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Diverse Gedanken(splitter) zur Pandemie

Es heißt, dass in jeder Krise – dazu gehört die Pandemie – eine Chance stecke. Ein Gedanke, den laut der Zeit schon die alten Griechen und Chinesen hegten. Auch und gerade weil uns Zeitgenossen dies momentan nicht so richtig einleuchten will, lohnt es sich, darüber nachzudenken. Dabei kommt zudem fast automatisch die Behauptung auf den Prüfstand, wir würden uns nach Katastrophen sehnen.

Die Formulierung „weltweite pandemische Verbreitung“ habe ich übrigens schon im August letzten Jahres gelesen. Und zwar in einem Artikel in faz-net vom 16.8.2019 (heute im Archiv hinter Bezahlschranke) auf die Schlussstrophe von Percy Shelleys Gedicht aus 1819 gemünzt. Endend schlicht mit den sechs Wörtern: „Ye are many – they are few.“ Ihr seid viele – sie sind wenige. Ein Motto, in der Folgezeit offensiv als Kampfruf vereinnahmt von Kommunisten und Sozialisten – wie unter anderem Marx, Lenin, Brecht und zu(guter)letzt Jeremy Corbyn.

Pandemie Corona Virus Risikobereit oder -avers

Was in unserer Gesellschaft vor sich ging

Machen wir es daran fest, wie die Menschen noch vor vier Wochen eher gelassen mit der durch Sars-Cov-2 in China ausgelösten Epidemie umgegangen sind. Dies hat sich seit Ausrufung der Pandemie am 11. März grundlegend verändert. Nicht nur, dass sich mit den Infektionen und Todesfällen in Italien das Problem bis unmittelbar vor unsere Haustüre verlagert hatte. Vor allem die eindrücklichen Bilder von durch Hamsterkäufe leergefegten Regalen zeitigten Wirkung. Die fröhlichen Szenen mit an Fenstern in den Stockwerken musizierenden und singenden Italienerinnen und Italienern bildeten nur ein kleines Gegengewicht.

Stimmungsbild vom 16.3.2020
Stimmungsbild vom 16.3.2020: 41% aller Befragten (insgesamt 61.906) halten die Lage für bedrohlich – hier die Stimmungsbilder vom 15. und 23.2.2020

Dabei haben – wie eine Auswertung der NZZ vom 14.3.2020 für die Schweiz belegt, die gefühlt für den deutschsprachigen Raum insgesamt gültig sein dürfte – die Medien angemessen über das Corona Virus berichtet. „Man könnte ihnen höchstens vorwerfen, dass sie zu wenig Distanz zu den Behörden wahren. Kritische Fragen zum Krisenmanagement von Bund und Kantonen(/Ländern – JG) werden noch kaum gestellt. Ob die Massnahmen übertrieben oder zu lasch waren, lässt sich allerdings auch erst im Rückblick wirklich beantworten. Dann, wenn die Krise überstanden und in unserem Alltag sowie in der Berichterstattung wieder Normalität eingekehrt ist.“

Die entgegengesetzte Meinung vertritt der Risikoforscher Didier Sornette von der ETH Zürich im Interview mit der NZZ am 12.2.2020. Er bezeichnet die Journalisten als Teil des Problems, weil sie massiv übertrieben, und warnt vor der Illusion einer Null-Risiko-Gesellschaft. In unserer komplexen Hightech-Welt sei die menschliche Software noch dieselbe wie zu Zeiten der Jäger und Sammler, auch deshalb unser Verhalten nicht durchgängig rational. Nebenbei plädiert er dafür, sich den Weg der Atomkraft nicht zu verstellen.

Ein heißes Eisen faßt auch der britische Historiker Niall Ferguson an. Er wiederum warnt davor (NZZ vom 3.2.2020), das Corona Virus zu unterschätzen. Wir seien weit anfälliger für die Pandemie als etwa für die Folgen des Klimawandels. Seiner Einschätzung nach müssten die Entscheidungsträger schnell und drastisch handeln. Jedenfalls haben sich durch die Dominanz des Pandemie-Themas, andere vor Kurzem noch als kritisch, ja existenziell eingeordnete Probleme, zumindest relativiert.

