Die politischen Entscheidungen zur Covid-19 Pandemie fußen auf unzureichenden Datengrundlagen. So oder so ähnlich klingt es immer wieder im medialen Begleitchor. Anfang März konnte man lesen: „So hartherzig es klingen mag, aber die wirtschaftlichen und politischen Wirkungen messen sich letztlich am Verlauf der klinischen und epidemologischen Daten.“
Der hier nicht namentlich genannte Verfasser weiter: „Glücklicherweise entwickeln sich die statistischen Trends nicht so alarmierend, wie es panisch formulierte Schlagzeilen in den Medien darstellen.“ Schon am 4. Februar verlautbarte ein anderer China-Experte im Interview: „Wir werden eine Delle in der Wachstumsrate sehen“. Wie wir inzwischen wissen, wurden beide Einschätzungen widerlegt, um nicht zu sagen, Lügen gestraft. Unabgestimmte Schnellschüsse, die nicht weiterhelfen, die die Hintergründe zu Covid-19 nicht erhellen.
Schweizer Verhältnisse auch anderswo
Anfang April äußerte sich Prof. Dr. med. Dr. h.c. Paul Robert Vogt – ein auch gut mit den chinesischen Verhältnissen vertrauter Mediziner – umfassend in der Schweizer online-Zeitung „Die Mittelländische Zeitung“. Er schilderte detailliert die Hintergründe der Covid-19 Pandemie, bezogen auf die Verhältnisse seines Heimatlandes. Dabei nahm er ausführlich Stellung zu den Fakten, Versäumnissen und der Art und Weise, wie Medien das Geschehen begleiten. Ihm zufolge lagen viele wissenschaftlich überprüfte Fakten zum Ausbruch und Verlauf dieser Viruserkrankung bereits Ende Februar 2020 vor.
„Hätte man diese medizinischen Fakten zur Kenntnis genommen und wäre man fähig gewesen, Ideologie, Politik und Medizin zu trennen, wäre die Schweiz heute mit großer Wahrscheinlichkeit in einer besseren Lage: wir hätten pro Kopf nicht die zweit meisten COVID-19-positiven Leute weltweit und eine bedeutend kleinere Zahl an Menschen, welche ihr Leben im Rahmen dieser Pandemie verloren haben. Zudem hätten wir mit großer Wahrscheinlichkeit keinen partiellen, unvollständigen ‚Lock-down‘ unserer Wirtschaft und keine kontroversen Diskussionen, wie wir hier wieder ‚herauskommen‘.“
Vorhandene wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Faktenlage zur Pandemie wurden offenbar weder in der Schweiz noch anderswo in ernsthafter Weise wahrgenommen und ihrer Bedeutung entsprechend eingeordnet. Man ist an dieser Stelle geneigt, „hätte, hätte, Fahrradkette“ zu sagen, aber so einfach ist es wiederum auch nicht.
Wirksame Gegenmittel zur Pandemie – reine Rhetorik?
Kurze Zeit später stellt sich Paul Robert Vogt in einem Interview Nachfragen. Seine Antwort auf die Frage nach wirksamen Gegenmitteln wiederum detailreich, vor allem auch recht ernüchternd:
„Etwas pessimistisch gesagt: da es weder Impfung noch Medikamente gibt, gelten die Empfehlungen zur Zeit der Spanischen Grippe – was natürlich nachdenklich stimmt. Immerhin: mehrere Studien bestätigen übereinstimmend, dass konsequentes Hände-Waschen mit den entsprechenden Desinfektionsmitteln und das Tragen von N95-Masken, medizinischen Masken und auch selbst-gebastelten Masken, wenn sie aus 4 Lagen Papier oder 1 Lage Stoff bestehen, 95% bis 99% der Viren auf Oberflächen oder in der Luft blockieren können. Als wirksame Desinfektionsmittel gelten laut dem ‚Journal of Hospital Infection‘ vom 06. Februar 2020: Alkohol 62%ig bis 71%ig; Hydrogen Peroxid 0.5% oder Natrium Hypochlorite 0.1%. Ich denke, am einfachsten hält man sich an die Alkohol-Desinfektion. Und Abstandhalten gilt nach wie vor, wie zu Zeiten der Spanischen Grippe.“
Man muss wissen, dass die Spanische Grippe in den Jahren 1918 bis 1920 wütete und in drei Wellen zwischen 27 und 50 Millionen Menschenleben forderte (näheres bei Wikipedia).
Jede Lockerung ein Schritt ins Ungewisse
Auf den lauter werdenden Wunsch nach Rückkehr zur Normalität gibt er die ausweichende Antwort, er könne nur sagen, was absolut nicht machbar ist.
„Eine aktive Durchseuchung der nicht-Risiko-Gruppen mit dem COVID-19-Virus ist mit Sicherheit ein absolutes Hirngespinst. Es kann nur Leuten in den Sinn kommen, die keine Ahnung von Biologie, Medizin und Ethik haben.“ Exakt die gleiche Bewertung kommt vom Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Prof. Dr. Lothar Wieler (hier in einem aktuellen, 69 Sekunden langen YouTube-Video).
