Plisch und Plum reloaded?

Bundesfinanzminister Christian Lindner kündigte Mitte vergangenen Jahres – hier auf liberale.de – eine „Neuausrichtung der Finanzpolitik“ an. Jetzt zieht Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck nach und verspricht/verheißt eine „Transformative Angebotspolitik“. Das Handelsblatt fragt am 26.1.2023, ob dieser Formulierung in einem Kommentar leicht verstört, „Macht Habeck jetzt den Lindner?“ Und meint spitz dazu, Robert hänge wohl zu viel mit Christian ab. Sei es wie es ist. Die Realitäten zwingen den Einen wie den Anderen auf ihre Weise, politische Antworten auf die gegenwärtigen Multikrisen zu geben. Dabei sind dem Finanzminister in seinen Äußerungen qua Geschäftsbereich etwas engere Grenzen gesetzt, als dem Wirtschaftsminister. Dieser, zumal wenn er persönlich und durch sein Vorleben schon zu phantasievoller und wortschöpferischer Prosa neigt, kann bei seinen Formulierungen weitaus mehr aus dem Vollen schöpfen. Kramt man ein wenig in der bundesrepublikanischen (Wirtschafts)Geschichte herum, so ist man, ob dieses Duos, versucht neuhochdeutsch zu fragen: Plisch und Plum reloaded?

Neues Duo - Plisch und Plum reloaded.

Ein neues Duo – Plisch und Plum, es war einmal

Robert Habeck muss sich vergleichen lassen mit seinen Vorgängern. Mit Ludwig Erhard beispielsweise, der den Slogan „Wohlstand für Alle“ geprägt und dafür mit der Sozialen Marktwirtschaft in den ersten Jahren der jungen Bundesrepublick Deutschland die Weichen zur Umsetzung gestellt hat. Oder auch mit dem Wirtschaftsprofessor Karl Schiller und seiner, allein schon die Phantasie anregenden „Konzertierten Aktion“. In diesem Zusammenhang kommt das blumige Bild von „Plisch und Plum“ ins Spiel. So wurde das damalige, allerdings nur rund drei Jahre – Dezember 1966 bis September 1969 – währende Duo mit Finanzminister Franz Josef Strauß von der CSU und dem SPD-Wirtschaftsminister im Januar 1967 vom „Der Spiegel“ bezeichnet.

Ob es für Lindner und Habeck in ein paar Jahren ebenfalls zu einer solchen journalistischen Titulierung reicht, sei dahingestellt. Darüber entscheiden auch die nächsten Monate. Ob sie es mit ihren Formulierungen und vor allem mit ihren politischen Entscheidungen und der notwendigen Fortune erreichen, eine Wohlfühlatmosphäre in der Wirtschaft und der gesamten Gesellschaft herzustellen. Kann es gelingen?

Transformative Angebotspolitik

Robert Habeck will die deutsche Wirtschaft radikal umbauen, berichtet Business Insider am 31.1.2023 über das Vorhaben des Ministers. Trifft diese Einschätzung zu? Oder eher die lapidare Feststellung des eingangs erwähnten Kommentars im Handelsblatt: „Dass der Grüne auf Angebotspolitik setzt, also die Verbesserung der Rahmenbedingungen, ist gar nicht so neu. Er hat es nur nie so genannt. Die Energiewende ist, wenn sie gelingt das wohl größte denkbare angebotspolitische Programm. Denn neben Klimaschutz soll sie niedrige Energiepreise bringen.“

Bewertung

Allein mit der Energiewende, an der in Deutschland seit nahezu 20 Jahren mehr oder weniger erfolglos herumgebastelt wird, kann es wohl nicht sein Bewenden haben. Dazu sind auf zu vielen Gebieten viel zu viele, kaum aufholbare Versäumnisse entstanden, erheblich zu korrigierende Fehlentwicklungen und schwer wieder gut zu machende Mängel eingetreten.

Dazu hätten sich Herr Habeck und seine „spin doctors“ auch nicht das monströse Label „Transformative Angebotspolitik“ einfallen lassen müssen. Dahinter sollte etwas weit Anspruchsvolleres stehen – so die Hoffnung. Der Umbau des Mobilitätssystems, die Neugestaltung des gesamten Bauwesens und seiner Vorschriften, die unsäglichen regulativen Barrieren in vielen Bereichen des Wirtschaftslebens, welche die Gestaltung einer nachhaltigen, enkeltauglich und zukunftsfähig produzierenden und konsumierenden Gesellschaft einschränken oder verhindern, sind weit mehr als nur eine „Energiewende“.