Risikobereit oder -avers, wo stehen wir

Eine Null-Risiko-Mentalität kritisiert auch Roman Bucheli in der NZZ vom 19.2.2020. Aus dem unternehmungslustigen Menschen sei ein ängstliches Nervenbündel geworden. Risiken eröffneten Möglichkeitsspielräume. Zudem sei die Risikogesellschaft keine zweifelhafte Errungenschaft der Moderne, sondern eine Konstante der Menschheitsgeschichte. Dass der Mundschutz auf der Fashion Week in London als brandaktuelles Modeaccesoire auserwählt wurde, bewertet er als kaum zu übertreffende Geschmackslosigkeit. Dies spiegele „… aber lediglich in emblematischer Zuspitzung unseren Umgang mit Gefahren. Wir flirten mit ihnen da, wo sie nurmehr symbolhaft in Erscheinung treten, weil ihre absehbaren möglichen Folgen in jedem Augenblick kontrolliert werden können.“

Noch einen Schritt weiter geht der baden-württembergische Risikoforscher Ortwin Renn. Im faz-net vom 30.1.2020 bezeichnet er die Angst vor dem Corona Virus als übertrieben und behauptet, wir würden uns nach der Bewältigung von Katastrophen regelrecht sehnen. Auf die Frage, werden wir in drei Monaten – das wäre im Wonnemonat Mai – noch über das Virus sprechen, gibt er zur Antwort: „Ich glaube nicht. Es sei denn, es kommt zu einer wesentlich gefährlicheren Mutation“. Auch ohne eine solche Mutation, das wissen wir heute, wird das Corona Virus das bestimmende Thema bleiben.

Gemeinsam mit- oder gegeneinander in der Pandemie

Neben der Frage, wie wir mit dem Risiko umgehen, stellt sich die Frage, wie wir als Individuen miteinander umgehen. Nach Marcel Schütz, einem Bielefelder Soziologen, liegen die Nerven schon jetzt blank (NZZ vom 12.3.2020). Ausgerechnet die Konfrontation mit dem unbedingt Natürlichen (gleich Corona Virus) führe einem die Begrenzung der sozialen Ordnung und Orientierung vor Augen. Deshalb plädiert er für mehr Individualität. „Wenn jeder für sich sorgt, ist für alle schon einiges getan.“ Dies schließt Nachbarschaftshilfe(n) keineswegs aus. Es gibt ganz aktuell ermutigende Beispiele für Einkaufshilfen für ältere Menschen, die nicht angeordnet, sondern spontan und freiwillig von Jüngeren erbracht werden (faz-net vom 15.3.2020). Und die schnell Schule machen.

Blackout noch weitreichender

Von hoher Relevanz ist, was der österreichische Sicherheitsexperte Herbert Saurugg (hier auf youtube, Stand 15.2.2020) zum Thema großflächiger Stromausfall/Blackout zu sagen hat. Im direkten Vergleich zur Pandemie kommen hier auf die Menschen weit gravierendere Einschränkungen und vor allem ein noch viel höheres Maß an Unsicherheit hinzu.

Unvermitteltes Auftreten, ohne Vorwarnung, lediglich rudimentäre Information und Kommunikation, kein Strom, keine Heizung – im Winter bitter, tote Wasserleitung und ohne funktionierende Verkehrsverbindungen, das kennzeichnet den Blackout zusätzlich. Ein Drittel der Bevölkerung könne sich nach vier Tagen nicht mehr selbst versorgen, zwei Drittel nach sieben Tagen (ab 21:00). Man solle möglichst lange gemeinsam mit der Nachbarschaft einer solchen Krise widerstehen, so Saurugg (ab 24:00). Es gehe darum, den „Kipppunkt“ hinauszuschieben, wobei er schon nach 48 Stunden Eskalationen vermutet.

