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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute springen wir lieber von einem außergewöhnlichen Literaten zur Ordnung des Himmels und landen über vielerlei Wolken krachend bei der schon mehrfach bemühten Chronik des Irrsinns.
1. Spitz-findig-keit
Franz Kafkas hundertstem Todestag widmete faz-net am 3.6.2024 einen Beitrag, zudem noch eine umfängliche Übersichtsseite. Wie überhaupt der Anlass selbst, auch schon im Vorfeld, eine beachtliche Resonanz ausgelöst hat. So hat am 23.3.2024 DerStandard das biographische Buch von Rüdiger Safranski „Kafka: Um sein Leben schreiben„* (Carl Hanser Verlag, München 2024, 256 Seiten, 26 €) rezensiert.
Aus dem eigenen Kafka-Fundus trage ich das kleine Reclam-Bändchen „Die Verwandlung“, gelesen 1982, seine Tagebücher 1910-1923 aus dem Fischer Verlag, Ausgabe 1980, und von Klaus Wagenbach „Franz Kafka – Bilder aus seinem Leben“ (Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1983, 192 Seiten) zusammen. Und etwas neueren Datums das 2011 erschienene Buch von Michael Kumpfmüller „Die Herrlichkeit des Lebens„* (Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011; Lizenzauflage Fischer, Frankfurt am Main 2013, 240 Seiten, 13 €) das sehr eindrücklich in seinen drei Teilen „kommen – bleiben – gehen“ auch die finale Wegstrecke Kafkas schildert, die ihm die Geliebte seines letzten Lebensjahres, Dora Diamant, nicht unwesentlich erleichtert hat. Denn unter dem Strich hatte der am 3. Juli 1883 in Prag – „Wie Böhmen noch bei Öst’reich war“ – Geborene, ein relativ kurzes, streckenweise qualvolles Leben. Es endete im 12 km von Wien entfernten Kierling am 3. Juni 1924.
Als Zufallsfund für alle Fans die Internetseite von Thomas Aussem, der sich im Kafka-Jahr intensiv mit ihm beschäftigt, einschließlich aktueller Veranstaltungshinweise.
2. Spitz-findig-keit
Die NZZ vom 4.6.2024 beschreibt die Ordnung am Himmel und was Wolken erzählen. Diese „… bestehen aus Wassertröpfchen oder Eiskristallen, die in der Luft schweben. Nur ein paar hundertstel Millimeter sind sie gross.“ Der britische Pharmakologe Luke Howard hat zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Wolken klassifiziert und mit lateinischen Bezeichnungen versehen (angelehnt an das System des schwedischen Naturforschers Carl von Linné, der damit Pflanzen und Tiere voneinander unterschied). In den Grundzügen hat es bis heute Bestand. Während Fachleute Dutzende von Wolkentypen kennen, reicht es für den Allgemeingebrauch aus, fünf Wolken identifizieren zu können.
Die Schönwetterwolke: Cumulus
„Ist Luft wärmer als die Luft in ihrer Umgebung, steigt sie auf. Sie kühlt sich dabei so stark ab, dass der Wasserdampf kondensiert – es bilden sich Cumuluswolken. Das passiert wegen der hoch stehenden Sonne im Frühling und im Sommer besonders häufig. Der Cumulus schwebt in der Regel 500 bis 2000 Meter über dem Erdboden und hat eine nahezu waagerechte Unterseite.“
Federn und Fasern in der Höhe: Cirrus
„Anders als die Cumuluswolke besteht der Cirrus nicht aus Wassertröpfchen, sondern aus Eiskristallen. Er schwebt in Höhen zwischen 6 und 13 Kilometern. Seine Formenvielfalt ist überaus gross: Cirren gibt es als Federn, Haken und Netze, als durchscheinende Schichten oder als seltsam verdrehte Faserbündel.
Cirren bilden sich bei vielen verschiedenen Wetterlagen. Nicht immer lässt sich an dem Auftreten dieser Wolke etwas Bestimmtes ablesen. Doch wenn sich Cirruswolken am Himmel merklich verdichten, ist das ein starkes Indiz dafür, dass das Wetter umschlagen wird.“
Föhnfische: Altocumulus lenticularis
„Cumuluswolken bilden sich nah über dem Erdboden, Cirren hingegen in grosser Höhe. Aber selbstverständlich gibt es auch Wolken in den mittleren Luftschichten. Den Altocumulus zum Beispiel, wörtlich übersetzt der ‚hohe Haufen‘. Hoch bedeutet in dem Fall: 2500 bis 5000 Meter über dem Erdboden. Altocumulus lenticularis, der ‚linsenförmige hohe Haufen‘, ist eine Spezialform dieses Wolkentyps.“ Sie entsteht bei Föhnwind.
