Spitz-findig-keit #236

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute schauen wir dafür lieber auf das, was die Präzession unseres Planeten alles bewirkt, welche Persönlichkeiten die deutsch-französische Freundschaft begründet haben. Und woran unser gebührenfinanzierter öffentlich-rechtlicher Rundfunk ganz offensichtlich krankt. Mit dem ÖRR haben wir uns immer wieder mal beschäftigt, zuletzt in der #190.

1. Spitz-findig-keit

Was für ein Schreck! Die NZZ vom 13.9.2024 (hinter Schranke) über die Verschiebung der Sternzeichen – „Bin ich noch Jungfrau?“ Aber auch Löwe, Zwilling usw. und usf. sind betroffen, ganz neu hinzugekommen ist als 13. Sternbild der Schlangenträger.

Durch neue astronomische Berechnungen sind die uns bei Geburt zugeteilten Sternzeichen nach vorne gerutscht. So wird mancher Skorpion zur Waage, ein Wassermann zum Steinbock. Ja es wird angenommen, dass fast 90 Prozent von uns davon betroffen sind.

Warum das Ganze

„Dass von hier aus gesehen heute andere Sternbilder hinter der Sonne stehen als vor 4000 Jahren, liegt an der Präzession unseres Planeten. In der Astronomie ist damit die Richtungsänderung der Erdachse gemeint. Diese vollzieht eine leichte, periodische Schwingung und dadurch schwankt die Erde minim. Während eines Menschenlebens ist dies kaum spürbar, doch im Laufe der Geschichte hat es beachtliche Auswirkungen. Die Präzession ist der Grund, warum die Anordnung der Sterne, beziehungsweise unsere Sicht darauf, immer nur vorübergehend ist.“

Wie damit umgehen?

„Müssen wir jetzt all unsere Narrative rückwirkend anpassen und mit aufgebissenen Unterlippen prüfen, welch astrologische Neudefinition die astrologische Neuanordnung für uns mit sich bringt?“ Fragt sich die Autorin des Artikels Olivia El Sayed und gibt zur Antwort: „Ich will das nicht. Das bringt doch alles durcheinander. Und was sagen die Astrologen dazu? Bis jetzt ging lediglich ein kurzes Raunen durchs Internet, aber das Umschreiben der Bücher, das Anpassen der Horoskope, die lauten Aha-Erlebnisse – all dies blieb aus.“

Unterbreiten wir einen praktischen Lösungsvorschlag. Wer nun halt am 21. Januar 2025 geboren wurde, der fühle sich als Steinbock, wer dafür gerade heute als Sonntagskind geboren wird, der ist zweifelsfrei sein Leben lang Jungfrau und wer am 30. November das Licht der Welt erblickt, der darf sich lebenslang als Schlangenträger einordnen. Für alle vor dem 21. Januar dieses Jahres Geborenen bleibt alles beim Alten.

2. Spitz-findig-keit

Auf ARTE zum Ausgangspunkt der deutsch-französischen Freundschaft: „An einem Tag im September“ – das Treffen von Konrad Adenauer mit Charles de Gaulle am 14.9.1958, letzten Sonntag vor 67 Jahren. Der Film ist 89 Minuten lang, aber nur bis zum 11.10.2025 abrufbar.

Er ist sehenswert, weil er die beiden großen Staatsmänner in ihrer ganzen Nachdenklich- und Behutsamkeit zeigt. Wie ihnen in wenigen Stunden die Annäherung nach einer langen geschichtlichen Phase der sprichwörtlichen Erbfeindschaft gelang. Dafür waren der Ort – Colombey les Deux Églises -, der Zuschnitt mit Vieraugengesprächen und auch der im Landsitz gegebene familiäre Rahmen ausgezeichnet gewählt. Fast lustig, wie brenzliche Situationen, die diesen Erfolg hätten gefährden können, dabei entschärft wurden. Anrührend die beiderseitige Beichte ihrer persönlichen Probleme und die gehobenen Anreden zwischen den Protagonisten auf französisch.

Wir stehen auf den Schultern – so hätte es wohl Helmut Kohl, der fünfte Nachfolger Konrad Adenauers im Bundeskanzleramt, formuliert – von zwei großen Menschen, mit 1,95 und 1,87 Metern Gardemaß.

3. Spitz-findig-keit

Faz-net vom 19.9.2025 mit einem Kommentar von Reinhard Müller zum Rauswurf von Julia Ruhs, die das beim Publikum sehr gut angekommene Magazin „Klar“ moderiert hat. Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit seien nur schwer messbar. Auffällig sei dabei, „… dass die schärfste und teils auch sehr persönliche Kritik aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbst kam. Die vermeintlich basisdemokratische Absetzung der Moderatorin ist eine Selbstentblößung des Senders: Meinungsvielfalt ist dort nicht gefragt, womöglich auch gar nicht bekannt.“

Schon zwei Tage zuvor war auf faz-net zum Fall Julia Ruhs zu lesen, dass der NDR damit alle Vorurteile bestätige, die es über die „links-grün-woke“ Blase im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt. Statt Meinungsvielfalt, nur eine, nämlich die linke Meinung. „Es geht um ‚Gut‘ gegen ‚Böse‘. An- und Einsichten aus der Mitte der Gesellschaft werden, wenn sie nicht ins eigene Weltbild passen, als ‚rechts‘ oder ‚rechtsex­trem‘ gerahmt, die man bestenfalls gar nicht erst ins Programm lässt. Wer als Journalist aus der Meinungsreihe tanzt, wird weggemobbt und in Sendungen wie ‚Reschke Fernsehen‘ oder Böhmermanns ZDF-Zirkus geächtet.“

Widmung

Herrn Josef Klaiber gewidmet, der heute seinen 66. Geburtstag feiern kann. Seit 2024 im wohlverdienten Ruhestand, in seiner aktiven Zeit ein vorbildlicher Kommunalbeamter, der mit Besonnenheit und Augenmaß souverän das Hauptamt im Albstädter Rathaus leitete. In seinem Fall bewirkte die neue astronomische Zuordnung übrigens keinen Wechsel, auch ohne unsere praktische Herangehensweise ist er Jungfrau geblieben.

#PreppoKompakt

Herzerfrischend und niveauvoll, wie die lebenslustige 31jährige Journalistin im NZZ-Podcast „Machtspiel“ vom 18.9.2025 mit Marc-Felix Serrao über ihre gegensätzlichen Erfahrungen mit zwei ARD-Sendern – NDR und BR – rund 40 Minuten lang plaudert. Traurig und ernüchternd zugleich, wie der NDR versucht seine Probleme zu lösen. Dem ist nicht mehr zu helfen! Es fehlt ganz einfach auch an Rückgrat.

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