Sündenböcke immer gesucht und gefunden

Duncan McLean weißt in der NZZ vom 28.2.2020 anhand von Seuchen aus der Geschichte – beginnend im 15. Jahrhundert – darauf hin, dass stets Sündenböcke gesucht werden. Vornehmlich waren dies gesellschaftliche Minderheiten. „Auch wenn sich bei dieser Verbindung von Hass und Seuchen kein Muster ausmachen lässt, erfolgt die Auswahl des Sündenbocks nicht zufällig. Noch immer fällt es den Menschen nicht schwer, alles ‚Fremde‘ leichtfertig zu verteufeln – und eine Krankheit ist immer wieder ein praktischer Vorwand.“

Dabei lohnt es, sich vor Augen zu führen, was George Orwell in seinem Essay „Über Nationalismus“* schon 1945 festgehalten hat. Er verwendet dieses Wort nicht im üblichen Sinne, sondern behelfsmäßig, beschreibt damit eine Geisteshaltung (S. 7). Eine Geisteshaltung, die davon ausgeht, dass sich Menschen wie Insekten klassifizieren und in Gruppen zusammenfassen lassen, etiketiert nach ‚gut‘ oder ‚böse‘. Und die sich mit einer bestimmten Gruppe identifiziert und die Beförderung derer Interessen über alles andere stellt. Die Gleichgültigkeit gegenüber objektiver Wahrheit komme hinzu, Realitäten spielten kaum noch eine Rolle (S. 20). Im Nachwort von Armin Nassehi zur in 2020 erstmals publizierten deutschen Übersetzung des Orwellschen Textes werden übrigens als aktuelles Beispiel „… die hitziger werdenden Debatten um den Klimawandel“ angeführt (S. 54).

Es wird nicht wieder so sein, wie es war – drei Ansichten zur Krise

Martin Booms

Nach Martin Booms, Akademiedirektor aus Bonn, geht es um weit mehr als Gesundheit (NZZ vom 14.3.2020). Eine viel grössere, nachhaltigere Gefahr sieht er in den gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen und nicht zuletzt moralischen Sekundäreffekten des Geschehens. Diese könnten auch dann noch virulent bleiben, wenn das biologische Virus einmal medizinisch im Griff ist.

Er beschwört die Gefahr einer Erosion der liberal-westlichen Strukturen und Weltanschauung bis an den Rand des Zusammenbruchs. Erkennt aber umgekehrt in dem biologischen Problem auch eine gesellschaftliche Chance. „Dann nämlich könnte ausgerechnet die Corona-Krise jene politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Kräfte eindämmen, die in jüngster Zeit nicht den Geist des Humanismus und der Solidarität, sondern denjenigen der Spaltung, des Ausschlusses und der Priorisierung falsch verstandener Eigeninteressen vorangetrieben haben.“

Slavoj Žižek

Slavoj Žižek, in London und Ljubljana lehrender Philosoph und Psychoanalytiker, serviert in der NZZ vom 16.3.2020 die verstörendste Lektion, die die Pandemie für uns bereithalten könnte: „Der Mensch ist viel weniger souverän, als er denkt. Er trägt weiter, was ihm zugetragen wird, … spricht und weiss nicht, was er sagt. Er taucht auf – und irgendwann verschwindet er wieder von der Erdoberfläche. Das muss er aushalten können, ohne verrückt zu werden.“ Zuvor müssen aber die Menschen auch der Neigung der Regierenden, „sie sind wenige – Ihr seid viele“, den Ausnahmezustand zu nutzen, mit unaufgeregter Wachsamkeit entgegentreten.

Jürgen Kaube

Herausgeber Jürgen Kaube vermutet in seinem Kommentar in faz-net vom 14.3.2020, dass nichts so sein wird, wie es früher war. Wir seien Zeugen und Betroffene eines epochalen Ereignisses. „Zwar wird gesagt, die Schulen blieben bis zum Ende der Osterferien oder bis zum Ende ihrer Verlängerung geschlossen. Auch wenn jetzt Messen, Konferenzen, Ausstellungen, Theaterabende und Fußballspiele abgesagt werden, geschieht es oft mit dem Hinweis, man werde sich zeitnah mit Ersatzterminen melden. Doch in Worten wie ‚einstweilen‘, ‚bis auf Weiteres‘, ‚verschoben‘ und ‚bald‘ verbirgt sich nur schlecht die Befürchtung, dass es lange dauern könnte. Mehr aber noch, dass wir nicht sicher sein können, die gesellschaftliche Normalität, wie sie sich uns darstellte, zurückzubekommen.“

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#PreppoKompakt

Eine Lehre aus dieser Pandemie ziehen muss heißen, sich auf einen wahrscheinlichen Blackout gut vorzubereiten. Die Krisenvorsorge ernstnehmen, aber trotz allem optimistisch bleiben.

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