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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute geht es dafür verstärkt um Prozente. Zunächst um möglichst wenig Volumenprozent Alkohol im Getränk. Und dann um möglichst viele Prozentpunkte bei der anstehenden Bundestagswahl am 23. Februar.
1. Spitz-findig-keit
Was den Gehalt an Alkohol angeht, betreibt der SWR3 vom 23.1.2025 wichtige Aufklärungsarbeit. Denn alkoholfrei bedeutet nicht immer, wie Mann/Frau annehmen könnte, gänzlich ohne Alkohol.
„Als alkoholfrei werden Getränke und Lebensmittel bezeichnet, die gar keinen Alkohol enthalten oder aber deren Alkoholgehalt als gering angesehen wird. In diesen Fällen steht zwar ‚alkoholfrei‘ auf dem Etikett, auf der Rückseite der Flasche kann angegeben sein, dass das Produkt bis zu 0,5 Volumenprozent Alkohol enthalten kann.“ Und: „Die Bezeichnung ‚ohne Alkohol‘ darf ein Getränk nur tragen, wenn der Alkoholgehalt wirklich bei 0,0 Volumenprozent liegt.“
Wenn im halben Liter eines Getränks 0,5 Volumenprozent Alkohol sind, dann ergibt das immerhin noch 2 gr. Die gleiche Menge Pils oder Wein enthält 20 bzw. 48 gr. Alkohol. Dabei liegt ein riskanter Alkoholkonsum laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) vor, wenn die durchschnittliche tägliche Zufuhr an Alkohol bei Frauen mehr als 10 bis 12 gr. und bei Männern 20 bis 24 gr. beträgt. Im SWR3-Beitrag ist alles wunderbar erläutert und mit Rechenbeispielen versehen.
2. Spitz-findig-keit
Zur Bundestagswahl am 23. Februar mit den 29 Parteien wurde der Wahl-O-Mat letzten Donnerstag um 11 Uhr 30 gestartet. Seit 2002 bietet die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Bonn ihn an. Er wurde bis dato schon über 130 Millionen mal genutzt und ist zur festen (Informations-)Größe für Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen geworden. Im Vorfeld der letzten Bundestagswahl 2021 hatten wir den Wahl-O-Mat in der #26 ausführlich beschrieben.
Vorgehensweise
„In 38 Thesen können sich alle Wählerinnen und Wähler spielerisch über die Wahlprogramme der politischen Parteien informieren. Sie gleichen die eigenen Antworten mit denen der Parteien ab und der Wahl-O-Mat errechnet daraufhin den Grad der persönlichen Übereinstimmung mit den ausgewählten Parteien. Die Antworten und Begründungen der Parteien zu den Thesen stammen dabei ausschließlich von den Parteien selbst und sind das Ergebnis eines intensiven Redaktionsprozesses mit 36 Beteiligten – Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und politischer Bildung sowie jungen Wählerinnen und Wählern.“ So die Pressemitteilung der bpb vom 6.2.2025.
Der Präsident der bpb, Thomas Krüger, sieht im Wahl-O-Mat „… nicht zuletzt angesichts der vorgezogenen Neuwahlen … ein unverzichtbares Instrument zur politischen Orientierung. Mit seiner übersichtlichen und verständlichen Darstellung der Positionen der Parteien hilft er den Bürgerinnen und Bürgern, fundierte Informationen zu erhalten und mit anderen darüber ins Gespräch zu kommen.“ Schon 2021 hatte Krüger klargestellt, dass der Wahl-O-Mat keine Wahlempfehlung gibt, dafür umso mehr Lust mache, sich – so oft Mann/Frau mag, spielerisch, dabei absolut vertraulich – mit politischen Inhalten zu befassen.
„Also ran an den Automaten, munter geantwortet und gewichtet. Man fühlt sich hinterher aufgeräumter, weil aus einer reinen Bauchentscheidung eine abgewogene, vernünftige Entscheidung und auch der Spieltrieb ausgelebt werden kann. Im Idealfall verströmt dies Wohlbefinden pur“ – hatten wir schon 2021 postuliert.
Ergänzung zum Wahl-O-Mat
DerStandard berichtet am 8.2.2025 über zwei neuartige Programme, die versuchen vereinzelter Kritik am Wahl-O-Mat zu begegnen, wie die Themen würden nur verkürzt behandelt oder man sitze später nicht eingelösten Versprechungen der Parteien auf. So zählt der „Real-O-Mat“ Taten anstatt Worte und der KI-basierte „wahl.chat“ gibt auf individuelle Fragen mit Quellen belegbare Antworten. Die von einer Nicht-Regierungsorganisation in Wien bzw. von fünf Studentinnen und Studenten aus München und Cambridge ins Netz gestellten Programme, werden ausdrücklich nicht als Ersatz, sondern als sinnvolle Ergänzung zum Wahl-O-Mat eingeordnet.
3. Spitz-findig-keit
Verrückt, aber Demokratie pur, was sich am Mittwoch und Freitag letzter Woche in Berlin zugetragen hat. Die beiden Bundestagssitzungen zum Thema Migration waren in jeder Hinsicht spannend und lehrreich. Auch weil bei der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag und den Gesetzestext sich keiner/keine mehr verstecken konnte. Wodurch tiefe Einblicke in den gegenwärtigen Zustand der Fraktionen und Gruppen im Deutschen Bundestag möglich wurden.
Taktieren
Taktieren statt Problemlösung, dabei konnte man prima der SPD zusehen, während die Grünen wiederum durch ihre geballte Inkompetenz bestachen. Und auch die FDP überzeugte nicht im Abstimmungsverhalten beim Zustromsbegrenzungsgesetz – wie die Namensliste belegt und die NZZ vom 31.1.2025 (hinter Schranke) treffend festgehalten sowie über 1000 Kommentare dazu eingefahren hat: „Heute hat sich gezeigt, dass die Sozialdemokraten und die Grünen alles unternehmen, um ihre Macht so lange wie möglich zu behalten. Sie schrecken weder davor zurück, ein wichtiges Gesetz nicht zu verabschieden, noch davor, vollkommen unangemessene Vergleiche mit der deutschen Vergangenheit zu ziehen, noch davor, im Parlament polemisch zu werden, noch davor, den Willen einer starken Mehrheit im Volk zu ignorieren. … Unterstützt wurden die beiden linken Parteien dabei von zahlreichen Abweichlern bei der FDP und einigen bei der CDU, wie auch von Angela Merkel, die mittlerweile als wichtigste Wahlkämpferin des linken Lagers gelten darf.“
Außer Diensten
Der Parlamentarische Staatsekretär Michael Kellner (Grüne) aus dem Hause von Robert Habeck hatte das dicke Buch von Angela Merkel am Freitag demonstrativ auf die Regierungsbank gelegt. Das mag die Autorin im Parlamentsfernsehen gesehen und es als subtiles Lob (neben verbalem von Grün und Rot) für ihre von ihrem Büro veröffentlichte spitze Bemerkung gegen Friedrich Merz gedeutet haben. Berthold Kohler spricht in seinem Kommentar auf faz-net vom 3.2.2025 sogar vom Dolchstoß. Keine Legende, dabei eher eine Stichelei mit abgebrochenem Zahnstocher einer Kanzlerin a.D., die definitv zu lange im Amt war. Und der man als erste Handlung der neuen Regierung ihr total überbevölkertes Außer-Diensten-Büro zusammenstreichen sollte. So sehe ich es nicht erst seit dieser Woche – wie in #36 und #59 nachzulesen.
Gutes aus dem Frankenland
Lustiges Wortspiel vom Sonntagabend von einer guten Freundin aus dem Frankenland – so wie Markus Söder, der am Montag beim 37. Bundesparteitag der CDU in Berlin Seit an Seit mit Friedrich Merz in Wort und Bild eine sehr gute Figur gemacht hat (und wo übrigens Frau Merkel von keinem/keiner mit keinem Wort erwähnt, wohl auch nicht vermißt wurde). Was steckt in dem Wort Regierung nicht alles drin? Einfach mal die Buchstaben kräftig schütteln. Und es kommt – wenn man darauf kommt – „genug Irre“ oder alternativ „irre genug“ heraus!
Und hier geht es auch buchstäblich spitzfindig weiter.
#PreppoKompakt
Also den gesunden Menschenverstand und, falls es noch Unsicherheiten gibt, intensiv den Wahl-O-Mat nutzen. Um rechtzeitig per Briefwahl oder in zwei Wochen an der Urne vom Wahlrecht einen sinnvollen Gebrauch machen zu können. Damit die neue Regierung diese spaßige Deutung schnellstmöglich wieder abschütteln kann.