Spitz-findig-keit #172

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute geht es dafür ganz einfach ums echte Sterben, Leben und Lieben.

1. Spitz-findig-keit

Als mir ein alter Kollege und Freund aus Passauer Zeiten im Februar von einem Vortrag erzählte, den er in Schwäbisch Gmünd halten würde, bot es sich an, das langersehnte Wiedersehen mit einem Besuch der dortigen Verwandtschaft mütterlicherseits zu verbinden. Sowohl meine Patentante Friedel, als auch der Cousin meiner Mutter, Hermann, hatten lange Zeit in der Region gelebt und gearbeitet und sind dort verstorben. Hermanns Frau Ingrid brachte mir Wißgoldingen näher, wozu natürlich auch ein kurzer Friedhofsbesuch gehörte.

2. Spitz-findig-keit

Der Vortrag selbst fand in Schwäbisch Gmünd im Kloster der Franziskanerinnen der ewigen Anbetung statt und trug den Titel „Assistierter Suizid? Warum wir eine solidarische Gesellschaft brauchen.“

Es war ein sogenannter Dialogvortrag, gehalten von meinem Freund Andreas Heller und seinem kongenialen Partner Reimer Gronemeyer (in voller Länge – 1 Stunde 45 Minuten – auf der Seite der Franziskanerinnen mitzuerleben).

Zentrale Aussagen

Das Leben und die Kostbarkeit des Lebens als Geschenk Gottes begreifen (ab 25:00). Latente Gefahr, dass der assistierte Suizid zur Lösung des gravierenden Problems der Pflegekräfteknappheit einschließlich der Finanzierungsprobleme missbraucht und das Solidaritätsprinzip schleichend aufgelöst wird (ab 43:00). Ein Motiv, das viele Menschen mit Suizidgedanken haben, ist die Einsamkeit, ja unsere Gesellschaft produziert regelrecht Einsamkeit (ab 1:04:55). Der Nationale Ethikrat befasst sich im Sommer auf einer Klausur damit, was dagegen getan werden kann. Eine Möglichkeit ist, durch Selbstöffnung die eigene Einsamkeit zu überwinden, der Beginn einer sorgenden Gesellschaft/Stadtgesellschaft (bis 1:09:00).

Ein paar Punkte aus der Diskussionsrunde (ab 1:13:00): eine Wunde, die sich nicht schließen, ein Leiden, das sich nicht abstellen lässt. Wir müssen aushalten, dass es Leiden gibt, es ist eine Ausprägung menschlichen Lebens, wie auch das Mitleiden. Die Kernidee der Gastfreundschaft wird im Hospitz umgesetzt, schlecht nur, wenn diese für den/mit dem assistierten Suizid werben, weil kontrafaktisch zur Idee. Zudem sind angesichts von rund 10.000 plus immerhin schon 1.000 assistierten Suiziden im Jahr, die psycho-sozialen Folgen nicht aufzufangen. In der Suizid-Forschung wird davon ausgegangen, dass bei einem Suizid 60 Personen/Angehörige und Zugehörige zurückbleiben/betroffen sind. Es verbleibt auf absehbare Zeit wohl dieser offene Raum, nachdem durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 der assistierte Suizid in Deutschland straffrei gestellt wurde. Die Diskussion sollte deshalb gesellschaftsweit – in der Familie, Vereinen, in Trägerorganisationen für die Hospitz- und Palliativarbeit – intensivst geführt werden.

Schönblick

Das Hotel Schönblick in Schwäbisch Gmünd, nach den Franziskanerinnen ebenfalls eine christlich-geprägte Einrichtung. Hier konnte ich trotz des zuvor erörterten ernsten Themas und dem anschließenden intensiven Gespräch unter Freunden, sehr gut meine wohlverdiente Nachtruhe finden.

3. Spitz-findig-keit

„Ich wünsch Dir Liebe ohne Leiden“, ein kleines, ergreifendes Lied aus dem Jahre 1984. Udo Jürgens mit Jenny, der fünfzigjährige Vater und die siebzehnjährige Tochter singen es gemeinsam (auf YouTube, 3 1/2 Minuten lang). Auch vierzig Jahre später entfaltet es, wie diverse Kommentare belegen, eine ungeheuere Wirkung.

Widmung

Meinem verehrten Lehrer, Karl Heinz Döbereiner, gewidmet, der heute bei guter Gesundheit mit seiner Frau im Kreise der Familie den 91. Geburtstag feiern kann.

Und hier geht es gezielt weiter.

#PreppoKompakt

Liebe ohne Leiden, ebenso wie Leben ohne Leiden, ein „frommer“ Wunsch, insbesondere auf lange Sicht. Die sorgende/solidarische Gesellschaft bildet ein Gegengewicht.

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