Pandemie – der weite Weg zur Maskenpflicht

Die Regierenden stecken ganz besonders in Zeiten der Pandemie in einem richtigen Dilemma. Manche glauben mit Rücksicht auf die Bürgerinnen und Bürger mit einzelnen Details, um nicht gleich zu sagen mit der Wahrheit hinter dem Berg halten zu müssen. Beim Thema Maskenpflicht tun sie es in der Überzeugung, damit Schaden von den Menschen abzuwenden. Dies erfordert eine große Disziplin und gewisse rhetorische Fähigkeiten.

Wie man es nicht machen darf, hat am 13. November 2015 Bundesinnenminister Thomas de Maizière vorgemacht. Nachdem nach den Terroranschlägen in Paris das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen die Niederlande abgesagt wurde, hatte er in einem Interview die ausweichende, im Grunde unsinnige Antwort gegeben, Teile der von ihm vorenthaltenen Informationen „… würden die Bevölkerung beunruhigen.“

Nicht alles zu sagen, was man weiß, um niemanden zu beunruhigen, ist ein zweischneidiges Schwert, und erreicht meist das Gegenteil. Besser und vor allem auch einer demokratischen Gesellschaft angemessener ist, Informationen nicht zurückzuhalten, sondern aufzubereiten und die Menschen so gut es geht aufzuklären (schon hier so beschrieben). Geradezu dumm ist es, wenn man als Verantwortliche(r) sagt, dass man nichts sagen darf.

Indikator zum Corona Virus

Faz-net greift heute einen Indikator heraus, der etwas zur möglichen Überforderung des deutschen Gesundheitssystems aussagen kann. Dabei handelt es sich um die Frist, in der sich die Zahl der Infizierten verdoppelt. Die Bundeskanzlerin hatte die Verlangsamung der Verdoppelung zum Maßstab für mögliche Lockerungen der bis zum 20. April gültigen Maßnahmen gemacht. Nach der Süddeutschen Zeitung verdoppelt sich die Zahl der Infizierten in Nordrhein-Westfalen derzeit in 13,3 Tagen (gestern waren es 10,2 Tage) und in Bayern in 7,5 Tagen (gestern 6,2 Tage). Für ganz Deutschland lag die Verdopplungsrate am Donnerstagmittag bei 10,1 Tagen (Stand heute: 11.30 Uhr), letzten Sonntag waren es fünf Tage.

Faz-net weiter: „Insgesamt verdoppelte sich zu diesem Zeitpunkt in sieben der sechzehn Bundesländer die Zahl der Infizierten zum Teil noch schneller als zehn Tage“. Nach Kanzleramtschef Helge Braun sollten sich die Infizierten-Zahlen erst nach 10, 12 oder 14 Tagen verdoppeln. „Dann sei voraussichtlich ein Punkt erreicht, an dem das Gesundheitssystem nicht überfordert wird“. Nun gehört mit dem Blick auf Japan und dem hier angestellten Vergleich nicht viel Fantasie dazu, um zu erahnen, dass das Tragen von Masken einen Beitrag zur Verlangsamung der Verdoppelung leisten kann.

Der (zu) langsame Siegeszug der Gesichtsmaske

Klares Plädoyer pro Maskenpflicht

Eine überzeugende Argumentation pro Maskentragen findet sich im DerStandard vom 30.3.2020. Es ist der Gastkommentar des Mathematikers Norbert J. Mauser, der als Schutz und Verstärker des Abstandhaltens/Social Distancing eine weiterreichende Maskenpflicht fordert.

„Die maximale Verringerung der Ansteckung anderer – also wenn ein Infizierter redet oder hustet und so Viren überträgt – ist der zentrale Punkt aller Maßnahmen. Eine Vielzahl der Infizierten ist ja symptomfrei und weiß gar nicht, dass sie das Virus in sich trägt.“ In diesem Sinne kann auch eine ordentlich selbstgebastelte Maske effektiv sein. „Der eigene passive Schutz gelingt mit diesen Masken zwar nur ein wenig. Dafür braucht es natürlich die hochwertigen Masken FFP3 oder mindestens FFP2, von denen es aber sogar für das medizinische Personal viel zu wenige gibt, obwohl es diese Masken natürlich um jeden Preis haben müsste. Das oft vorgebrachte Argument gegen eine Maskenpflicht, dass es nicht genügend Masken gäbe, ist damit genauso Unsinn wie das angebliche Gegenargument, dass ja damit den Ärzten die Masken weggenommen würden.“ So folgerichtig Norbert Mauser.

Aktuelles Stimmungsbild zur Maskenpflicht

Eingebettet in die Lektüre eines Artikels in faz-net über die Situation in Österreich, haben sich die Leserinnen und Leser mit 48 % mehrheitlich für eine Maskenpflicht ausgesprochen.

Stimmungsbild vom 2. April 2020, 19 Uhr

Faz-net kolportiert zudem eine Aussage der Medizinischen Universität Wien, die sich dezidiert für die Maskenpflicht im gesamten öffentlichen Raum ausspricht. „Diese Maßnahme hat nachweislich zur Eindämmung der Covid-19-Epidemie u.a. in Japan beigetragen. Dabei dienen die Masken nicht dem Schutz vor Ansteckung, sondern dem Schutz der Kontaktpersonen vor einer Ansteckung durch einen latent oder asymptomatisch Infizierten.“ Zudem dienten die sichtbaren Masken auch als Mahnung, voneinander Abstand zu halten.

