Spitz-findig-keit #173

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute greifen wir dafür noch einmal das Thema Cannabis auf – wie bereits in der #162 -, betrachten einen bizarren Vorfall im Linzer Dom und sehen, was selbstverschuldete Sparzwänge anrichten können. Außerdem brechen wir für den nach Walter Wallmann zweiten Bundesumweltminister Klaus Töpfer zum Abschied eine Lanze.

1. Spitz-findig-keit

Auf Faz-net vom 30.6.2024 (hinter Schranke) äußern sich drei Experten kritisch zur mit dem 1. Juli erfolgten Cannabis-Teilfreigabe. Ab diesem Zeitpunkt können Cannabis-Anbauvereinigungen mit jeweils bis zu 500 Mitgliedern ihre Arbeit beginnen. Laut den Drogenexperten Michael Sauerwein, Caritas-Suchtberatung, und Edwin Piperek, Suchthilfezentrum Wiesbaden, sei vieles schwierig abschätzbar. „Sie rechnen aber mit mehr ‚kiffenden‘ Jugendlichen und widersprachen dem Mythos, dass Cannabis nicht zu einer Abhängigkeit führe. Zudem ebne Cannabis ebenso wie Alkohol und Tabak den Einstieg in ‚Rauschwelten‘.“ Die im April in Kraft getretene Teillegalisierung führe auch zu einer Bagatellisierung des Risikos. Und weil „… Cannabis mit Tabak gemischt geraucht werde, seien zudem dieselben Langzeitschäden wie beim Rauchen zu befürchten, darüber hinaus aber auch akute und chronische Psychosen.“

Der Alzeyer Mediziner Christoph Gerth „… warnte vor allem davor, Cannabis vor dem Alter von 25 Jahren zu konsumieren, weil die Gehirnentwicklung erst dann abgeschlossen sei. Zwischen dem zehnten und dem 25. Lebensjahr sei das Gehirn noch in der Pubertät.“ Schon ein einmaliger Cannabis-Konsum könne dort eine Störung auslösen. Die Folgen könnten Depressionen und ein Hang zur Selbsttötung sein. Mit der Legalisierung werde die Zahl der diagnostizierten Psychosen deutlich steigen. Diese gesundheitlichen Auswirkungen seien im Vorfeld der Gesetzesänderung kaum diskutiert worden. Dabei „… sei das Risiko vermehrter Psychosen eindeutig belegt. Studien dazu reichten sogar bis ins Jahr 1845 zurück. Auch deshalb hatten Kinder- und Jugendärzte sowie Psychiater vor der Teillegalisierung gewarnt.“

2. Spitz-findig-keit

DerStandard vom 4.7.2024 vermeldet einen bizarren Vorfall aus Linz. „Anfang der Woche wurde im Linzer Mariendom die Statue einer gebärenden Maria geköpft. Die Ermittlungen laufen.“

Die Künstlerin Esther Strauß verlautbart dazu: „Mich beschäftigt im Moment, dass sich da jemand entschieden hat, auf eine sehr brutale Art und Weise mit dieser Skulptur umzugehen. Darüber denke ich nach, und ich glaube, es ist kein Zufall, dass das einer Skulptur passiert, die eine Frau darstellt. Sie hat ja einen Heiligenschein getragen, und es wäre durchaus eine Möglichkeit gewesen, als Intervention diesen Heiligenschein zu entfernen. Jemand hat aber eine Säge in den Dom mitgebracht und Maria enthauptet, den Kopf mit- und ihr auf diese Art das Gesicht genommen. Auf einer symbolischen Ebene ist das für mich ein Ausdruck einer hohen patriarchalen Gewaltbereitschaft, von der wir ja wissen, dass es sie gibt. Dafür spricht auch die hohe Femizidrate in Österreich.“

Dazu tobt – wohl zurecht – unter der Leserschaft eine wilde Diskussion mit 1131 Postings und Antworten, natürlich auch echt wienerischem Schmäh.

3. Spitz-findig-keit

Apropos Lesen, Literatur und Rundfunk – in der NZZ vom 4.7.2024 sieht Paul Jandl so richtig schwarz.