Den Forderungen nach Lockerung des Lockdown steht Prof. Vogt aufgeschlossen gegenüber. Er verbindet damit allerdings die Auflage, dass jeder Schritt mit einem exakten Monitoring verbunden sein muss.
„Können wir diese Pandemie nicht ersticken und stehen weder Impfung noch medikamentöse Therapie zur Verfügung, sollte die Gesellschaft die vorübergehende Einschränkung der persönlichen Freiheit zugunsten des gesamt-gesellschaftlichen Wohls akzeptieren; und auch, um damit einen weiteren Lock-down zu verhindern.“
Leben mit Covid-19 – für wie lange?
In seinem (vorerst) letzten Beitrag vom 20. April bringt Vogt sehr deutlich zum Ausdruck, dass wir uns auf ein Leben mit Covid-19 einstellen sollten. Dabei gibt es unterschiedliche Szenarien, für alle gilt jedoch gleichermaßen. Der Auslöser für Covid-19 ist viel aggressiver als ein normales Grippe-Virus.
Erste Möglichkeit: COVID-19 bleibt eine saisonal wiederkehrende Infektion mit einer im Vergleich zu Influenza deutlich höheren Sterberate.
Zweite Möglichkeit: Covid-19 besitzt endemischen Charakter, d. h. es tritt dauerhaft wiederkehrend gehäuft in einer begrenzten Region oder einer Population auf. Dann hängt die weitere Entwicklung vom Vorhandensein eines wirksamen Impfstoffes oder einer anderen wirksamen Therapieform ab.
Kurzfristig gilt nach Vogt jedoch: „Stehen weder Impfung noch Therapie zur Verfügung, wird uns ein im Herbst 2020 wiederkehrendes COVID-19 vor dieselben Probleme stellen, die wir heute erleben. Wir haben Zeit uns darauf vorzubereiten und dieselben Nachlässigkeiten zu vermeiden.“
Information zur Pandemie und Prävention
Grundvoraussetzung sind aktuelle, konsistente und vor allem nachvollziehbare Informationen über die Grundlagen und den aktuellen Verlauf der Pandemie. In Deutschland werden diese im Auftrag der Bundesregierung frei Haus geliefert vom RKI, u.a. mit der Webseite zu Infektionskrankheiten, sowie vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit der Notfall-Informations- und Nachrichten-App – NINA (hier im Blog im August 2019 bereits beschrieben).
Maßnahmen zur Prävention betreffen zunächst grundsätzlich jede(n) Einzelne(n). Mit den zu Verfügung gestellten Informationen gilt es, das eigene Verhalten und das der Angehörigen entsprechend zu steuern, um sich soweit wie möglich vor dem Risiko einer Ansteckung zu schützen.
Komplexität meistern als Herausforderung
Es mag einfach erscheinen, politische und wirtschaftliche Entscheidungen an statistischen Daten festzumachen. Allerdings ist es allein schon schwierig, das hochkomplexe Geschehen einer Pandemie in seinen Zusammenhängen zutreffend statistisch zu erfassen, darzustellen und zu interpretieren. Aber nicht nur das. Der Umgang mit den Folgen und deren Bewältigung bilden eine mindestens ebenso große Herausforderung. Die erforderlichen Anpassungen und die notwendigen Neuausrichtungen stellen ebenfalls ein komplexes Geflecht an Aufgabenstellungen dar.
In einem 29-seitigen Thesenpapier zur Pandemie (Endversion vom 5. April 2020 als Download verfügbar – für echt hartgesottene Wißbegierige) stellen Prof. Dr. med. Matthias Schrappe, Universität zu Köln, ehemaliger Stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenrates Gesundheit, und fünf weitere ausgewiesene Gesundheitsexperten/innen fest:
„Ausgehend von der Einsicht, dass ein ‚Entkommen‘ aus der durch die Pandemie verursachten Krise nur durch Mehrfachinterventionen auf mehreren Ebenen möglich ist, müssen Erkenntnisse aus den Bereichen Epidemiologie, Verhaltenspsychologie, Kognitionswissenschaften, Public Health, Soziologie, Ökonomie, Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft mit herangezogen werden.“
Absolut kein leichtes Unterfangen. Hängt doch die Bewältigung solcher Krisen eben entscheidend davon ab, inwieweit es gelingt, die Erkenntnisse ganz unterschiedlicher Fachdisziplinen aufeinander abgestimmt in die Praxis umzusetzen. Für „Fachidioten“ gleich welcher Couleur gibt es da keinen Platz. Von einem ultimativen Intelligenztest der Menschheit wollen wir dabei gar nicht reden.
Post Scriptum – Meldung des Tages zur Pandemie
Jetzt gilt in allen Bundesländern eine Maskenpflicht, nachdem sie heute in Schleswig-Holstein in Kraft tritt. Die NZZ hat dazu schon vorgestern freundlicherweise eine Kolumne verfaßt, die vor allem auch über die Höhe der Bussgelder bei Verstößen dagegen informiert. 16 Bundesländer, 16 Regelungen, hoch lebe der deutsche Föderalismus! Ernsthaft.
Und hier geht es weiter
#PreppoKompakt
Es gibt kein Leben nach, nur ein Leben mit Corona. Müssen wir uns an diesen Gedanken gewöhnen?