Der Kommentar von Peter Rásonyi in der NZZ vom 1.4.2020 erkennt im langsamen Siegeszug der Gesichtsmaske ein Zeichen der Vernunft – so die Überschrift.

Große Fehlkalkulation oder die Wahrheit hinter dem Zellstoff

Weitaus kritischer setzen sich Heike Schmoll (in faz-net vom 31.3.2020, hinter Bezahlschranke) und Roland Tichy auf TichysEinblick mit der Thematik auseinander. Virologie als Wissenschaft nach Marktlage, ein Nationaler Pandemieplan aus 2005, der existiert, aber was z.B. Masken anbelangt nicht oder nur unvollständig umgesetzt wird. Zusammengenommen eine große Fehlkalkulation, so Heike Schmoll.

Und Roland Tichy bemüht einen einfachen Vergleich um die Wahrheit hinter dem Zellstoff hervortreten zu lassen: „Deutsche Gesundheitsexperten wollen keine Masken. Eigentlich eine schon wirtschaftlich seltsame Debatte: Vielleicht helfen Masken wirklich nicht viel. Aber sie kosten auch nichts. Nur Cents. Der Stillstand der Wirtschaft kostete jede Woche bis zu 35 Milliarden Euro; bei 10 Cent je Maske könnte man dafür 350 Milliarden Masken kaufen, nur mal so als Milchmädchenrechnung. Vermutlich sparen bereits zehn mit Masken verhinderte Ansteckungen so viel, wie die Masken für Deutschland kosten würden.“

Mundschutz plus …

Lucia Schmidt faßt in ihrer Antwort auf eine Leserfrage die Sache in verständlicher Form wunderbar zusammen (faz-net vom 1.4.2020):

„Die Frage, wie es in Deutschland mit dem Mundschutz weitergeht, wird gerade heftig diskutiert. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine Mundschutzpflicht kommt. Allerdings muss man dazu wissen: Die gängigen Mundschutze oder die, die man sich nähen kann, schützen andere, wenn man selbst husten oder niesen muss. Auch beim Sprechen bieten sie einen gewissen Schutz. Ebenso können sie die Viruslast, die auf einen trifft, etwas reduzieren. Aber sie haben keinen Filter und lassen deshalb auch Viren durch.

Das heißt, sie sind kein sicherer Schutz vor der Ansteckung und sie dürfen nicht dazu führen, dass man den Abstand von zwei Meter nicht mehr einhält, eng zusammensteht oder die Hände nicht mehr wäscht. Ein Mundschutz kann etwas bringen, aber nur wenn alle anderen Maßnahmen auch berücksichtigt werden.“

Da darf eine Anleitung für einen selbstgenähten Mundschutz auf faz-net vom 31.3.2020 nicht fehlen. Selbst ein Schnittmuster ist dabei.

Tragik pur

Die NZZ vom 1.4.2020 berichtet über eine Chorprobe am 10. März in Mount Vernon im Staate Washington im Nordwesten der USA. Dabei haben sich drei Viertel der anwesenden 60 Chormitglieder mit dem Corona Virus angesteckt, zwei davon sind inzwischen tot. „So tragisch der Vorfall ist, so wenig überrascht er, wenn man den heutigen Wissensstand über das neuartige Coronavirus zugrunde legt. Denn in den letzten Wochen hat sich immer wieder bestätigt, dass auch Personen ohne Symptome das Virus übertragen können. Dass nicht nur Tröpfchen, sondern auch die feineren Aerosole, die beim Ausatmen mit geöffnetem Mund in grosser Zahl entstehen, das Virus übertragen. Diese fallen aufgrund ihres geringen Gewichts nicht so schnell zu Boden wie grössere Tröpfchen, sondern können mehrere Minuten lang in der Luft schweben – zumal in einem geschlossenen Raum.“

Die Tagesschau im Originalton – Eilmeldung am 2. April, 16:40 Uhr

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat seine Einschätzung für das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nun auch offiziell geändert. Auf den Internetseiten mit den Corona-Empfehlungen des RKI heißt es nun, eine solche einfache Schutzmaske könne das Risiko verringern, „eine andere Person durch Husten, Niesen oder Sprechen anzustecken“.

Das RKI empfiehlt daher nun auch das „vorsorgliche Tragen“ eines Mund-Nasen-Schutzes in der Öffentlichkeit – also auch dann, wenn man selbst keinerlei Symptome hat. Nicht jeder bemerke, dass er mit dem Coronavirus infiziert sei, könne aber trotzdem ansteckend sein. Zuvor hatte das RKI den Mundschutz nur Menschen mit akuten Atemwegserkrankungen empfohlen. Hier nachzulesen und nachzusehen.

Widmung

Meinen zwei Freunden Reinhard Bitzer und Christoph Larsen Mattes – Unternehmern aus Leidenschaft – gewidmet.

#PreppoKompakt

Außerhaus hilft eine Maske zusammen mit den anderen Vorsichtsmaßnahmen, wie Abstand halten, sich nicht ins Gesicht fassen, ruhig auch Einweg-Handschuhe tragen. Und natürlich ein gründliches Händewaschen/Desinfizieren, spätestens bei der Ankunft zu Hause. Deshalb ist Maskentragen, um ein vielstrapaziertes früheres Lieblingswort der Bundeskanzlerin zu verwenden, im Grunde genommen alternativlos.

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