Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer neuen Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ werden wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen zitieren, dabei auch klassische Denkerinnen und Denker nicht verschonen.
Um Denkanstösse zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Wir beschäftigen uns gemeinsam heute lieber zu zwei Dritteln mit einer langen, langen Leitung – und das gleich im mehrfachen Sinne. Kommen einem 16 Jahre Kanzlerschaft der Pastorentochter schon ewig lang vor, dann stellt die ein Papst locker in den Schatten. Von dessen Lei(s)tungen ganz zu schweigen, natürlich begünstigt, weil er mit Hilfe des Heiligen Geistes kein Glasfaser brauchte.
1. Spitz-findig-keit
Erneut verpasst uns der bekannte Nachhaltigkeitsökonom Helmut Federmann dazu einen veritablen Denkanstoss.
„Man schrieb das Jahr des Herrn 1981, da verabschiedete das Bundeskabinett unter Kanzler Helmut Schmidt seine Strategie für einen flächendeckenden Aufbau eines Glasfasernetzes in der Bundesrepublik. Zieldatum: 2015. Heute, 40 Jahre nach dem Ausbaubeschluss, macht Glasfaser fünf Prozent der deutschen Breitbandverbindungen aus. Das offizielle Ziel der Bundesregierung lautet nun: Glasfaser flächendeckend bis 2025. Vorsichtige Gemüter mahnen, das könne ebenfalls ein bisschen knapp werden.“
Handelsblatt.com vom 9.7.2021 (hinter Schranke) titelt zum Thema digitale Infrastruktur: „Das Glasfaser-Desaster: Wie schlechte Politik und träge Firmen Deutschlands digitale Zukunft gefährden. Seit sagenhaften 40 Jahren plant die Politik vergeblich ein flächendeckendes Netz. Dabei stehen längst genug private Investoren bereit, um das Problem endlich zu lösen.“ Und belegt unsere Rückständigkeit mit OECD-Länderdaten aus 2020: Gold, Silber und Bronze gehen an Südkorea, Japan und Litauen mit Anteilen von Glasfaser bei Breitbandverbindungen von 84 bis 76 Prozent. Der OECD-Durchschnitt ist 29 Prozent und Deutschland liegt abgeschlagen an 35. Stelle mit genannten fünf Prozent.
„Inzwischen – nach 40 Jahren Bummelei, politischer Verschnarchtheit, Ignoranz, Traumtänzerei, lautem Wehklagen über die inzwischen uneinholbaren Vorteile der chinesischen und amerikanischen digital basierten Geschäftsmodelle, denen man verzweifelt versucht, hinterher zu hecheln – heißt es gemach, gemach und zuerst einmal die ‚Grundlage für Besteuerung digitaler Wertschöpfung schaffen‘ und ‚Ziel 2030: modernste digitale Infrastruktur‘.“ So die relevanten Vorgaben im Zehn-Punkte-Plan von Armin Laschet und Jens Spahn (über den die FAZ am 3.1.2021 berichtet hat).
„Ja, wenn keine ‚digitale Wertschöpfung‘ generiert werden kann, mangels ausreichender digitaler Infrastruktur und florierenden Geschäftsmodellen, was soll dann bitteschön besteuert werden?“ Fragt sich und andere ganz zu recht Helmut Federmann.
2. Spitz-findig-keit
Und weil wir gerade zurück in den 1980ern waren: „Die Grünen sind damals unter ihrem Spitzentaxifahrer und Weltaußenpolitiker Joschka Fischer ans Regieren gekommen, weil sie sich so weit entwickelt, zum Teil auch nur in Szene gesetzt haben, endlich auch an den Erwachsenen-Tisch gelassen zu werden.“ So Michael W. Alberts im Beitrag „Grüne ‚Herausforderung‘: Kinder an die Macht“ auf Tichys Einblick vom 12.7.2021.
Der Kommentar von StefanB dazu:
„Das lässt sich auch von der anderen Seite her denken: Die etablierte Politik hatte sich aufgrund Wohlstandsverwahrlosung und daraus folgender, beginnender Infantilität bereits auf den mentalen Weg zu den Grünen aufgemacht. Realistisch gesehen sind beide aufeinander zugegangen. Die Tendenz ging aber auch für die etablierten Parteien in Richtung ‚kindlich-naiv‘. Und das ist im Zuge des Generationenwechsels hin zur bestgepamperten ‚Generation Annalena‘, die man in weiten Teilen auch ‚Generation Selbstüberschätzung’* nennen kann, auch nur konsequent. *Früher hätte man dazu gesagt: große Fresse, nichts dahinter.“
Das Sternchen vergessen wir ganz schnell wieder, denn auch Joschka Fischer konnte ganz schön austeilen, nicht nur verbal.
3. Spitz-findig-keit
Über Papst Pius IX, der vor exakt 151 Jahren am 18.7.1870 auf dem ersten Vatikanischen Konzil das Unfehlbarkeitspostulat durchgesetzt hat: „Der letzte Papst-König auf dem Stuhl Petri, von seinen glühenden Verehrern Vizegott genannt, sowohl launenhaft, unberechenbar und theologisch unbedarft wie auch fromm, selbstlos und charmant, trieb die Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit forsch voran. Dabei zog er alle Register. … Vom griechisch-melkitischen Patriarch Jussef verlangte Pius IX. nicht nur die übliche Siegergeste des Fusskusses. Der Papst setzte dem achtzigjährigen Würdenträger gar seinen eigenen Fuss auf den Kopf.“ Genauso beschrieben in der NZZ vom 16.7.2020.
Ausführlich geht der Kirchenhistoriker Prof. Hubert Wolf von der Universität Münster auf den von 1846 bis 1878 und damit am längsten amtierenden Papst der Geschichte ein. In „Der Unfehlbare. Pius IX. und die Erfindung des Katholizismus im 19. Jahrhundert. C.H. Beck, München 2020″* gewährt er uns auch Blicke hinter die Kulissen des Vatikans.
Und hier geht es weiter.
#PreppoKompakt
Der gewagte Vergleich von Papst Pius IX mit Bundeskanzerlin Angela Merkel ist eine echte Spitz-findig-keit: Sie regiert nur rund die Hälfte der Zeit und ist im Gegensatz zu Pius vor allem auch fehlbar. Fehlende Glasfaserleitungen zum Beispiel. Gestern wurde sie 67 Jahre alt, deshalb lassen wir es dabei bewenden.
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