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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute führt unser Weg dafür über Karl Popper und Julien Green schnurstracks in die harte wirtschaftliche Realität ganz in der Nähe.
1. Spitz-findig-keit
„Es gibt zum Optimismus keine vernünftige Alternative. Karl Popper.“ Entnommen einer Traueranzeige, die am 18.11.2025 im Schwarzwälder Boten für einen 85-Jährigen veröffentlicht wurde.
Zum Philosophen Popper siehe ausführlich Wikipedia. Laut ChatGPT gibt es für das zugeschriebene Zitat keine Primärquelle, d.h. keine direkte Textstelle in einem seiner Bücher oder Aufsätze.
2. Spitz-findig-keit
Aus dem „Buch der Tagebücher“ Julien Green, Paris 1967, heute genau vor 58 Jahren (S. 605; zur Person S. 629):
„Mit Genuß Montaigne gelesen. ‚Ich kreise in mir selbst‘, schreibt er zu unserem nie versiegenden Vergnügen. Ich schlage auf gut Glück die Essais auf, ohne je betrogen zu werden, nie geht man leer dabei aus. Gestern habe ich dieses Buch wirklich in vollen Zügen gekostet …“.
Wer es Julien Green – wir kennen ihn schon aus #206 und #240 – nachmachen möchte, kann einfach im „Projekt Gutenberg“ schmökern: so geht es zu Michel de Montaigne und zu seinen Essais.
3. Spitz-findig-keit
Faz-net vom 26.12.2025 wartet mit einer Meldung/einem Aufmacher zu meiner Heimatstadt auf, was an sich schon ungewöhnlich ist. „Wenn der letzte Faden reißt. Ein schwäbischer Strickmaschinenhersteller gibt auf: Der Trend zu ‚Fast Fashion‘ und der aggressive Preiskampf chinesischer Unternehmen haben Mayer & Cie. in die Insolvenz getrieben.“
Weiter im Text
„Und nur acht Autominuten von der Mayer-&-Cie.-Zentrale entfernt kämpft ein weiterer Zulieferer für die Textilindustrie mit der schwierigen Lage der Branche. In diesen Tagen läuft ein Freiwilligenprogramm aus, mit dem Groz-Beckert, ein Hersteller von industriellen Maschinennadeln und Feinwerkzeugen mit Sitz in Ebingen, 250 Stellen abgebaut hat.
Die Textilindustrie gehörte vom Ende des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zu den wichtigsten Branchen im Südwesten. Vor allem im Neckarbecken rund um Stuttgart und auf der Schwäbischen Alb florierte die auf der Herstellung von Stoffen basierende Wirtschaft. Ausgelöst durch veränderte Konsumgewohnheiten und die zunehmende Globalisierung mussten sich die Unternehmen von Mitte der Sechzigerjahre an spezialisieren – auf den Textilmaschinenbau oder die Herstellung von Spezialtextilien. Die Autoindustrie benötigt Airbag-Gewebe und Sitzbezüge, die Medizintechnik Verbandsstoffe oder OP-Kleidungen und der Bau Geotextilien, Membranen und Isolationsmaterialien.
Die klassische Textilproduktion als Massenbekleidung verlagerte sich nach Asien, und nur wenige Markenhersteller wie Trigema oder die Unterwäsche-Spezialisten Mey und Schiesser, die alle eher hochpreisige Produkte anbieten, stellen ihre Kleidung noch in Werken in Deutschland oder Europa her.“
Starke Präsenz
Gleich drei der genannten Firmen sind im vor 50 Jahren im Zuge einer Gebietsreform geschaffenen Albstadt zuhause. Mayer & Cie. im Stadtteil Tailfingen, Groz-Beckert in Ebingen und Mey in Lautlingen. Zum Zollernalbkreis gehört auch das 18 Autominuten von Albstadt entfernte Burladingen, wo Trigema seinen Standort hat. Dort hatte Mitte des Jahres der Suizidversuch des bundesweit bekannten Trigema-Chefs, Wolfgang Grupp, laut eigener Aussage unternommen wegen Altersdepressionen, für Schlagzeilen gesorgt.
Man könnte meinen, alles hänge am seidenen Faden. Aber Groz-Beckert, mit weltweit rund 9.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ist über Vertretungen, Produktions- und Vertriebstochtergesellschaften in mehr als 150 Ländern aktiv. Auch ging der beschriebene Personalabbau in Albstadt hauptsächlich mit einem „goldenen Handschlag“ einher. Mit der Firma Mayer & Cie. mit nur dem einem Standort gehen 270 Arbeitsplätze verloren. Die Firma Mey wiederum betreibt Werke in Deutschland, Portugal und Ungarn und setzt „gnadenlos“ auf Marke. Und Trigema, Deutschlands größter Hersteller von Sport- und Freizeitbekleidung, pflegt traditionell eine starke Verbundenheit zu seinen am Ort ansässigen Beschäftigten, was eine gewisse Resilienz verleiht.
Widmung
Meinem Schulkameraden „Ehlein“ gewidmet, der heute im Kreise der Familie als besonnener Kopf, pensionierter Lehrer und passionierter Sportler gesund und munter seinen 74. Geburtstag feiern kann.
#PreppoKompakt
Wie gesagt: „Es gibt zum Optimismus keine vernünftige Alternative.“ Dies sieht auch der FAZ-Herausgeber Carsten Knop im gestrigen News-Letter so. Traditionell seien wir Deutschen eher vom pessimistischen Philosophen Arthur Schopenhauer geprägt. „Bleiben wir zuversichtlich, veränderungsbereit, neugierig, dann wird das neue Jahr besser als man denkt. Ihnen für 2026 alles erdenklich Gute, Gesundheit und Glück.“ Dem schließe ich mich voll und ganz an.


