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Pfad zur Kernkraft bleibt intakt

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Die Europäische Union bekennt sich zur Kernkraft: Am 6. Juli 2022 hat das Europaparlament in Straßburg den Weg für die Kernenergienutzung in der Gemeinschaft geebnet. Gegen den Rechtsakt stimmten 278 Abgeordnete von 705. 353 Stimmen wären notwendig gewesen, um ihn zu Fall zu bringen. Damit ist die einzige noch denkbare, sprich realistische Möglichkeit “verstrichen”, die Nutzung von Kernkraft – und Gas – im Zusammenhang mit der sogenannten EU-Taxonomie auszubremsen. Das heißt, der Pfad zur Kernkraft bleibt intakt.

Pfad zur Kernkraft intakt

Auf dem Pfad der Vernunft

Wenige Tage vor ihrem 68. Geburtstag am 17. Juli bekommt Angela Merkel, Kanzlerin im Ruhestand/außer Diensten den Beleg, dass sie mit ihren politischen Einschätzungen auch mal richtig gelegen hat. Im Vorfeld der Beratungen zur EU-Taxonomie hatte sie – wir haben es hier festgehalten – schon letzten November gesagt, dass dies nicht mehr aufgehalten werden könne. Denn es sei schon eine sehr hohe Hürde.

Bis zum 11. Juli – also heute – müßten sich nun im Rat der EU mindestens 72 % der Mitgliedstaaten (gleich 20 Mitglieder) mit mindestens 65 % der Bevölkerung der EU zusammentun, das heißt eine “verstärkte qualifizierte Mehrheit” bilden. Dass diese zustande kommt, ist wegen des Interesses vieler Staaten an der Nutzung von Kernkraft so gut wie ausgeschlossen. Es sind auch keine entsprechenden Vorzeichen wahrnehmbar.

Überlegungen zur Kernenergienutzung

Eine Expertenmeinung

Ein fach- und sachlich fundiertes Plädoyer für die (Weiter)Nutzung der Kernenergie findet sich auf der Achse des Guten (Teil 1 vom 23.6. und Teil 2 vom 24.6.2022). Gehalten von Hans Ambos, der als Leiter des Radiochemielabors im Kernkraftwerk Biblis und als Strahlenschutzbeauftragter einer Schweizer Firma gearbeitet hat. Und seit 15 Jahren freiberuflich als Dozent im Bereich Strahlenschutz und Kerntechnik unterwegs ist.

Nun hat er sich erlaubt, in einem offenen Brief an unseren Klimaminister Robert Habeck all die Punkte anzusprechen, die unter den Achse-Titel “Die dümmste Energiepolitik der Welt” – schon vom „Wall Street Journal“ am 29.1.2019 mit World’s Dumbest Energy Policy vorgegeben – zu subsumieren sind. Dazu gehören unter anderem die ungelöste Speicherfrage, die Nebenwirkungen der Windindustrieanlagen, die neuen Abhängigkeiten bei der Energiebeschaffung, wie Gas aus Katar, oder das vollständige Außerachtlassen der Kernenergie.

“Hätte Frau Merkel nicht, zum Teil widerrechtlich (bei den ersten acht KKW geschehen), die Kernenergie in Deutschland beendet, könnten wir heute einen Anteil von 35 Prozent CO2-freien Atomstrom im Strommix haben. Hätte Deutschland nicht nach Tschernobyl den planmäßigen Ausbau (z.B. Biblis Block C und D) der Kernenergie beendet, könnte Deutschland heute 80 Prozent Atomstromanteil haben (ganz ähnlich wie Frankreich) und bräuchte kaum Erdgas oder Kohle.”

Und auch “Ursachenforschung” betreibt Hans Ambos. “Der Mangel an Kompetenz, Wissen und Bildung gibt sich durch nichts deutlicher zu erkennen als durch falsche Verwendung von Begriffen und Einheiten. Ein Basiswissen in Physik und Mathematik ist in der Politik und den öffentlich-rechtlichen Medien nicht vorhanden. Leistung und Energie werden ständig falsch verwendet. Bei Kapazität, Wirkungsgrad und den Hauptsätzen der Thermodynamik herrscht Ahnungslosigkeit. Mega, Giga oder Tera: alles egal.” So sein berechtigter Rundumschlag – wir haben hier mit Hilfe von Helmut Federmann ein kleinwenig gegengesteuert. Auf die Antwort des Ministers darf man jedenfalls gespannt sein.

