Spitz-findig-keit #212

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute schauen wir dafür, was die Teillegalisierung von Cannabis gebracht hat, was uns die Kriminalstatistik sagen kann und erinnern zuguterletzt an Hildegard Knef. Seit Donnerstag ist über sie in den Kinos der Dokumentarfilm „Ich will alles“ zu sehen.

1. Spitz-findig-keit

Auf faz-net vom 28.3.2025 wird über die Teillegalisierung von Cannabis vor einem Jahr reflektiert. „Jetzt schlägt ein Psychiater Alarm: Die Zahl der Abhängigen nimmt zu, die Gefahren der Droge werden unterschätzt. Und der Schwarzmarkt blüht weiter.“ Bezug genommen wird auch auf eine neue Studie aus Kanada mit absolut erschreckenden Daten. Dort wurde Cannabis 2018 legalisiert und kommerzialisiert, wodurch die Zahl der Konsumenten gestiegen ist. „Daten aus Kanada zeigen, wer von Cannabis abhängig ist, hat ein rund dreifach erhöhtes Risiko, vorzeitig zu sterben, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Besonders junge Erwachsene zwischen 25 und 44 Jahren sind davon betroffen. … Eine aktuelle Übersichtsarbeit zeigt außerdem, dass Cannabis-Konsum nicht nur Psychosen auslösen kann, sondern bei Psychosen auch das Risiko für Gewalttaten signifikant erhöht.“

Der FAZ-Frühdenker vom 1.4.2025 wirft die Frage auf, was nun aus unserem Cannabis-Gesetz wird. Die abgewählte Ampelkoalition hatte sich dadurch gerade eine Eindämmung des Schwarzmarktes und eine Verbesserung des Jugendschutzes versprochen. „Während der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) die dadurch eingetretene ‚Entstigmatisierung‘ der Pflanze und ihrer Blüten lobt, sind viele Kritiker anderer Meinung.“ So fordert der Präsident der Bundesärztekammer die Cannabis-Legalisierung müsse aus medizinischer Perspektive zurückgenommen werden. „Gerade beim Kinder- und Jugendschutz seien die Vorgaben schwer umsetzbar.“ Und der Chef der Polizeigewerkschaft verweist auf eine Fülle an Regelungen, die der Polizei die Arbeit erschwerten.

Die „gute“ Nachricht

Die Achse des Guten vom 28.3.2025 mit der guten Nachricht zum Schluss: „Die Drogenkriminalität insgesamt sank um etwa ein Drittel. Allerdings lag das daran, dass Anbau und Besitz von Cannabis seit letztem Jahr legal sind und nicht mehr erfasst werden. Bei harten Drogen wie Kokain, Crack und LSD gab es dagegen einen Anstieg.“ In der Summe aber hat die Zahl der Rauschgiftdelikte um 60.000 abgenommen „… oder wurde heruntergerechnet“. So auf TE am 29.3.2025 festgehalten.

Die richtige gute Nachricht kann nur in der ersatzlosen Streichung dieses unsinnigen Gesetzes bestehen, so wie von uns mehrfach, zuletzt in der #196, gefordert. Hoffentlich schreibt sich dies die neue Bundesregierung dick hinter die Ohren/in den Koalitionsvertrag. Zumindest wurde das im Wahlkampf – so vom Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Thorsten Frei – verheißen, wie in der #202 festgehalten.

2. Spitz-findig-keit

Die NZZ vom 2.4.2025: „Die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2024 zeigt, dass die Zahl der registrierten Straftaten im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2023 um 1,7 Prozent auf rund 5,83 Millionen Fälle zurückging.“ Der Grund ist oben beschrieben. „Die Gewaltkriminalität nahm hingegen zu – um 1,5 Prozent.“ Für die noch geschäftsführend amtierende Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist „… insbesondere die Zunahme bei Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen besorgniserregend.“ Dabei stieg die Zahl der zu Gewalttaten ermittelten deutschen Tatverdächtigen um 0,7 %, bei den nicht deutschen Tatverdächtigen hingegen um 7,5 %. Auch sind Kinder – plus 11,3 % – und Jugendliche – plus 3,8 % – vermehrt als Gewalttäter aufgefallen.

