Quantencomputer – Chancen & Risiken

Computertechnik ist allgegenwärtig und begleitet uns durch den Alltag. Ob Smartphone, Tabletcomputer, Fahrzeugelektronik oder smarte Haushaltsgeräte, alles funktioniert mittels Prozessoren (CPU). Diese führen komplexe Rechenoperationen durch und erlauben uns weltweit zu kommunizieren, verbessern unsere Sicherheit und steigern die Produktivität. Dabei basiert der klassische Computer auf der Verarbeitung von Nullen und Einsen. Wechselnden Zuständen, Aus oder An, die in ihrer individuellen Anordnung Texte, Bilder und Töne ergeben. Der Quantencomputer unterscheidet sich maßgeblich davon. Sind es beim klassischen Computer die Bits, nutzt man hier quantenphysikalische ‚Phänomene‘. Man spricht vom Quantenbit, kurz Qubit. Ein Qubit ist viel mächtiger als ein Bit. Denn es kann den Zustand 0 und 1 und sämtliche Zustände dazwischen annehmen. Aber wie so oft im Leben, wo Licht ist, ist auch Schatten, wo Chancen sind, gibt es auch Risiken.

Quantencomputer - Chancen & Risiken

Was den Quantencomputer ausmacht

Die Überlegenheit gegenüber der klassischen Computertechnik veranschaulicht ein in vielen Variationen anzutreffendes Beispiel. Der Computer wie wir ihn kennen, geht an ein Labyrinth/mathematisches Problem schrittweise heran, um das richtige Ergebnis, den Ausgang zu finden. Hingegen beschreitet der Quantencomputer alle Wege/Rechenoperationen parallel und errechnet mit erheblichem Zeitvorsprung den Ausgang – und damit die Lösung des Problems. Dies hilft auch dabei, die optimale Route auf einer Straßenkarte zu bestimmen. Wie das sehr instruktive, vierminütige Video der Fraunhofer Gesellschaft zu den Grundlagen des Quantencomputers zeigt.

Erster kommerzieller Quantencomputer Europas arbeitet in Deutschland

Früchte getragen hat das Streben von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Quantencomputer. Am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos 2019 hat sie bei einem Gespräch mit IBM-Chefin Ginni Rometty dafür die Weichen gestellt. Der erste kommerzielle Rechner Europas, genannt „Quantum System One“, wurde nun – wie der SWR am 15.6.2021 berichtet – feierlich in Ehningen in Baden-Württemberg bei IBM vorgestellt und steht bis Ende 2023 exklusiv der Fraunhofer Gesellschaft für Forschungszwecke zur Verfügung.

Chancen & Risiken des Quantencomputers

Die Rechenleistung von Quantencomputern ermöglicht es, komplexe mathematische Probleme mit großem Zeitvorsprung gegenüber gängiger Computertechnik zu lösen. Oder auch Berechnungen überhaupt erst innerhalb der Lebensspanne der Forscherin/des Forschers durchzuführen. Dies eröffnet gänzlich neue Möglichkeiten in der Medizin oder Physik. Äußerst komplexe Fragestellungen, wie sie in der Logistik oder anderen Wirtschaftszweigen auftreten, können so anhand von mathematischen Modellen simuliert und gelöst werden. 

Daneben gibt es aber auch eine Vielzahl möglicher Risiken durch die neuen Superrechner. So ist nicht auszuschliessen, dass sämtliche Verschlüsselungsarten – die den Datenverkehr im Internet und die gesamte Kommunikation über Smartphone, E-Mail und Messenger-Dienste wie „WhatsApp“ vor dem Zugriff Dritter schützen – entschlüsselt werden. Auch die Abwicklung der weltweiten Finanztransaktionen und das Onlinebanking wären dann gefährdet. Auch Kryptowährungen, wie der Bitcoin, müssen sich wappnen, damit die Blockchain nicht entschlüsselt werden kann (wir hatten hier deren Funktionsweise erläutert). 