Der Blick des Historikers

Faz-net vom 29.6.2022 (hinter Schranke) wartet mit der Einschätzung des Umwelthistorikers Prof. Frank Uekötter auf, der an der Universität Birmingham lehrt. Seine Antworten im mit “Der Atomausstieg ist ein Erfolg” überschriebenen Interview, hören sich zunächst so an, als ob er zu den Kritikern gehört, was sich bei näherem hinsehen aber nicht bewahrheitet.

Seine Argumentation: “Für ein hohes Sicherheitsniveau in der Nukleartechnik braucht es unbedingt eine kritische Öffentlichkeit, Expertenwissen außerhalb der Atomwirtschaft. In Deutschland hatte dies eine sehr stark disziplinierende Wirkung. Heute gibt es noch Atomfachleute, die dieser Technik kritisch gegenüberstehen, in 20 Jahren aber vielleicht nicht mehr. Es werden aber auch dann in Europa noch Atomkraftwerke laufen, wenn auch voraussichtlich nicht mehr in Deutschland. Deshalb brauchen wir weiter eine Gegenexpertise. Die zu erhalten, sehe ich als große Herausforderung.”

Aktuelle Lagebeurteilung

Apropos “… voraussichtlich nicht mehr in Deutschland.” Auf der Achse des Guten vom 4.7.2022 ist die umfängliche Einschätzung des international bewanderten Kernenergie-Experten Manfred Haferburg wiedergegeben. Bei der Anhörung im Sächsischen Landtag in Dresden zum Thema “Versorgungssicherheit” ging es auch um die Laufzeitverlängerung für unsere verbliebenen drei Kernkraftwerke, deren Weiterbetrieb er für unumgänglich hält. Dabei zeigt er auf, wie die Abhängigkeit vom Gas die deutsche Energiewirtschaft ins Dilemma geführt hat. Und dass es unmöglich ist, die regierungsamtlichen Ausbauziele für die “Erneuerbaren” bis 2030 überhaupt zu erreichen. Denn das wären durchgängig pro Arbeitstag in den nächsten acht Jahren 10 neue Windenergie-Anlagen an Land/Onshore und 556 neue Photovoltaik (PV) Anlagen sowie alle zwei Tage eine neue Windenergie-Anlage auf See/Offshore.

“Und selbst wenn die Rohstoffe Kupfer, Nickel und Molybdän für diese Ausbauziele von einem anderen Planeten importiert würden und die nötigen Fachkräfte in Scharen nach Deutschland strömten, es hülfe oft nichts: Derzeit gibt es 36.000 Windkraftanlagen, die bei Flaute null MW produzieren. Selbst wenn es 360.000 gäbe, würden sie bei Flaute auch nur null MW produzieren.”

Das Problem für die ernsthafte Diskussion dieser Punkte bis hin zum Tätigwerden der sächsischen Staatsregierung – diese soll sich auf Bundesebene für die Verlängerung der Betriebsgenehmigung der verbliebenen und ein Rückbaumoratorium der letztes Jahr stillgelegten Kernkraftwerke einsetzen – ist ganz einfach, dass es sich um einen Antrag der AfD-Fraktion handelt (hier als pdf herunterzuladen). Und der allein schon aus diesem Grunde folgenlos bleibt.

Wie das Ganze wahrgenommen würde

Faz-net vom 4.7.2022 (hinter Schranke) macht sich zum Ausbau der Windenergie ebenfalls Gedanken. “Nicht mehr unser Land” titelt Gerald Felber und verbindet die Ästhetik des Empfindens von Landschaften mit nüchternen Hochrechnungen. Das Ergebnis wäre eine unvorstellbare Gleichförmigkeit der Landschaften mit nur noch wenigen Restflächen ohne Windkraftanlagen bundesweit.

