Spitz-findig-keit #187

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute beschäftigen wir uns dafür mit einem, nach dem Krieg in der Ukraine, weiteren Rückfall in düstere Zeiten, dem Vermächtnis von zwei Unternehmern, die wohl vorausahnten, dass sie einiges gutzumachen haben würden, sowie einem bekannten Denker mit gesundem Verstand und klarer Sprache aus dem 19. Jahrhundert.

1. Spitz-findig-keit

Blutiger Jahrestag am vergangenen Montag: Am 7. Oktober 2023 haben Hamas-Terroristen Israel überfallen, etwa 1200 Menschen getötet und mehr als 250 in den Gazastreifen verschleppt. Den anschliessenden Krieg führte Israel mit aller Härte, tausende Palästinenser wurden getötet, darunter viele Zivilisten. Bis heute dauert der Gaza-Krieg an.

Der NZZ-Chefredakteur Eric Gujer hat am 4.10.2024 die dadurch entstandene Situation sauber analysiert und messerscharf kommentiert. Er spricht von einem geopolitischen Umbruch: „Die Invasion am 7. Oktober und der sadistische Blutrausch enthemmter Palästinenser änderten alles. Die Hamas liess den Geist aus der Flasche, der ab 2006 gebändigt schien. Jetzt gilt wieder Auge um Auge, Zahn um Zahn oder, etwas weniger alttestamentarisch ausgedrückt: Die fatale Neigung ist zurückgekehrt, Probleme ein für alle Mal lösen zu wollen.“

Die zentrale Frage für Israel laute: „Wie soll man einen Gegner bekämpfen, der das humanitäre Völkerrecht ignoriert, der die Verachtung für diese Normen sogar zur Voraussetzung seiner Strategie gemacht hat? Die Hamas und der Hizbullah errichten ihre Stellungen in bebautem Gebiet und lenken das Feuer absichtlich auf Zivilisten. Die Islamisten bringen Menschenopfer.“

Das Feuer müsse erst ausbrennen, dann könne eine neue Ordnung für den Nahen Osten entstehen, wie dort üblich mit Waffengewalt. Die Warnungen vor einem Flächenbrand unter Einbezug Irans gingen ins Leere, denn diesen gebe es bereits. „Hätte Teheran damit Erfolg, wären Israel, die USA und die vielen arabischen Gegner der Mullahs die uneingeschränkten Verlierer. Sie können das nicht zulassen. Muss aber Iran einen Rückzieher machen, steht es in den Augen seiner Verbündeten geschwächt da.“ Deshalb, so Eric Gujer, könne und dürfe es nur einen Sieger geben.

2. Spitz-findig-keit

Alfred Nobel

Vom letzten Montag an wurden – laut Faz-Frühdenker gleichen Tags – die diesjährigen Nobelpreisträger verkündet. Es ging los mit der Kategorie Medizin, gefolgt von Physik, Chemie, Literatur und Frieden. Morgen gibt es dann noch den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften. „Alle Nobelpreise werden traditionell am 10. Dezember in Stockholm und Oslo überreicht. Dotiert sind sie mit elf Millionen schwedischen Kronen pro Preiskategorie – umgerechnet 970.000 Euro.“

Der Namensgeber und Preisstifter ist der Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896). „Er legte in seinem Testament fest, dass die Auszeichnungen an diejenigen gehen sollten, die der Menschheit den größten Nutzen gebracht hätten.“ Seit dem Jahr 1901 sind über 1.000 Nobelpreisträger gekürt worden, darunter rund 360 Einzelpreisträger. Ein Preis wird auch an zwei oder drei Personen sowie an Organisationen, wie beispielsweise ans Internationale Rote Kreuz bereits dreimal, verliehen. In den Jahren des I. und II. Weltkrieges, wie auch dazwischen, sowie in Zeiten des „Kalten Krieges“ – letzteres betraf nur den Friedenspreis – wurde die Vergabe insgesamt 49 mal ausgesetzt/unterlassen.

Alle Feinheiten und Statistiken – zum Alter, der Nationalität, dem Geschlecht der Preisträger und vieles, vieles mehr – sind (in Englisch) auf der Internetseite der Nobelpreis Organisation mit Sitz in Stockholm nachzulesen. Da erfährt man auch, dass der Friedenspreis in Oslo von einem dortigen Kommitee verliehen wird, weil zu Lebzeiten von Alfred Nobel Schweden und Norwegen in einer Union verbunden waren. Warum gerade der Friedenspreis, die anderen vier Preise dagegen in Stockholm, erschließt sich daraus nicht. Der jüngste, erst seit dem Jahr 1968 verliehene Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften steht außer Frage. Denn er wurde von der schwedischen Reichsbank zum Andenken an Alfred Nobel gestiftet.

Oskar Schindler

Am letzten Mittwoch wurde im Faz-Frühdenker an den 50. Todestag von Oskar Schindler (1908-1974) erinnert und dazu auf das Bundesarchiv in Koblenz verwiesen. Dort ist seine Geschichte ausführlich dokumentiert.

„Wie viele andere Unternehmer, die darauf hofften, nach dem Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands in Polen profitable Geschäfte zu machen, kam Oskar Schindler 1939 ins besetzte Krakau. Doch aus dem rücksichtslosen und erfolgreichen Geschäftsmann wurde ein Vorbild für Mut und Menschlichkeit. Gemeinsam mit seiner Frau Emilie rettete Oskar Schindler über 1.200 jüdischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern das Leben. Am 9. Oktober 1974 starb Schindler. Im Herbst 1999 wurde sein Nachlass auf einem Dachboden in Hildesheim entdeckt und fand den Weg zum Bundesarchiv und schließlich zur Gedenkstätte Yad Vashem in Israel.“

Mit „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg – siehe Wikipedia – aus dem Jahre 1993 wurde den Schindlers ein filmisches Denkmal gesetzt. „Mit einem Einspielergebnis von weltweit über 320 Millionen US-Dollar war der Film kommerziell sehr erfolgreich. Zu den zahlreichen Auszeichnungen und Würdigungen gehörten sieben Oscars und drei Golden Globe Awards. Der Film war ein internationales Medienereignis, das zahlreiche kontroverse Debatten anstieß.“

3. Spitz-findig-keit

Wer hat es gesagt?

„In allem und bei allem genießt er zunächst nur sich selbst: Dies gilt schon von den physischen; wieviel mehr von den geistigen Genüssen. Daher ist das Englische to enjoy oneself ein sehr treffender Ausdruck, mit welchem man z. B. sagt he enjoys himself at Paris, also nicht ‚er genießt Paris‘, sondern ‚er genießt sich in Paris‘. … Was einer in sich ist und an sich selber hat; kurz die Persönlichkeit und deren Wert, ist das alleinige Unmittelbare zu seinem Glück und Wohlsein. … Demnach also sind die subjektiven Güter, wie ein edler Charakter, ein fähiger Kopf, ein glückliches Temperament, ein heiterer Sinn und ein wohlbeschaffener, völlig gesunder Leib, also überhaupt: ein gesunder Geist in einem gesunden Körper, zu unserm Glücke die ersten und wichtigsten; weshalb wir auf die Beförderung und Erhaltung derselben viel mehr bedacht sein wollten, als auf den Besitz äußerer Güter und äußerer Ehre.“

Natürlich Arthur Schopenhauer im Jahre 1850. Wir hatten ihn ganz zu Beginn in der Spitz-findig-keit #3 schon mal zur Heiterkeit des Sinnes, die durch nichts zu ersetzende menschliche Eigenschaft, bemüht (selbe Quelle, selbe Stelle).

Und hier geht es weiter.

#PreppoKompakt

Schauen wir in die Ukraine und in den Nahen Osten. Dann hätte gefühlt einiges dafür gesprochen, den diesjährigen Friedenspreis in der Schublade zu lassen. Aber die Vergabe an die japanische Organisation Nihon Hidankyo – eine Basisbewegung der Überlebenden der Atombomben-Abwürfe vom August 1945 in Hiroshima und Nagasaki, auch Hibakusha genannt, mit weltweiter Resonanz, die zu der Norm „nukleares Tabu“ geführt hat (hier nachzulesen) – ist letztendlich ein starkes Signal. Es beinhaltet eine dezente, unausgesprochene Warnung an Russland, Nordkorea und den Iran, diese weitere, wahrscheinlich letzte Eskalationsstufe nicht zu erwägen. Zudem motiviert die Verleihung viele Menschen, sich für den Frieden einzusetzen und diesbezügliche Anstrengungen zu intensivieren. Und sie nährt aktuell die Hoffnung, dass ein Friedensschluß möglich ist. Um eine atomwaffenfreie Welt ging es übrigens auch Dietrich Hahn (siehe #180) mit der Otto-Hahn-Friedensmedaille (siehe #57), wo auf der Rückseite steht. “All nations must decide voluntarily to refrain from violence as the last means of politics. If they are not prepared to do so, they will cease to exist.” (Alle Nationen müssen zu der Entscheidung kommen, freiwillig auf die Gewalt als letztes Mittel der Politik zu verzichten. Sind sie dazu nicht bereit, so werden sie aufhören, zu existieren.)

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