Neuorientierung der Finanzpolitik statt Umbau der Wirtschaft

Es überrascht nicht wirklich, was der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Reinhard Houben, am 27.1.2023 in einem Interview – hier nachzulesen – zum Besten und sich damit auch zufrieden gibt: “Wir in der FDP wollen die Wirtschaft nicht umbauen, sondern wir möchten, dass wir zu einer Energieerzeugung und zu einem Energieverbrauch kommen, der eine möglichst geringe CO2-Belastung bedeutet.“ Am Ende sei das BIP das BIP. Die vom Wirtschaftsministerium angestrebte Neuvermessung des Wohlstands in Deutschland anhand neuer Indikatoren schade nicht. Aber das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei weiterhin der Gradmesser der wirtschaftlichen Lage und der entscheidende Faktor, „… weil man sich nur so im internationalen Wettbewerb vergleichen könne.“

Bewertung

Das 22-seitige Strategiepapier aus dem Bundesfinanzministerium vom Mai 2022 mit dem Titel „Finanzpolitik in der Zeitenwende – Wachstum stärken und inflationäre Impulse vermeiden“ (hier als pdf herunterzuladen) setzt auf eine effiziente, vorausschauende und gestaltende Finanzpolitik. Das klingt nicht besonders einfallsreich oder herausfordernd, eher trivial und wie eine Wiederholung von Selbstverständlichkeiten. Denn wer wünscht sich schon eine ineffiziente, rückwärtsgewandte und sich treibenlassende Finanzpolitik des Staates?

Der analytische Teil der Ausführungen sticht auch nicht gerade durch intellektuelle Brillianz oder innovative Anstöße hervor. Die Quintessenz dieser Bemühungen liest sich gegen Ende auf S. 22 des Papieres so: „Wenn die Rückkehr zur Normalität nach der Krise nicht gelingt, wird die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen beschädigt. Nur eine Rückkehr sichert die finanzpolitische Handlungsfähigkeit in zukünftigen Krisen im Angesicht der großen mittel- und langfristigen Herausforderungen, vor denen Deutschland steht.“

In Anbetracht der vom Kanzler ausgerufenen „Zeitenwende“ wird im Finanzministerium auf die Rückkehr zur „Normalität“ gehofft. Es werden die altbekannten Rezepte der Angebotspolitik ausgepackt, wie z. B. an vorderster Front die steuerliche Entlastung von Unternehmen. Die Schuldenbremse wird als alleiniger Hoffnungsträger und Inbegriff einer vorausschauenden Fiskalpolitik beschworen. Nach den im Koalitionsvertrag 2021-2025 der Ampel – hier einzusehen – versprochenen vielfältigen Möglichkeiten der fiskalischen Einwirkungen auf die Verbesserung der Einnahmenseite und Reduzierung der Ausgabenseite, wie z. B. durch Bekämpfung von Steuerhinterziehung oder striktere Verfolgung der Geldwäsche, sucht man im Papier zur „Neuausrichtung der Finanzpolitik“ vergebens!

Zusatzbemerkung

Es war gewiss nicht zu erwarten, dass die von uns im Beitrag vom 24. Juni 2022 „Es geht um Energie“ herausgestellten fünf Unterschiede zwischen der Mainstream Ökonomie und einer naturwissenschaftlichen Ökonomie, schon in den Überlegungen von „Plisch“ oder „Plum“ Eingang gefunden hätten. Allerdings wären angesichts der seither im vergangenen halben Jahrhundert eingetretenen Entwicklungen durchaus fundiertere Aussagen über die Notwendigkeit grundlegender Änderungen – und nicht nur „Neuausrichtungen“ in der Finanz- oder eine „transformative Angebotspolitik“ in der Wirtschaftspolitik – erwartbar gewesen. Jedoch – Mainstream bleibt halt Mainstream.

Und hier geht es weiter zur #99.

#PreppoKompakt

Habecks „Transformative Angebotspolitik“ verströmt immerhin noch den gewissen „Reiz des Neuen“. Was man von Lindners Strategiebeitrag bei Weitem nicht behaupten kann! Plisch und Plum reloaded? Wohl eher nicht. Wenngleich die Bildergeschichte von Wilhelm Busch über zwei junge Hunde aus dem Jahre 1882 auch leicht märchenhafte Züge aufweist. Und sich unsere beiden Protagonisten schon tierischeren Vergleichen ausgesetzt sahen.

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