Nach der Analyse auch hier die Frage nach den Ursachen/Gründen: Eine Mischung von Wunschdenken und Duckmäuserei blockiere den notwendigen Paradigmenwechsel. “Wenn der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz noch vor wenigen Monaten in die ungute Tradition einer arroganten Schulmeisterei gegenüber anderen Staaten verfiel – speziell gegen Frankreich, das zur Atomkraftnutzung ein entschieden rationaleres Verhältnis hat als das hierzulande gepflegte – ist das nicht zuletzt deswegen fragwürdig, weil dort ohne ideologische Scheuklappen nach dem tatsächlich optimalen Energiemix gefragt wird.”

Im Beitrag selbst, aber auch unter den 265 Kommentaren ist zu lesen, dass, wenn der Wechsel nicht gelingt, wir gegenüber den Franzosen manchen Grund zur Dankbarkeit haben werden. Überhaupt ist die Vielfalt der streckenweise auch mit Humor vorgebrachten Argumente – pro und kontra, ohne einzeln auszuwerten – beeindruckend. Was absolut nicht geht, ist allen Kernkraftbefürwortern ein AfD-Schild anzuhängen. Was sich leider hier und da bewahrheitet ist die Absenz von Basiswissen in Physik und Mathematik (siehe oben).

Wie es woanders geht

Wie die NZZ vom 5.7.2022 berichtet, macht Südkoreas neuer Präsident Yoon Suk Yeol den von seinem Vorgänger Moon Jae In beschlossen Ausstieg rückgängig. Der Anteil von Kernkraft an der Stromproduktion soll bis 2030 auf 30 Prozent ausgebaut, damit die Energiesicherheit erhöht und das Ziel unterstützt werden, bis 2050 CO2-neutral zu wirtschaften. Widerstände im politischen Raum gehören auch hier dazu, aber Präsident Yoon kontert mit wirtschaftlichem Kalkül.

“Konkret will der konservative Präsident den von seinem linken Vorgänger gestoppten Bau der Reaktoren 3 und 4 im Atomkraftwerk Shin Hanul wiederaufnehmen. Ausserdem verspricht er den Export koreanischer Atomtechnologie. Er will, dass koreanische Unternehmen bis 2030 zehn AKW im Ausland bauen. Bei seiner jüngsten Europareise zum Nato-Gipfel in Spanien warb Yoon bereits um Aufträge in Europa. Grosse Hoffnungen setzt die Regierung auf Polen und Tschechien. Doch auch Grossbritannien, die Niederlande und Rumänien werden als Interessenten gehandelt.” So die NZZ.

Energiepreise aktuell

Die NZZ vom 6.7.2022 bringt zur Entwicklung der Strom- und Gaspreise eine interaktive Karte. Diese zeigt nach Eingabe des Wohnortes/Postleitzahl die tagesaktuellen Strom- und Gaspreise für eine vierköpfige Familie sowie den Vergleich zum Vorkrisenniveau. Außerdem weist sie den Benzinpreis sowie den Füllstand der Gasspeicher aus – Ziel am 1. Oktober diesen Jahres 80 %, Stand heute 64 %.

Der Strompreis wäre noch um einiges höher, wenn Bundestag und Bundesrat nicht zum 1. Juli 2022 die Abschaffung der EEG-Umlage beschlossen hätten. Hipp, hipp, hurra! Was lange währt, wird endlich gut. In einen Beitrag vom 4./11. April 2014 über die “Energiepolitische Geisterfahrt – die deutsche Wendewirklichkeit”, dankenswerterweise hier auf EIKE warmgehalten, hatte ich gefordert, genau dies zu tun.

Und hier geht es um eine alte Tugend, die in Vergessenheit geraten ist.

#PreppoKompakt

Ideologiefreie Räume, in denen sachlich über alle Energiefragen diskutiert werden kann, sind das Gebot der Stunde. Ausgrenzung schadet allen, für die Wahrheits-/Lösungsfindung ist sie regelrecht Gift. Ernsthaft miteinander reden, sich argumentativ auseinandersetzen – nur dies sichert die Zukunftsfähigkeit unseres Gemeinwesens. Im Energiebereich und bei allen anderen gesellschaftspolitischen Themen.

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