Blackout ante portas

Das „Phänomen“, ohne Strom auskommen zu müssen, ist uns in den letzten Wochen gleich dreimal begegnet. In einem gewollten Versuch/Experiment auf der Schwäbischen Alb, beginnend am 10. November letzten Jahres, bei dem es in einer Familie darum ging, zu schauen, wie der Alltag ohne Strom zu bewältigen ist. Bei einem unfreiwilligen, ungewollten Test, dem eine größere Menschenansammlung nahe der spanischen Hauptstadt Madrid – dem Cañada Real – seit über 100 Tagen unterzogen wird. Und dem Beinahe-Ereignis vom 8. Januar, bei dem wohl halb Europa ganz knapp an einem großflächigen, lang andauernden Stromausfall mit all seinen Folgen vorbeigeschlittert ist. Der Blackout hat mitten im Winter an unsere Tür geklopft.

Drei aktuelle Spielarten des Stromausfalls

Bericht aus „Stromlos“

„Eine Familie, vier Generationen, zwei Wochen Strom-Diät. 11 Tage hat Familie Rittgarn nahezu ohne Strom gelebt! Jetzt ist er wieder da. Was hat die Familie aus dem Experiment gelernt?“ Der SWR hat es organisiert und mit der Kamera beobachtet. Die Familie aus Undingen blickt in der letzten Folge der 17teiligen Reihe auf die gemachten Erfahrungen zurück und resümiert darüber, natürlich auf Schwäbisch (verfügbar bis 20.11.2021).

Dazu gehört eine gewisse Traurigkeit, dass der Versuch beendet ist. Und damit auch die mediale Aufmerksamkeit sowie der erfahrene Zusammenhalt im Freundes- und Bekanntenkreis. Im Grunde aber überwiegt die Erleichterung und Freude, beispielsweise wieder jederzeit ohne größeren Aufwand Kaffee kochen und warm duschen oder der Alexa Amazon Musikwünsche auftragen zu können.

Zu den Schlußfolgerungen gehört aber auch, den Fernsehkonsum – des besseren Schlafes zuliebe – einschränken oder künftig die zweite Gefriertruhe nur noch bei Bedarf einsetzen zu wollen. Die älteste Generation kam übrigens mit dem Versuch ohne Waschmaschine und Kühlschrank am besten zurecht, da dies den Gegebenheiten der eigenen Jugendzeit entsprach. Auch die Handy-Abstinenz war kein Thema. Künftig Strom sparen zu wollen ist ein zum Schluss geäußerter Vorsatz. Was allein schon die Höhe des Strompreises nahelege – europa-, wenn nicht weltweit spitzenmäßig, eine nicht thematisierte Folge der deutschen Energiewende.

Zwischendrin fiel übrigens mal die Bemerkung, man könne als zweiten Teil das Experiment ohne Wasser durchführen – was aber wohl nur spaßig gemeint war.

Cañada Real echt stromlos und zeitweise ohne Wasser

Anders in Cañada Real, angeblich dem grössten Slum Europas. „Südlich von Madrid … ist in den letzten Jahrzehnten ein Elendsviertel gewachsen, das sich mittlerweile über 15 Kilometer erstreckt und in dem rund 7500 Menschen wohnen. Im Sektor 6, dem ärmsten und am dichtesten besiedelten Teil der Cañada Real, leben hauptsächlich Marokkaner, etwa 800 Familien, so die Schätzung.“ Dies berichtet die NZZ am 26.1.2021.

Nachdem die Drogenmafia das Stromnetz angezapft habe, um ihre überdachten Marihuana-Plantagen zu beheizen, sei das Netz wegen Überlastung am 12. Oktober 2020 zusammengebrochen. „Seither schieben sich Beamte der Stadt und der Stromanbieter Naturgy gegenseitig die Schuld in die Schuhe, tätig werden sie nicht. Selbst als Madrid Anfang Januar Rekordschneefälle verzeichnete und das Thermometer auf bis zu zehn Grad unter null sank, liess sich angeblich kein Arbeiter des Stromunternehmens in Cañada Real blicken.“

Die Caritas betreue in einer ehemaligen Möbelfabrik 150 Kinder, für mehr reiche der Platz nicht aus. Die Jüngsten bekämen nachmittags eine Kleinigkeit zu Essen, die Grösseren machten mit den Sozialarbeitern die Hausaufgaben. Im Friseur-Schulungszimmer, wo die Jugendlichen ein Handwerk lernen können, und im Computerraum geht ohne Strom gar nichts. Das Gebäude kann nicht mehr beheizt werden, man behilft sich mit Raumheizern, die mit Gasflaschen funktionieren. „Caritas verteilt auch Gasflaschen an die Familien, damit diese ein paar Stunden pro Tag ein wenig Wärme in ihre Behausungen bringen können.“

Eine Mutter sagt: „Seit sieben Tagen haben wir kein Wasser, weil die Rohre eingefroren sind. Ein Nachbar hilft aus, er füllt unsere Wasserschüsseln. Das Wasser erwärme ich, um Mahlzeiten zuzubereiten, für eine warme Dusche für uns alle und Wäschewaschen reicht es nicht.“ So die NZZ.

Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass auf allen und allem eine Traurigkeit lastet, sogar die Kinder bringen dies zum Ausdruck.

