Spitz-findig-keit #118

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute beschäftigen wir uns dafür mit der Demokratie. Eine Gesellschaftsform, die – in ihrer im Vergleich zu anderen Ländern kürzeren Geschichte – in Deutschland zudem von extremen Aufs und Abs geprägt wurde.

1. Spitz-findig-keit

Der Juni verzeichnet in unseren Breitengraden immer wieder besondere Ereignisse. So geschehen 1953, als eine Million Menschen am 17. Juni in der DDR mutig aufbegehrten, aber der vielen sowjetischen Panzer nicht Herr wurden. Oder am 18. Juni 1849 – heute vor genau 174 Jahren – als das von Frankfurt nach Stuttgart ausgewichene, erste frei gewählte deutsche Parlament dort sein abruptes Ende fand. Jakob Philipp Fallmerayer (1790-1861), ein österreichischer Historiker, war als Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung seit Mai 1848 mittendrinn dabei. Er hat das Ende in Stuttgart festgehalten – wir zitieren wiederum aus dem Buch der Tagebücher, wie zuletzt in der #116 und zuvor in der #100.

Fallmerayer versus Merckel

„Zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags die Nationalversammlung durch die württembergische Regierung mit Waffengewalt auseinandergesprengt; Infantrie und Ulanen besetzten die Zugänge zum Sitzungslokal, sperrten die Straßen ab; ein Zivilkommisar las den Minsterialbeschluß, und wie der Präsident Löwe antworten und Protest einlegen wollte gegen die ungesetzliche Gewalt, erstickte Trommelwirbel das Wort, und die Ulanen ritten im Eilschritt auf die mitten in der Straße versammelten Deputierten; Offiziere befahlen laut: ‚Haut ein! Reitet nieder!‘; tätliche Mißhandlung der Majestät des deutschen Volkes; der Abgeordnete Mohl als Schußziel von einem Offizier den Soldaten bezeichnet; Tumult und Unwille zahlreicher Zuschauer, aber keine Hülfe; über all Machtlosigkeit gegen die wohlgerüstete Staatsgewalt.“ (Buch der Tagebücher, S. 625 Angaben zur Person, S. 289 Beschreibung des Hergangs).

„Gegen Demokraten Helfen nur – Soldaten“. Der Schluß des Gedichts/Demokratenliedes über die „fünfte Zunft“ von Wilhelm von Merckel (1803-1861) aus dem Jahre 1848, liest sich wie eine Regieanweisung dafür. Es wurde während der Revolutionszeit zunächst anonym auf einem Flugblatt verbreitet. Der mit Theodor Fontane befreundete Berliner Kammergerichtsrat verspottet darin gewaltig die Demokraten und ihren Drang nach Freiheit.

2. Spitz-findig-keit

Der „schwäbische“ Dichter und Jurist Ludwig Uhland (1787-1862) saß ebenfalls als Abgeordneter in der Nationalversammlung, die in der Frankfurter Paulskirche tagte. Mit überragenden 90 Prozent war er von der Tübinger Bürgerschaft dort hineingewählt worden. Im Januar 1848 schloß er seine Rede mit den Worten: „Glauben Sie, meine Herren, es wird kein Haupt über Deutschland leuchten, das nicht mit einem vollen Tropfen demokratischen Öls gesalbt ist.“ (Siehe Wikiquote, Demokratie, Buchstabe G).

3. Spitz-findig-keit

Gelebte Demokratie auf der Zollernalb in Baden-Württemberg – der Sprung in die Gegenwart. Nein, das Blaue vom Himmel hat er nicht versprochen, auch keine Seifenblasen steigen lassen, im Gegenteil.

Bei der Amtseinsetzung von Oberbürgermeister Roland Tralmer am 13. Juni 2023 im Rahmen einer öffentlichen Sitzung des Gemeinderats der Stadt Albstadt in der vollbesetzten Zollern-Alb-Halle, bewiesen Tralmer und sein ernsthaftester Kontrahent aus dem Wahlkampf, Erster Bürgermeister Udo Hollauer, Charakterstärke und einen gesunden Pragmatismus. Damit ist – das Wahlergebnis haben wir in der #105 festgehalten – die Grundlage für eine gute und gedeihliche Zusammenarbeit in den nächsten acht Jahren zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger Albstadts geschaffen.

#PreppoKompakt

Demokratie muss vorgelebt und geschützt werden. Auch heute braucht es Menschen, die für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten. Ganz wesentlich dabei ist die praktizierte Meinungsfreiheit. Damit in der vorurteilsfreien Auseinandersetzung mit Argumenten der gesunde Menschenverstand eine Chance hat.

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