Die Frage ist, wann der erste Quantencomputer heute noch als sicher geltende Verschlüsselungsmethoden brechen und somit Datenströme womöglich in Echtzeit im Klartext lesbar machen wird? Dies kann gegenwärtig noch niemand seriös beantworten.

Heute an morgen denken – im doppelten Sinn

Wenn Daten heute mitgeschnitten und gespeichert werden, wovon bei Geheimdiensten auszugehen ist, könnten diese später im großen Stil entschlüsselt werden. Ein alles entschlüsselnder Quantencomputer in den Händen autoritärer Staaten würde die letzten Schlupflöcher für Regimegegner verschließen. Sie könnten nicht mehr das ungefilterte Internet nutzen und nach Außen kommunizieren und wären einer vollständigen Überwachung ausgesetzt.

Durch den enormen Leistungsvorteil der Quantencomputertechnologie sind komplexe mathematische Herausforderungen, wie sie bei Verschlüsselungen eingesetzt werden, in geringer Zeit zu lösen. Dies verschiebt deutlich die Grenzen zwischen einer zeitlich machbaren Entschlüsselung und einer durch den enormen Zeitaufwand nicht praktikablen Verschlüsselung.

Um der Entschlüsselung heute als sicher geltender Verschlüsselungsverfahren – wie dem „Advanced Encryption Standard“ (AES) – durch Quantencomputer entgegenzuwirken, bedarf es intensiver Anstrengungen im Bereich von Forschung und Entwicklung. So ist auch die Fraunhofer Gesellschaft – wie hier im pdf vom Juni 2016 beschrieben – auf der Suche nach einer wirksamen „Post-Quanten-Kryptographie“ (PQK).

Suche nach neuen Verschlüsselungsverfahren

Das Ziel ist es, neue Verschlüsselungsverfahren zu finden, um Quantencomputer vor derartig komplexe mathematische Herausforderungen zu stellen, bei denen selbst diese keinen Angriffspunkt und Hebel finden, um ihren Leistungsvorsprung auszuspielen.

Dabei gilt es verschiedene Aspekte zu bedenken. So müssen neuartige Verschlüsselungsverfahren kompatibel zu sämtlichen sich im Umlauf befindlichen Geräten bleiben/sein, auch wenn diese selbst nur über eine sehr geringe Rechenleistung verfügen. Weiter darf es nicht zu längeren Ladezeiten, z. B. beim Aufrufen von Webseiten, durch die Übertragung von verfahrensbedingt größeren Schlüsseldaten kommen. Im Idealfall sollte ein neuartiges Verschlüsselungsverfahren modifizier- und austauschbar sein, ohne dass Änderungen an der Hardware erforderlich werden.

Zu Verschlüsselungsverfahren, die auch Quantencomputern standhalten können, veranstaltet in den USA das „National Institute of Standards and Technology“ (NIST) einen Wettbewerb. Ziel ist, schon im kommenden Jahr entsprechende Verschlüsselungsstandards zu verabschieden – hier beschrieben.

Und hier geht es weiter zur Spitzfindigkeit.

#PreppoKompakt

Der Quantencomputer ist ein mächtiges Instrument. Er kann uns beispielsweise bei der Erforschung von Krankheiten zu neuen Erkenntnissen und besseren Heilungschancen verhelfen. Gleichzeitig stellt er auch eine Bedrohung dar. Dann, wenn seine Rechenleistung dazu missbraucht werden könnte, unbefugten Zugang zu geheimen Informationen zu erhalten, kritische Infrastrukturen – wie die Energieerzeuger – anzugreifen oder unbescholtene Bürgerinnen und Bürger zu überwachen. Um so wichtiger ist es, durch Forschung und Entwicklung im Bereich der Post-Quanten-Kryptographie Vorkehrungen zu treffen, um Schaden abwenden zu können. Es kommt darauf an, die Weichen so zu stellen, dass die positiven Aspekte des technologischen Fortschritts zukünftig überwiegen.

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