Corona – Gefühl und Verstand im Widerstreit

„Danser encore“, eine Art Hymne des Widerstands, gesungen seit Jahresanfang vielerorts in Frankreich. So wurde das unten verlinkte Video am 8. April 2021 am Bahnhof Gare de l‘ Est in Paris aufgenommen. Es demonstriert anschaulich Lebensfreude pur und zugleich, wie in Bezug auf Maßnahmen der Corona-Politik Gefühl und Verstand im Widerstreit liegen können.

Danser encore. Der Wunsch nach Berührung als Sinnbild von Normalität

Das Video und ein Kommentar zu „Danser encore“

Felix Perrefort kommentiert das Geschehen auf der Achse des Guten vom 16.4.2021 wie folgt: „Frankreich ist und bleibt ein Hort der Zivilisation. Während hierzulande im Bundestag immer Trostloseres vom Stapel gelassen wird, versammeln sich in Frankreich immer öfter Menschen im Freien, um tanzend ihren Unmut über die Corona-Politik loszuwerden. Das offizielle Video kommt mittlerweile auf über zwei Millionen Klicks. Ein Lied des französischen Künstlers HK entwickelt sich offenbar zu einer Hymne des Widerstands gegen den Lockdown: ‚Danser Encore.‘“ Kaddour Hadadi hat als „HK et les Saltimbanks“ zusammen mit seiner Künstlertruppe das Lied im Dezember 2020 auf den Weg gebracht. Es bringt nun seine Landsleute – und darüber hinaus – zum Tanzen und Singen.

Den Link zum „Danser encore“ am Bahnhof Gare de l‘ Est auf YouTube gibt es hier. Einfach gut sechs Minuten hören, schauen und staunen – ruhig auch mehrmals.

Der Liedtext „Danser encore“ zum wieder und wieder Tanzen

Beim Liedtext in deutscher Übersetzung wird auf die NachDenkSeiten vom 13.4.2021 verwiesen, wo auch eine (kleine) Auswahl von Orten zu finden ist, an denen mittels des Liedes friedlich Kritik geübt wurde. Interessanterweise ist der zuletzt genannte Ort Zürich – am 12. April – und liegt in der Schweiz. Wobei die NZZ Stand heute noch nicht darüber berichtet hat.

Refrain:
Wir wollen weiter tanzen
Sehen, wie unsere Gedanken unsere Körper umarmen,
unsere Leben in Akkordfolgen verbringen
Oh nein, nein ………

Wir sind Zugvögel. Niemals fügsam, nicht wirklich weise.
Wir schwören der Morgenröte nicht unter allen Umständen die Treue.
Wir kommen, um das Schweigen zu brechen.

Und wenn am Abend im Fernsehen der „gute König“ spricht und das Urteil verkündet,
zeigen wir uns respektlos. Aber immer mit Eleganz.
Oh nein, nein …….

Refrain 2 x

Auto, U-Bahn, Arbeit, Konsum, Erlasse, vorgeschriebene Absurditäten.
Und wehe dem, der denkt …
Und wehe dem, der tanzt ….

Jede autoritäre Maßnahme, jede Sicherheitsanordnung
fegt unser Vertrauen mehr weg. Sie versuchen mit Beharrlichkeit,
unser Gewissen einzusperren.
Oh nein, nein …….

Refrain 2 x

Lassen wir uns nicht beeindrucken von all diesen
unvernünftigen Menschen,
die Angst im Überfluss verkaufen. Unanständige Ängste. 

Lasst sie uns für unsere geistige Gesundheit auf Abstand halten.
Für unsere soziale und ökologische Gesundheit
sind unser Lächeln, unsere Intelligenz
die Instrumente des Widerstands gegen ihren Wahnsinn.
Oh nein, nein …….

