Gegen Sepsis ankämpfen durch gesunde Skepsis

Massenhaft verstörende Bilder frei Haus. Ob aktuell von überstürzten Fluchten aus Afghanistan via Kabul oder zuvor von den Zerstörungen mit Toten infolge der Wassermassen im Ahrtal – hier von uns beschrieben. Auch der 16minütige Beitrag in Frontal 21 vor drei Tagen über die lebensgefährliche Krankheit Sepsis wartet mit zwei eindrücklichen Einzelschicksalen und erschreckenden Statistiken auf. Auf seine Art verstörend, weil solche Schicksale vielfach vermeidbar wären. Gegen Sepsis ankämpfen durch gesunde Skepsis! Nicht nur eine Wortspielerei, sondern ein kleiner Weck- und Aufruf, gerade auch in Zeiten einer die Probleme noch verschärfenden Pandemie.

Gegen Sepsis ankämpfen durch gesunde Skepsis.

Sepsis – unterschätzt und lebensgefährlich

In der ZDF-Sendung vom 17.8.2021 (verfügbar bis 17.8.2023) wird von 75.000 Menschen gesprochen, die in Deutschland jedes Jahr an Sepsis sterben, wobei das 20.000 erspart bleiben könnte. „Tausende Leben ließen sich … retten, wenn die Symptome früh genug erkannt und sofort behandelt würden. Doch genau daran mangelt es, und die Gefahr wird unterschätzt.“ Zwei Betroffene, deren Leben zumindest gerettet werden konnte, kommen zu Wort. Man sieht auch Bilder von – nach diversen Klinikaufenthalten und Operationen – fehlenden Gliedmaßen, wie Unterschenkeln, Füßen und Fingerspitzen. Dabei handelt es sich um einen 14-jährigen, tapferen Jungen und eine gestandene berufstätige Frau und Mutter, die den Rest ihres Lebens so versehrt bestreiten müssen.

Weitere sehenswerte Sendung

RE: Unsichtbar und tödlich – Deutschland in der Sepsis-Krise: eine ARTE-Doku vom 3.3.2020, die im Netz nicht mehr vorgehalten wird/in der ARD-Mediathek nicht mehr auffindbar ist. Schade! (Hier sind die knapp 32 Minuten noch zu sehen, allerdings mit Aussetzern). Lisa, die Protagonistin des Beitrags, kann hier auf ihrer mit vielen wertvollen Informationen versehenen Webseite besucht werden. Sie macht Mut: Gegen Sepsis ankämpfen – Du bist nicht allein!

Kein unausweichliches Schicksal – medizinische Fakten zur Sepsis

Unter vielen Quellen in Internet nutzen wir exemplarisch an dieser Stelle Informationen des Öffentlichen Gesundheitsportals Österreichs, das zur Sepsis folgende Ausführungen macht:

„Eine Sepsis ist eine schwere Infektion des Körpers, hervorgerufen durch Mikroorganismen, z.B. Bakterien, Pilzen, Viren. Sie entsteht dadurch, dass die Infektion nicht nur lokal begrenzt auftritt, sondern sich über das Blut im Körper ausbreitet. Infolge von Organfunktionsstörungen kann eine lebensbedrohliche Situation eintreten.

Eine Erkrankung bzw. ursprüngliche Infektion kann zu einer Sepsis führen – beispielsweise als Folge einer Hirnhautentzündung (Meningitis), einer Lungenentzündung, eines Harnwegsinfekts etc. Auch durch Verletzungen (z.B. Bisse), schlecht heilende Wunden, als Folge operativer Eingriffe, infolge der Einnahme immunsuppressiver (das Abwehrsystem schwächende) Medikamente und vielem mehr kann es zu einer Sepsis kommen. …

Im Zuge der schweren Infektionsverläufe bei einer Sepsis treten Organfunktionsstörungen auf. Davon betroffen sind ein oder mehrere Organe (z.B. Gehirn, Nieren). Als septischer Schock wird eine Sepsis bezeichnet, bei der es zu einer arteriellen Hypotonie (starker Erniedrigung bzw. Absinken des arteriellen Blutdrucks) kommt (trotz Flüssigkeitszufuhr in Form von Infusionen). … Um lebensbedrohliche Situationen und schwere Organschäden zu vermeiden, ist eine rasche Diagnose und Therapie entscheidend.“

Zu den einzelnen Symptomen einer Sepsis siehe das nachfolgende Faktenblatt. Ganz entscheidend für einen Behandlungserfolg sind eine saubere Diagnose, sprich gründliche körperliche Untersuchung sowie die Bestimmung von verschiedenen Laborwerten und Blutkulturen – ohne Zeit zu verlieren. Jede Minute zählt!

