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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute geht es hier vorrangig um das nicht nur österliche Wohlbefinden, dem zentralen Preppo-Thema (siehe oben), ja sogar international vergleichend.
1. Spitz-findig-keit
Festgehalten wird das Wohlbefinden seit 2012 – wie auf Wikipedia umfänglich dargelegt – im Weltglücksbericht. In der NZZ vom 20.3.2024 ist ein Gespräch mit Dr. Reto Odermatt, Glücksforscher an der Universität Basel, über den 12. und damit neuesten, gleichen Tags veröffentlichten „World Happiness Report“ wiedergegeben. Die Werte des Jahres 2024 errechnen sich dabei aus dem Durchschnitt der drei Vorgängerjahre, also 2021, 2022 und 2023. Ins Auge fällt die zunehmende soziale Isolation bei jungen Leuten. Die Pandemie habe diesen Trend verstärkt, auch soziale Netzwerke spielten eine Rolle. „Gewisse Studien zeigen einen kausalen Zusammenhang zwischen erhöhter Nutzung von sozialen Netzwerken und geringerer Lebenszufriedenheit“, sagt Odermatt. „Klar erwiesen sei dies jedoch nicht.“
Der Weltglücksbericht wartet mit einer Fülle an Daten auf (insbesondere im Anhang zu Kapitel 2), die Aufschlüsse über die Situation in den einzelnen Ländern geben. So nimmt Deutschland im Bericht 2024 weltweit lediglich den 24. Rang ein. In 2023 und 2017 war es jeweils noch der 16. Rang. Die unter 30-Jährigen rangieren auf Rang 47. Die entsprechenden Werte für Thailand – wir benötigen sie für 2. – sind 2024 der 58. Rang, im Bericht 2023 der 60. Rang, im Bericht 2017 war es noch der 32. Rang. Die unter 30-Jährigen sind aktuell auf Rang 45.
DerStandard vom 22.3.2024 formuliert übrigens unter Bezug auf eine Studie der schwedischen Universität Lund Einwände gegen die Art, wie das individuelle Wohlbefinden erfragt wird. Die Menschen verbänden mit der Fragestellung eher Begriffe wie Reichtum und Macht, beides habe nur am Rande mit echtem Glück zu tun. Das herausragendstes Glückskriterium aber seien „… gute Beziehungen, und zwar sowohl mit Freunden wie mit Lebenspartnern. Zwar werden Wohlstand, Gesundheit, beruflicher Erfolg oder erfüllende Freizeitbeschäftigungen als durchaus wichtige Faktoren genannt, aber ausschlaggebend für ein glückliches Leben dürfte dann doch das zwischenmenschliche Miteinander sein.“
2. Spitz-findig-keit
Kann Cannabis in Bezug aufs Wohlbefinden eine Rolle spielen, und wenn ja, welche? Sicherlich können wir hier keine kausalen Zusammenhänge belegen, aber Mann/Frau darf ja mal laut darüber nachdenken.
Kehrtwende in Thailand
Während in Deutschland ab Morgen für Erwachsene der Cannabis-Konsum erlaubt ist – siehe dazu die entsprechende Überblicksseite der Bundesregierung mit Fragen und Antworten -, rudert Thailand, wie auf faz-net vom 19.3.2024 (hinter Schranke) zu lesen, kräftig zurück. Das Königreich hatte als erstes asiatisches Land Cannabis legalisiert, nun soll zum Ende des Jahres der Konsum zu Freizeitzwecken wieder verboten werden. „Der Cannabis-Boom, den das Land seit der Legalisierung im Juni 2022 erlebt, ist schwindelerregend. Landesweit sind rund 7000 Geschäfte aus dem Boden geschossen, die das Rauschmittel anbieten.“
Man hatte auf die positiven Auswirkungen auf den Medizin- und Gesundheitssektor und den Tourismus gesetzt, von einer vollständigen Freigabe war nie die Rede. Die Cannabis-Produkte sollten einen Gehalt von 0,2 Prozent an Tetrahydrocannabinol (THC) nicht überschreiten, eine Menge, bei der sich kaum Rauschwirkungen einstellen. Nicht vorgesehen war zudem der Konsum von Cannabis in der Öffentlichkeit, da sich andere gestört fühlen könnten. Dadurch, dass die Vorschriften nicht durchgesetzt werden, ist nun solch ein Wildwuchs entstanden, der selbst Cannabis-Befürworter nach einer besseren Kontrolle und Regulierung rufen lässt. Der thailändische Gesundheitsminister hat deshalb angekündigt, den Verkauf von Cannabis nur noch mit ärztlichem Attest zu erlauben.