Gewittervorboten: die Castellanus-Wolken
„An einem Frühlings- oder Sommertag, an dem es später ein Gewitter geben wird, lässt sich oft schon am frühen Morgen ein Vorzeichen am Himmel erkennen: Cirrus- oder Altocumuluswolken quellen auf. Sie bilden eine Art Zinnen, die so ähnlich aussehen wie bei einer Burg (lateinisch ‚castellum‘). Dieser Wolkentyp heisst darum Cirrus castellanus oder Altocumulus castellanus.
Dass an Gewittertagen morgens die mittelhohen bis hohen Wolken auftreiben, liegt daran, dass die Atmosphäre zu diesem Zeitpunkt eine spezielle meteorologische Eigenschaft hat. Sie ist ‚labil geschichtet‘. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Temperatur mit der Höhe stark abnimmt. Das Aufsteigen warmer Luft wird darum kaum gebremst. So wächst ein Cumulus immer weiter, und im Laufe des Tages können sich leicht Gewitter bilden.“
Die Gewitterwolke: Cumulonimbus
„Dass Blitz und Donner zum Sommerwetter dazugehören, ist einem Wolkentyp zu verdanken, der die grösste vertikale Erstreckung von allen besitzt. Der Cumulonimbus füllt die gesamte Troposphäre aus, also das unterste Stockwerk der Atmosphäre. Sein Anblick kann ein geradezu majestätischer sein. Das Wort Cumulonimbus ist zusammengesetzt aus Cumulus und Nimbus – Letzteres steht für ‚dunkle Wolke‘.“
„Wer sich eingehender über die Vielfalt der Wolken informieren möchte, kann einen Blick in den International Cloud Atlas der Weltmeteorologieorganisation werfen. Dieses Werk unterscheidet zehn Wolkengattungen, von denen es jeweils mehrere Arten und Unterarten gibt.“ So die NZZ am Ende des informativen, ansprechend gestalteten und bebilderten Artikels.
3. Spitz-findig-keit
Die Chronik des Irrsinns vom Mai von Claudio Casula auf der Achse des Guten am 1.6.2024 mit 66 Fällen und 73 Kommentaren. Lesen, staunen, kopfschütteln, lachen, aber auf keinen Fall unterkriegen lassen.
Spitzenreiterin ist mit sechs Erwähnungen (Nr. 7, 9, 19, 30, 38 und 50) unangefochten unsere famose grüne Spitzenpolitikerin Annalena Baerbock. Dabei geht es unter anderem um horrende Kosten für ihren Visagisten und Friseur und wie sie sich gegen die Bezeichnung „dümmste Außenministerin der Welt“ zur Wehr setzt.
Lustiger Leser-Kommentar von Peter Wachter in Anspielung auf den (auch in der #168 beschriebenen) Sylter Vorfall an Pfingsten. „Achtung Fake-News: Es stimmt nicht das in Köln auf der Kö, vermummte Gestalten, zu einem berüchtigten Lied, folgendes gesungen hätten: Ausländer rein und Rheinländer raus! Das wird niemals geschehen? Oder doch, inzwischen ist ALLES möglich!“ Mann/Frau kann sich vorstellen, wie das die Volksseele zum Kochen brächte. Bei den Düsseldorfern nach dem Verlust der Kö ganz besonders.
Widmung
Für Hans Pfarr, der am 17. Mai nicht ganz achtundachtzigjährig verstorben ist, fand vor zwei Tagen unter großer Anteilnahme eine würdige Trauerfeier statt (der Zollern Alb Kurier berichtete darüber). Ge- und berühmt für sein großes Herz und seinen nimmermüden Einsatz für die gute Sache, dem rotarischen End Polio Now. Er hat zudem als Oberhaupt der 1975 gegründeten Stadt Albstadt von Beginn an Geschichte geschrieben. Vielfältiger Kultur-, breiter Bildungs- und starker Wirtschaftsstandort, hierfür hat er mit Weitsicht die Weichen gestellt. Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich einer seiner Nachfolger im Amt werden und „sein Werk“ fortführen durfte. Ihm sind heute die Spitzfindigkeiten posthum gewidmet.
Und hier geht es wienerisch angehaucht weiter.
#PreppoKompakt
Im Wolkenkuckucksheim ist sehr viel Platz für das Spitzenpersonal unserer Ampelkoalition. Karl Kraus, ein Zeitgenosse Kafkas mit ähnlicher Herkunft, der mit extrem spitzer Zunge über drei Jahrzehnte lang „Die Fackel“ hochhielt, grüßt herzlich aus der Vergangenheit. In drei Tagen übrigens jährt sich dessen Todestag zum achtundachtzigsten Mal.
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