Statistik des Versagens

Philip Eppelsheim schreibt auf faz-net am 2.4.2025 (hinter Schranke) von einer Statistik des Versagens: „In Deutschland verzeichnete die Polizei  im vergangenen Jahr mehr als 217.000 Gewaltdelikte. Das sind rund 600 jeden Tag: Messerangriffe, Vergewaltigungen, Tritte und Schläge. Es gibt mehr gewaltbereite Minderjährige, und die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen nimmt zu. Mehr als ein Drittel der Tatverdächtigen besitzt keine deutsche Staatsangehörigkeit.

Das alles komme nicht überraschend, sei auch keine neue Entwicklung, die Gründe schon seit vielen Jahren offensichtlich. „Die Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt nur das lange Versagen im Umgang mit der Gewalt im öffentlichen Raum. Dazu gehören das Verweigern einer ehrlichen Debatte und das klare Benennen der Gründe, wie etwa den Zusammenhang zwischen Gewalt, Migrationshintergrund und mangelnder Integration.“

Hang zur Verschleierung und Lüge

In der NZZ vom 3.4.2025 wird von der verbreiteten Neigung gesprochen, die Kriminalität von Ausländern zu relativieren. Als ein besonders plumpes Beispiel wird auf den Gastgeber der WDR-Talkshow „Hart, aber fair“, Louis Klamroth verwiesen. Dieser hatte – zur besten Sendezeit – bezüglich von Gruppenvergewaltigungen gemutmaßt „Das können Flüchtlinge sein, das können [sic] aber auch ein australischer Austauschstudent sein.“ Der WDR hat sich wenig später öffentlich davon distanziert. „Die Gruppenvergewaltigungen werden in der Regel von Deutschen oder von Ausländern aus dem Nahen und Mittleren Osten begangen. Australische Austauschstudenten haben damit nichts zu tun.“

Laut Jonas Hermann kennt der Hang zur Relativierung auf diesem Feld kaum Grenzen. Dieses Ablenkungsmanöver stehe „… exemplarisch für den Diskurs über kriminelle Ausländer in Deutschland. Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier bewusst verschleiert wird. Womöglich auch gelogen.“

3. Spitz-findig-keit

Im FAZ Frühdenker vom 3.4.2025 ist zu lesen: „Das Leben von Hildegard Knef (1925-2002) war überreich, an Höhe- wie Tiefpunkten. Sie war der erste deutsche Nachkriegs-Filmstar, sie brillierte als Sängerin, als Schauspielerin und als Autorin, sie provozierte mit freizügigen Auftritten vor der Kamera und mit mutigen Aussagen in der Öffentlichkeit. Der Dokumentarfilm ‚Ich will alles‚ … versucht diese Fülle auf anderthalb Stunden zu bannen.“

Ein fast aussichtsloses Unterfangen, was allein schon der Blick in die Chronologie ihres Lebens, auf der durch ihren letzten Ehemann, Paul von Schell, autorisierten Internetseite nahelegt. In sechs Abschnitten wird detailliert, dabei nicht zu lang, von ihrer Geburt am 28. Dezember 1925 in Ulm bis zu ihrem Tode am 1. Februar 2002 in Berlin alles beschrieben. Enthalten ist auch die komplette Übersicht aller Lieder, die Hildegard Knef auf Tonträgern veröffentlicht hat. Das sind 23 Original-Alben (inkl. 4 Live-Alben) und 320 einzelne Titel, wovon sie 130 selbst getextet hat.

Auf 3sat ist in der Kulturzeit seit 1.4.2025 (allerdings nur für drei Monate) eine Besprechung zum Dokumentarfilm zu sehen, die das, was „die Knef“ ausmacht, folgendermaßen auf den Punkt bringt: „Eine große Künstlerin, zweifelsohne, aber ein noch größerer Mensch, unerschrocken, unbestechlich, unzähmbar. Eine Frau mit Rückgrat, sie fehlt.“ Auf die Frage, was sie am meisten vermisst, antwortet die (einzige) Tochter von Hildegard Knef (mit David Cameron – Ehemann Nummer zwei), Christina Palastanga, deren „Humor“.

#PreppoKompakt

Fragt man sich oder in der Familie, schaffen es drei Lieder von Hildegard Knef ganz leicht zurück ins Gedächtnis: Für mich, soll’s rote Rosen regnen (1968), Ich brauch‘ Tapetenwechsel, sprach die Birke (1970) sowie Von nun an gings bergab (1980). Hier alle drei Lieder am Stück, Texte jeweils aus ihrer Feder, bei einem auf 3sat festgehaltenen Auftritt.

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