Der Beinahe-Blackout vom 8. Januar in den Medien

„Freitag, 8. Januar 2021, 13:04:55 Uhr (MEZ). Zu diesem Zeitpunkt kam es im europäischen Höchstspannungsnetz (ENTSO-E) zu einem deutlichen Frequenzeinbruch. Innerhalb von 14 Sekunden erfolgte ein Frequenzabfall von 50,027 auf 49,742 Hertz.“

Tichys Einblick vom 9. Januar

So berichtet, wohl als erster, Frank Hennig auf Tichys Einblick am 9. Januar, und fährt fort: „Damit wurde der Regelbereich mit einer Untergrenze von 49,8 Hertz verlassen, eine ernsthafte Gefahr bestand noch nicht. Die in diesem Fall vorgesehenen Maßnahmen – Einsatz positiver Regelenergie, Stopp des eventuellen Pumpbetriebes in Pumpspeicherwerken – reichten aus, nach wenigen Sekunden die Frequenz wieder über die 49,8 Hertz nach oben zu bringen. … dennoch war es der stärkste Frequenzeinbruch seit November 2006“, der damals zu einem großflächigen Blackout in Westeuropa geführt hatte.

Interessant liest sich eine laut Autor unvollständige Liste mit 10 Störungen, beginnend am 14. Dezember 2019 und endend am besagten 8. Januar. Dabei hätten bei drei oder vier Ereignissen die Ursachen nicht oder nicht vollständig aufgeklärt werden können.

„Unterdessen steigt die Anfälligkeit des Systems durch immer höhere Komplexität, durch die erhöhte Einspeisung von Strom in die unteren Spannungsebenen (dezentrale Erzeugung, vor allem regenerativ), durch verstärkten Handel, durch stärkere Erzeugungsschwankungen und Verringerung der gesicherten Einspeisung.“ Soweit Frank Hennig.

FAZ vom 27. Januar

In der FAZ vom 27.1.2021 (hinter Bezahlschranke) führt Andreas Mihm mit zeitlichem Abstand – und auch mit einer um eine Stunde späteren Eintrittszeit – folgendes zu den Ursachen an: „Während sich überall Menschen auf das Wochenende vorbereiteten, versagte das kroatische Umspannwerk Ernestinovo seinen Dienst und brachte das europäische Stromnetz an den Rand des Zusammenbruchs. Im Abstand von Sekunden rauschte eine Abschaltkaskade durch das Stromnetz, mit Folgen bis nach Frankreich und Italien.“

Insgesamt 15 Leitungen in Kroatien, Serbien und Rumänien versagten ihren Dienst. Weitere 20 Sekunden später war Europas Stromnetz zweigeteilt. „Der Stromüberschuss in Südosteuropa konnte nicht mehr, wie geplant, Richtung Westen exportiert werden. Europaweit geriet das Netz aus dem Takt. Im Südosten stieg die Frequenz von den festgelegten 50 Hertz auf 50,6 Hertz, im Westen wurde die Normfrequenz um 260 Millihertz unterschritten. Abschaltungen großer Verbraucher, etwa in Frankreich, waren die Folge. In vielen Betrieben reagierten Maschinen auf die Frequenzschwankung. Hektisch mobilisierten Netzbetreiber ihre Reserven. Es sollte eine Stunde dauern bis um 15:08 Uhr das Netz synchronisiert … werden konnte.“

Laut dem Präsidenten von Oesterreichs Energie, Dr. Michael Strugl, habe in 2020 der Netzbetreiber „… allein in Österreich an 261 Tagen den Netzbetrieb stabilisieren müssen, Kostenpunkt 134 Millionen Euro.“ Kritisch äußert er sich zur Rolle Deutschlands, denn der Ausstieg aus Kernkraft und Kohle werde die Situation noch verschärfen. So die FAZ.

DerStandard vom 19. Januar über den fast eingetretenen Blackout

Destogleichen liest sich eine Beschreibung des Ablaufs im DerStandard vom 19.1.2021, auch was die genaue Eintrittszeit anbelangt. Hier wird zudem über eine Pressekonferenz berichtet, auf der der Vorstandsdirektor von Austrian Power Grid, Gerhard Christiner, im Beisein von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne), auf die Feststellung Wert legt, die erneuerbaren Energien hätten dabei keine Rolle gespielt.

Die Hoffnung, das bleibt uns erspart, steht, wie wir gesehen haben, auf tönernen Füssen. Sehr dezidiert – und wir bleiben in Österreich – warnt auch der Krisenexperte Herbert Saurugg vor der steigenden Blackout-Gefahr. In einem Blogbeitrag vom 27. Januar (hier abzurufen) liefert er weitere Details zum aktuellen Zwischenfall und wiederholt die Warnung des Österreichischen Bundesheeres vom Januar 2020, dass binnen der nächsten fünf Jahre mit einem europaweiten Blackout zu rechnen sei.

Grundlagenwissen zum Blackout

Im Januar 2020 haben wir hier im Blog mit zwei Beiträgen die Grundlagen zum besseren Verständnis des Blackouts gelegt. Das Schwergewicht im ersten lag auf den Ursachen und Folgen. Im zweiten Beitrag ging es um die Möglichkeiten, sich auf einen solchen Notfall einzustellen und darauf vorzubereiten. Als Handreichung haben wir zudem ein Workbook + Checkliste als Download zur Verfügung gestellt (hier). In einem nächsten Schritt stellen wir Ihnen ganz praktisch einen Stromgenerator vor, mit dem die Zeit eines Stromausfalls überbrückt werden kann.

Und hier geht es weiter

#PreppoKompakt

Man hört und liest oft, es sollte nur einmal so ein Blackout über uns kommen. Dann würden schon die richtigen Lehren daraus gezogen. Abgesehen davon, dass der Preis dafür sehr hoch ausfallen würde, ist – wie gesehen – auch die Ursachensuche keineswegs trivial. Es ist davon auszugehen, dass die politisch Verantwortlichen viel daran setzen würden, die Energiewende „reinzuwaschen“. Deshalb ist es klüger, sich so gut wie möglich auf einen solchen großflächigen Stromausfall einzustellen.

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