„Die Angestellten des öffentlichrechtlichen Rundfunks in Deutschland haben sich über Jahrzehnte ein luxuriöses Leben gegönnt. Noch auf lange Zeit werden andere den Schaden bezahlen müssen. Mit an der Spitze steht der SWR. Finanziell ist er im freien Fall. Allein zwischen 2013 und 2022 hat sich das Eigenkapital des Senders von einem Plus von 346 Millionen Euro in ein Minus von 233 Millionen verwandelt. Schuld daran sind üppige SWR-typische Sonderpensionsvereinbarungen. In den nächsten Jahren werden die finanziellen Belastungen weiter ansteigen. Für das Jahr 2028 prognostiziert der Rechnungshof jährliche Kosten von 112 Millionen Euro, die der Sender allein für seine pensionierten Mitarbeiter bezahlen muss. Zusätzlich zu deren staatlicher Rente.“

Sparen ist angesagt

Man muss und will tatsächlich sparen, beispielsweise bei der Kultur. So stellt der SWR in 2025 die Sendung „Lesenswert“ mit Denis Scheck ein, ebenso das „Lesenswert Quartett“. „Über die unkritische Kumpanei von Scheck mit manchen Autoren kann man streiten, aber das Ende der beiden Sendungen ist ein weiterer Schlag gegen komplexere Inhalte im Fernsehen.“ Und gegen den amtlichen Bildungsauftrag.

Dabei steht der SWR mit seinem Kahlschlag in Sachen Literatur nicht alleine da. „Der NDR hat sein ‚Bücherjournal‘ gestrichen. WDR, Hessischer und Bayerischer Rundfunk haben nachgezogen und Wortlastiges aus dem Programm genommen. In Bayern sind die Einschnitte besonders drastisch ausgefallen. ‚Diwan – Das Büchermagazin‘ ist im Frühjahr verschwunden. Auch das ‚Nachtstudio‘ und das ‚Kulturjournal‘ gibt es nicht mehr.“

Ausnahmen

„Was die üppig finanzierte filmische Herz-und-Schmalz-Dauerwalze des öffentlichrechtlichen Fernsehens an Komplexität überragt, wird gestrichen. Bis auf ein paar Ausnahmen. Das ‚Literarische Quartett‘, in dem es eher um Eitelkeiten als um Bücher geht, existiert immer noch. Und Jahr für Jahr wundert man sich, wenn die ‚Tage der deutschsprachigen Literatur‘, auch Bachmann-Wettbewerb genannt, via 3 Sat ungekürzt und in vielen Sendestunden über den Bildschirm flimmern.“

Paul Jandl ist beim Wundern jedenfalls nicht alleine.

Widmung

In meinem Regal kürzlich wiedergefunden „gefragt: Klaus Töpfer“, von Wolfgang Wiedemeyer, ein kleines Buch aus dem Zirngibl-Verlag, erschienen 1988. Nun ist diese be- und gefragte Ausnahmepersönlichkeit am 8. Juni im Alter von 85 Jahren nach einem Oberschenkelhalsbruch in einer Münchener Klinik verstorben. Am 29. Juli 1938 in Waldenburg in Schlesien geboren, war ihm in seiner langen Berufslaufbahn als Professor für Landesplanung und Raumordnung sowie als Umweltminister auf der Landes- und Bundesebene die preußische Pflichterfüllung stets ein hohes Gut. Ja, „… Maßstab und im übertragenen Sinn die Handlungsgrundlage im politischen Alltag.“ (S. 36).

„Ein Politiker, der von den Dingen offenbar etwas versteht“, so bewertete ihn die Süddeutsche Zeitung (S. 70). Und obwohl er sich damals eine Zukunft ohne Kernenergie vorstellen konnte, sein klares Verdikt: „Wer ohne verfügbare Alternative aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie aussteigt, wird die weltweite Nutzung dieser Energiequelle nicht verhindern und wird aus der internationalen Risikopartnerschaft im Umgang mit dieser Technologie nicht aussteigen können.“ (S. 91).

Bin sehr stolz darauf, dass ich von 1987 bis 1994 im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) in Bonn für die „gute Sache“ unter Minister Töpfer arbeiten durfte. Stets ein kühler Kopf, besonnen und freundlich, ausdauernd, mit klarem Verstand und ausgezeichneter Rhetorik. Im Gedächtnis geblieben ist auch das Wiedersehen auf dem ICLEI Weltkongress in Edmonton in Kanada im Juni 2009. ICLEI – Local Governments for Sustainability – setzt sich als weltweiter Verband von Städten, Gemeinden und Landkreisen für den Umweltschutz und eine nachhaltige Entwicklung ein.

Und hier geht es gleich weiter zu einem Thema, das Klaus Töpfer bedauerlicherweise nicht zur Gänze ausreizen konnte.

#PreppoKompakt

Der traurigen Chronik des Irrsinns im Juni auf der Achse des Guten vom 1.7.2024 ist nichts hinzuzufügen. Außer, dass die beschriebenen, das politische Führungspersonal betreffenden Fälle, wie z.B. Nancy Faeser, Katrin Göring-Eckardt, Robert Habeck und natürlich Annalena Baerbock, verglichen mit der vorbildlichen Töpferschen Aufgaben- und Pflichterfüllung, noch stärker kontrastieren.

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