Die Körperfunktionen müssen aufrechterhalten, die Infektion bekämpft und der Erreger beseitigt werden, damit die ursprüngliche Infektion vollständig abheilt. Die Therapie erfolgt im Krankenhaus, teils intensivmedizinisch. Bei einem septischen Schock und bei Organversagen ist die Intensivstation ein Muss.

Der Umgang mit Sepsis bei uns und weltweit

An Sepsis erkrankten laut Wikipedia in 2017 weltweit 49 Millionen Menschen, für 11 Millionen endete dies tödlich. Interessant – und nicht minder gewöhnungsbedürftig – ist der Umstand, dass die Krankenhaussterblichkeit bei schwerer Sepsis in Deutschland mit 42% weit höher liegt als beispielsweise in England (32%), den USA (23%) oder Australien (18%). Die Gründe sind wohl in einem bei uns stark ausgeprägten Wahrnehmungsproblem zu suchen. Denn weder Bevölkerung noch medizinisches Personal haben ein ausreichendes Wissen über die Frühsymptome der Sepsis. Ein indirektes Eingeständnis dafür kommt vom Bundesministerium für Gesundheit in Berlin, das erst seit Kurzem – seit Juli 2021 – unter „#DeutschlandErkenntSepsis“ eine breit angelegte Kampagne fördert.

International hingegen wird schon seit 2012 jedes Jahr am 13. September der Welt Sepsis-Tag/World Sepsis Day begangen und mit einer Fülle an aussagekräftigen Materialen – wie den Sepsis FAKTEN – in acht verschiedenen Sprachen Aufklärung betrieben. Jede und jeder Einzelne kann gegen Sepsis ankämpfen!

Einrichtungen und Initiativen von Deutschland ausgehend

Vorbildlich, dies zeigt auch der eingangs erwähnte Frontal 21-Beitrag, wird an der Uniklinik Greifswald mit dem Problem umgegangen. Auf dem Portal sepsisdialog.de stellt die Universitätsmedizin Greifswald dies zudem für ihre Patientinnen und Patienten anschaulich dar.

Jena ein Schwerpunkt der gesunden Skepsis

In Jena hat sich eine Art Kompetenzzentrum entwickelt. Dort hat die Deutsche Sepsis-Gesellschaft (DSG) ihren Sitz. Diese medizinische Fachgesellschaft zeichnet auch für eine App zur richtigen Behandlung von Sepsis verantwortlich – die Leila Leitlinien-App. Die DSG arbeitet eng mit der Sepsis Stiftung (und deren Außenstellen, beispielsweise an der Charité in Berlin), dem Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) Sepsis und Sepsisfolgen am Universitätsklinikum Jena und der Deutschen Sepsis-Hilfe e.V. zusammen. Die Sepsis-Stiftung betreibt zudem den Blog „Sepsis im Focus – Früherkennung rettet Leben“ – der auf wichtige Fragen fachlich fundierte Antworten gibt.

Prof. Dr. Konrad Reinhard – Jahrgang 1947, Anästhesist und Intensivmediziner – ist Vorstandsvorsitzender der Sepsis-Stiftung, wir kennen ihn schon aus dem Frontal 21-Bericht als Spiritus Rector und konstruktiv-kritischen Geist. Er hat sowohl die DSG, als auch die Global Sepsis Alliance (GSA) mit aus der Taufe gehoben, „… widely recognized as an international champion of sepsis.“ Der Mitgründer und Gründungspräsident der GSA, die auch den Welt Sepsis-Tag ausrichtet, ist ein lebendes Beispiel dafür, dass es der Prophet im eigenen Land, sprich Deutschland – nicht in Thüringen, schwerer hat, um es diplomatisch auszudrücken.

Betroffene helfen selbst

Ebenso wie Lisa aus der ARTE-Doku betreibt auch Julia Schiedermaier – die Frau aus dem Frontal 21-Bericht – einen einschlägigen Internet-Blog. „Mein Leben und ich“ enthält sehr ergreifende Bilder und Texte. Um anderen Menschen ihr persönliches Schicksal, das sie inzwischen angenommen hat und auch meistert, zu ersparen.

Und hier geht es weiter zur Spitzfindigkeit #22.

#PreppoKompakt

Im engeren Freundeskreis selbst davon betroffen, denn ein guter Schul- und Studienfreund ist am 1. März 2017 an einer Sepsis gestorben. Vermutlich von der eigenen Hauskatze infiziert, zu spät den Arzt konsultiert, dann mit großer Eile in die Intensivstation des Universitätsklinikums Tübingen, dort ein mehrtägiger Kampf um sein Leben – der letztlich, für alle unheimlich traurig, verloren ging.

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