Bei Corona Gefühl und Verstand im Widerstreit

Zur Lage der Coronavirus-Pandemie weltweit muss man wissen, dass laut Angaben aus faz-net vom 16.4.2021 Frankreich bei den Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen nach Uruguay und der Türkei mit 425,5 einen unrühmlichen dritten Platz einnimmt. Der deutsche Wert liegt zum Vergleich bei 172,9. Hieraus resultiert wohl auch die besondere Betroffenheit und das (Mit)Gefühl beim Betrachten des Videos.

Zum einen ist es wunderbar zu sehen, wie immer mehr Menschen in diesem großen Pariser Bahnhofsgebäude in das Lied einstimmen und zu tanzen beginnen. Frauen und Männer, jung wie alt. Der Text ansprechend, mit einem Spritzer 1789, selbstbewusst und trotzdem stilvoll – ja, das Wort fällt auch, elegant. Die Melodie sehr eingängig, der Klang der Instrumente und die Stimmgewalt beeindruckend. Beim Tanz bildet sich – mit oder ohne Regie – eine Formation heraus. Man erkennt die gemeinsame Freude an der Bewegung und auch an Berührung und Nähe, nicht zuletzt wohl weil dies etliche Zeit unmöglich gewesen ist.

Zum anderen sieht man aber auch, wie die Masken – sofern vorhanden – in der Drehung verrutschen, die Abstände kleiner werden, die notwendige Vorsicht einer fast kindlichen Ausgelassenheit weicht. Am Ende des Liedes nach einigen Minuten verstreut sich die Menge im und außerhalb des Bahnhofs – und als Betrachter bleibt man Uneinem diffusen Gefühl der Betroffenheit allein zurück.

Widmung

Den treuen Freunden Christine und Pierre in Saint-Cergues gewidmet.

Nachtrag

Heute Mittwoch, 21. April, sind wir problemlos geimpft – und stossen auf YouTube auf immer mehr „Danser encore“, und das nicht nur auf französischem Boden. Zürich hatten wir bereits erwähnt, aber auch in Berlin, Bologna, Brüssel, Fribourg und Nijmegen wird nach der Melodie von HK getanzt und gesungen. Sehr schön und ergreifend ging es – zurück in Frankreich – vor vier Wochen in der Hafenstadt La Rochelle unter freiem Himmel zu. Hier sind tolle 10 Minuten auf YouTube zu sehen.

Und hier gibt es Trost aus berufenen Mündern.

#PreppoKompakt

Der bereits stark ausgeprägte Wunsch nach einer Rückkehr zur Normalität erfährt neue Nahrung – die nächste Woche anstehende Impfung gegen Covid-19 ist persönlich ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Eine Antwort

  1. HK sagt zu seinem Lied, dass es kein Lied gegen Coronamaßnahmen ist, sondern ein Lied dafür als Künstler wieder arbeiten zu dürfen. Als ich es das erste Mal hörte und die originale Übersetzung las, nahm ich das Lied vor allem als ein Lied zum Wieder-Erwachen aus der Lethargie, als Ausdruck für das Bedürfniss nach Lachen, Tanzen und Leben. Es ist wichtig, gerade dann, wenn wir eingeschränkt sind in unserer Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit – jetzt wegen Corona – unseren Bedürfnissen Ausdruck zu geben.
    Leider wurde aus dem Lied ein Hetz-Song gegen Regierungen. Ja, ihre Maßnahmen wirken manchmal hilflos, bei Einhaltung und Durchführung der Maßnahmen kommen oft unlogische, nicht nachvollziehbare (Amts-)Handlungen zustande. Aber dies alles ist besser als gar keine Maßnahmen, besser als nichts gegen die schnelle Ausbreitung des Virus, den wohl niemand gern haben möchte, zuzulassen.
    Ich singe das Lied gern und kann damit singen (nicht mit dem deutschen Text) und tanzen, mich freuen, der Bewegungsarmut etwas entgegen setzen. Danke an HK für das Lied!
    Und nein, hört auf damit, lebensfreudige Lieder zur Hetze und Boshaftigkeit zu nutzen! Es sollte das Lied weniger zur Spaltung der Menschen und mehr für ein fröhliches Miteinander genutzt werden.

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