgenommen. „Als ersten Heiligen des Zeitalters von Internet, sozialen Medien und Influencertum. Als nahbaren und nahen Heiligen für junge Leute, der heute gerade einmal 34 Jahre alt wäre.“ So die FAZ.

Nach Carlos Tod hat seine Mutter, Antonia Salzano, Zwillinge – Sohn und Tochter – bekommen. Sie sind mittlerweile 15 Jahre alt, so alt wie ihr Bruder wurde. „Carlo habe ihr die Kinder geschickt, er sei ihr im Traum erschienen, um ihr die Schwangerschaft anzukündigen, sagt sie.“ In den letzten Jahren hat sie die Botschaft ihres Sohnes unter die Leute gebracht, auch mehrere Bücher über ihn geschrieben. Gläubige aus aller Welt, die die Hilfe ihres Sohnes brauchen, pilgern zu ihr. „Jeden Tag bekomme ich Nachrichten über neue Wunder, die Carlo vollbracht hat. Er ist da oben, und ich bin sein Arm hier auf Erden.“ So in der NZZ zu lesen.

Heiligsprechung

Ausgehend von unten, von Gemeinden, Diözesen, Ordensgemeinschaften, Pilgerstätten, die einen besonders treuen „Diener Gottes“ zum Ehrwürdigen, sodann Seligen und schließlich zum Heiligen erhoben sehen wollen. Von der zuständigen Erzdiözese dann zum Vatikan nach Rom, ehe der Papst die Selig- und später dann die Heiligsprechung vornimmt. „Auf allen Stufen müssen Zeitzeugen und Fachleute, Theologen, Kirchenrechtler und -historiker gehört werden, auch Mediziner, wenn es etwa um die Bestätigung von Wunderheilungen geht, die wissenschaftlich nicht zu erklären sind.“ Weiß die FAZ.

Alles ging – wie ein Wunder – rekordverdächtig schnell. „Zu verdanken ist das dem professionellen Lobbying der Mutter. Aber auch Papst Franziskus. Ohne ihn wäre es nie so schnell gegangen.“ So die NZZ.

3. Spitz-findig-keit

Die Würfel sind gefallen, der Sprachpanscher des Jahres 2025 gewählt. Die fünf dafür in Frage kommenden Panscher hatten wir schon in der #219 vorgestellt. Im Infobrief des Vereins Deutsche Sprache (VDS) vom 5.9.2025 steht geschrieben:

„‚Die Terra Gravel Range ist ausgestattet mit unseren neuesten Innovationen, darunter BlackChili und Pure Grip Compound, unsere fortschrittliche Tubeless- und Hookless-Technologie, und führt Grip Compound für Trail Casings ein.‘ Sätze wie dieser bescherten dem Reifenhersteller Continental den 1. Platz bei der Wahl zum Sprachpanscher 2025. … Ähnlich übel aufgefallen ist den VDS-Mitgliedern, die den Sprachpanscher gewählt haben, auch der Bund Deutscher Radfahrer, der jetzt pseudo-modern ‚German Cycling‘ heißt und auf Platz 2 gelandet ist. Landrat Marco Prietz (Rotenburg/Wümme) kam auf den 3. Platz. Er machte Schlagzeilen mit einer Dienstanweisung, in der amtlichen Kommunikation ’nur noch weibliche statt männliche‘ Amtsbezeichnungen zu verwenden, und zwar ‚aus Gründen der besseren Lesbarkeit'“.

Hier auf der Seite des VDS sind alle fünf Platzhalter nochmal beschrieben. Wir gratulieren ganz herzlich … lachend!

#PreppoKompakt

Und dann gibt es heute ja noch eine totale Mondfinsternis, die nächste erst wieder an Silvester 2028, zu sehen. Das heißt, wenn uns nicht gerade Regen und eine dichte Wolkendecke einen Strich durch die Rechnung machen. Theoretisch von 19.57 Uhr an – so faz-net vom 3.9.2025 (hinter Schranke) – lasse sich der Mond in Frankfurt am Main beobachten. „Bessere Chancen für alle Hobbyastronomen und Fotografen böten sich deshalb erst etwa von Viertel nach acht an. Die Totalität sei um 20.53 Uhr wieder zu Ende. Die Schau gehe aber noch gut eine Stunde weiter …“. Nach und nach tritt der Mond dann wieder aus dem Kernschatten der Erde hervor, um 21.56 Uhr ist auch die partielle Mondfinsternis rum. Das WM-Qualifikationsspiel in Köln gegen Nordirland übrigens beginnt um 20.45 Uhr, hoffentlich geht unseren Fußballern dabei ebenfalls ein Licht auf!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert