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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute reflektieren wir dafür lieber etwas den Wahlausgang von letzter Woche, bevor wir uns den österreichischen Nachbarn zuwenden.
1. Spitz-findig-keit
Die NZZ vom 28.2.2025 mit einem trefflichen Kommentar des Chefredakteurs Eric Gujer (hinter Schranke): „Die ratlose Grossmacht: Deutschlands Lebenslügen sind gerade geplatzt. Die Bundesrepublik wäre am liebsten eine grosse Schweiz: neutral, nett und harmlos. Doch in der neuen Weltunordnung funktioniert das nicht mehr. Gelingt Schwarz-Rot die Wende zur Realpolitik?“
Und er wirft die Frage auf, ob Deutschland willens sei, vom Trittbrett in den Fahrersitz zu wechseln? Das heißt, vom Mitläufer zum Verantwortungsträger, nicht nur in der Sicherheitspolitik, zu werden. „Das ist die neue deutsche Frage. Sie wird das Schicksal des Kontinents bestimmen.“
Demokratische Mitte unter Druck
Die NZZ vom 25.02.2025 stellt zur „demokratischen Mitte“ in unserer Gesellschaft eine umfängliche Datenanalyse an. Derzufolge haben seit Ende des Zweiten Weltkriegs im Deutschen Bundestag Union, SPD, Grüne und FDP „… in unterschiedlichen Konstellationen regiert und die politische Landschaft dominiert.“
Waren während der „Großen Koalition“ (zur Geschichte – siehe Wikipedia) unter Angela Merkel noch Sonderregelungen notwendig, damit die Opposition überhaupt Untersuchungsausschüsse einsetzen konnte, so haben CDU/CSU und SPD aktuell nur eine Mehrheit, weil das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) um lediglich 13 435 Stimmen den Einzug in den Bundestag verpaßt hat. Diese „Schrumpfung“ erinnert übrigens an die Entwicklung der Kirchenmitglieder der beiden ehemals großen Konfessionen und deren räumliche Verteilung, wie in der #195 beschrieben.
Die Herausforderung
Die demokratische Mitte – lasst sie wieder wachsen, dünnt mit einer vernunftgeleiteten Politik für die Menschen die Ränder aus! Keine leichte Aufgabe, aber machbar.
Machen es uns die Österreicher vor? Sie haben rund ein halbes Jahr nach der Parlamentswahl – so die Tagesschau am 27.2.2025 – eine Dreierkoalition mit konservativer Volkspartei, Sozialdemokraten und liberalen Neos auf den Weg gebracht. Diese „Zuckerl“-Koalition hat sich auf ein 200-seitiges Arbeitsprogramm geeinigt. Soviel Zeit bleibt uns in Berlin nicht mehr und nach den Erfahrungen der kläglich gescheiterten Ampel mit dem 177-seitigen Koalitionsvertrag tun es auch viel weniger Seiten. Nur Taten zählen.
2. Spitz-findig-keit
Unter der Überschrift „Lustig Österreichisch“ ist im Infobrief des Vereins Deutsche Sprache (VDS) vom 28.2.2025 folgendes zu lesen:
„Auf X (vormals Twitter) zeigen sich Nutzer verdutzt über einen Beitrag von Nutzer Fabian Pimminger. Dieser lamentierte bei seinem letzten Einkauf im Supermarkt, dass ‚die Weckerl aus der Backbox ohne Sackerl aufs Kassa-Förderband gelegt‘ wurden. Der Österreicher meinte die Brötchen, welche ohne einen Beutel auf das Kassenband gelegt wurden. Deutsche Nutzer waren amüsiert von der Wortwahl, so auch Nutzerin Rachel. ‚Je länger ich diesen Tweet anschaue desto schlimmer wird es. Weckerl ok. Was für Backbox, wie kommt man auf Sackerl, was soll ein Kassa-Förderband sein?‘ Der ursprüngliche Beitrag hat fast 400.000 Aufrufe und sorgt bei vielen deutschsprachigen Nutzern für Lacher.“
Das nachfolgende Ereignis erreicht via Fernsehen, Radio, digitalen Plattformen und mittels Printmedien sogar ein Millionenpublikum in aller Welt.
3. Spitz-findig-keit
DerStandard vom 28.2.2025 zum traditionellen Opernball. Heuer die 67. Aus- oder Aufführung des Balls der Republik ganz im Zeichen von „Walzerkönig“ Johann Strauss (Sohn), der 2025 seinen 200. Geburtstag feiert. Mit rund 5100 Gästen, beginnend letzten Donnerstag um 22 Uhr: „Party, Pomp und Promis am Wiener Opernball 2025: Der Abend in Bildern“. Kostenlos dazu noch den Livebericht mit sage und schreibe 4595 Postings/Anmerkungen – auch wunderbaren Kommentaren mit echt Wiener Schmäh. Die gleiche Mischung zu Porträtbildern tags darauf zuhauf mit modischen Höhepunkten des Abends und der langen Nacht! Das schöne, die Staatsoper schließt erst um 5 Uhr die Türen (auf 3sat „Alles tanzt + Ankunft der Gäste“, in der ARD-Mediathek, 83 Minuten lang, bis zum 27.5.2025 zu bewundern).
Wer fehlte: der Ballbaumeister Richard Lugner, der immer für Presserummel gesorgt und seit 1992 regelmäßig weibliche Stargäste in seine Loge gezogen hat. Seine Witwe, Simone Lugner, hielt die Erinnerung an den im Sommer letzten Jahres verstorbenen Baulöwen, Spitzname Mörtel, wach.
Die Karte für den Abend/die Nacht kostete 395 €, inklusive 35 € Spende. Der unverstellbare Blick auf die Tanzfläche kann je nach Reihe 6 bis 1 mit Beträgen zwischen 80 und 220 € (inkl. 10 € Spende) sichergestellt werden. Plus Tischanteil zu je 230 €/Person sowie die Kosten für die ausgefuchste Kulinarik vom Speisen- und Getränkeservice, beispielsweise „Versaute Punschkrapferl“. Für die Logen mit 6 bis 12 Plätzen, davon 6 bis 10 Sitz-, der Rest Stehplätze, sind zudem zwischen 15.000 und 25.500 € zu bezahlen. Wobei die sogenannten Benefaktoren (diese spenden per annum 10.000 €) und Donatoren (spenden p.a. 30.000 €) hierbei ein „Vorkaufsrecht“ besitzen.
#PreppoKompakt
Nach dem Ball ist vor dem Ball: Bestellstart für den Wiener Opernball 2026 schon am 2. Juni 2025, 10 Uhr. Dabei bitte die Bekleidungsvorschriften nicht außer Acht lassen: großes, bodenlanges Abendkleid, die Dame und schwarzer Frack mit weißer Fliege oder Galauniform, der Herr.