„Ein Rückzieher Thailands dürfte auch Rufe nach einer Freigabe von medizinischem Cannabis in anderen südostasiatischen Ländern wie den Philippinen, Malaysia und Indonesien, die dort zuletzt vermehrt zu hören waren, einen Dämpfer verpassen. In Ländern wie Singapur, das den Schmuggel bestimmter Mengen von Cannabis mit dem Tod bestraft, würde eine stärkere Regulierung in Thailand dagegen für Erleichterung sorgen.“ So Till Fähnders, Politischer Korrespondent der FAZ für Süd- und Südostasien sowie Australien.
Viele Fragezeichen
Spielt all dies eine Rolle für den „Absturz“ Thailands laut Weltglücksbericht vom 32. auf einen Rang um die 60? Und droht uns mit dem Cannabis-Experiment ein ähnliches Schicksal? Wie tangiert dies unsere unter 30-Jährigen, deren Wohlbefinden bereits aktuell zwei Plätze hinter ihren thailändischen Altersgenossen rangiert? Die nächsten Jahre werden es zeigen.
Kiffer hinters Steuer statt hinter Gitter
In faz-net vom 26.3.2024 wurde noch gefragt, wann Kiffer hinters Steuer dürfen und auf eine Arbeitsgruppe mit Experten aus Medizin, Recht und Verkehr verwiesen. Diese hat laut faz-net zwei Tage später schon erste Ergebnisse geliefert. Als Grenzwert empfiehlt sie 3,5 Nanogramm THC je Milliliter Blutserum. Bei diesem Wert – man beachte die sinnige Formulierung aus dem Ministerium (für Gesundheit?) – sei „eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend“. Er liege deutlich unter der Schwelle von sieben Nanogramm, ab der das Unfallrisiko steige, ein Sicherheitszuschlag von einem Nanogramm wegen möglicher Messfehler bereits eingerechnet.
Kommen Kiffen und Alkohol am Steuer zusammen, geht es strenger zu. Die Experten empfehlen bei Cannabiskonsum ein absolutes Alkoholverbot am Steuer (entsprechend des bestehenden Alkoholverbots für Fahrerinnen und Fahrer in der Probezeit nach dem Führerschein-Erwerb und für unter 21-Jährige). „Ordnungswidrig handelt dann, wer als Cannabiskonsument am Steuer sitzt und Alkohol trinkt oder die Fahrt antritt, obwohl er unter Wirkung alkoholischer Getränke steht.“ Da kann man unserer Polizei nur viel Spass beim Kontrollieren und unser Justiz viel Ausdauer bei der Aufarbeitung der Delikte wünschen. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Dirk Peglow, hatte übrigens im Gespräch mit der FAZ schon am 20.3.2024 von einem Konjunkturprogramm für die organisierte Kriminalität gesprochen.
Österliche Schlußfolgerung
Dem Wohlbefinden aller weit förderlicher, wäre es beim Verbot geblieben. Genießen wir deshalb in vollen Zügen – nachdem auch die Lokführer nicht mehr streiken – den letzten „cannabisfreien“ (Oster)Sonntag. Dies gilt vor allem auch unseren Polizistinnen und Polizisten, die das Experiment mit lebendigen Körpern an erster Stelle ausbaden dürfen. Dazu die fehlende Sommerzeit-Stunde – das sich jährlich wiederholende „Drama“ der Zeitumstellung in der Europäischen Union, hier von SWR3 gekonnt erinnert – einfach geschenkt!
3. Spitz-findig-keit
Die NZZ vom 27.3.2024 beschäftigt sich nicht zufällig mit dem sagenumwobenen Gold-Oster-Hasen von Lindt & Sprüngli. „Seit dreissig Jahren ist er beim Schokoladenhersteller Lindt nicht mehr wegzudenken: Jedes Jahr zu Ostern wird der goldene Hase mit dem roten Halsbändchen und einem Glöckchen daran verkauft. Hinter dem Erfolg stecken eine gigantische Marketingmaschine – und ein Märchen, wie es die Brüder Grimm nicht besser hätten erzählen können.“
Es geht so: „Die Tochter eines Lindt-Maître-Chocolatier entdeckte an einem Frühlingsmorgen im März einen Hasen im langen Gras. Aufgeregt fragte sie, ob sie nach draussen gehen könne, um mit dem Tierchen zu spielen. Ihr Vater stimmte zu, doch als sie zur Tür rannte, verschwand der Hase blitzschnell im Gebüsch. Noch Tage später war das Mädchen untröstlich. Zutiefst berührt davon, wie traurig seine Tochter war, liess sich der Vater eine glänzende Idee einfallen. Er beschloss, einen Hasen aus feinster Milchschokolade anzufertigen. Er verpackte ihn in Goldpapier und hängte ihm ein goldenes Glöckchen an einem roten Band um den Hals, damit ihn seine Tochter immer finden würde.“
Eine Erfolgsgeschichte
Das steckt dahinter: „Die Geschichte des Goldhasen beginnt 1952. Allerdings nicht in der Schweiz, sondern in Aachen in Deutschland. Lindt & Sprüngli stellt dort seit siebzig Jahren die goldenen Osterhasen her. … Er wird vierzig Jahre nur in Deutschland verkauft und hoppelt erst 1994 in die Schweizer Supermärkte. Und von dort aus weiter in die weite Welt.“ Dennis Hoffmeyer hebt in seinem NZZ-Artikel, flankiert durch ein kurzes YouTube-Video, die Rolle hervor, die der Tennisprofi Roger Federer 2009 als Markenbotschafter bei der Vermarktung zur „Goldgrube“ übernommen hat.
Mit den Auswirkungen auf den „Geldbeutel“ beschäftigt sich intensiv faz-net vom 28.3.2024 (hinter Schranke). Sie hält fest, dass der Preis zahlreicher Schokoladenprodukte deutlich stärker gestiegen ist als die Inflation. „Mit einem Regalpreis von 1,20 Euro waren die No-Name-Schokohasen Mitte März zwar immer noch deutlich günstiger als etwa der Lindt-Schokohase … . Dennoch fiel der Preisanstieg im Vergleich zum Vorjahr in Höhe von 20 Prozent deutlich höher aus als bei Lindt … und Ferrero.“
Unsere drei goldigen Hasen sind aus 2010, 2016, 2018 und damit 14, 8 und 6 Jahre alt. Sie glänzen weiterhin, verlieren kaum an Substanz, weil sie niemand mehr verkostet. Der Jüngste kostete 1,79 €, in 2024 sind dafür stolze 3,79 € zu berappen.
Und hier geht es direkt weiter zum Schaugeschäft.
#PreppoKompakt
Frohe Ostern und viel Glück wünscht Preppo! Vielleicht mit einem Los der Deutschen Fernsehlotterie.
Eine Antwort
Folgen wir der Erkenntnis des englischen Philosophen Sir Francis Bacon, der über das „Glück“ angeblich sagte: „Das Glück gleicht dem Markte, wo oft, wenn man warten kann, die Preise fallen“. Dann können die Deutschen, gemessen am Preisanstieg für den „Gold-Osterhasen“ im Glücksindex nur als „Verlierer“ erscheinen……