Spitz-findig-keit #216

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute sammeln wir stattdessen Eindrücke vom Ende eines „1000-jährigen Reiches“, dem Nationalsozialismus auf deutschem Boden, selbst mit einem Duzend Jahren bei weitem zu lang.

1. Spitz-findig-keit

Eine schaurig, schreckliche Geschichte vor 80 Jahren – gleichwohl wahr. Die letzten vier Tage im „Führerbunker“ von der NZZ am 26.4.2025 anhand von drei Frauen – Eva Braun, Hanna Reitsch und Magda Goebbels – dunkel ins Bild gesetzt und kursorisch knapp beschrieben (hinter Schranke).

Vom 28. April bis zum 1. Mai 1945, von der Heirat Eva Brauns mit Adolf Hitler, deren gemeinsamen Selbstmord mit Pille beziehungsweise Pistole, dem zwei Tage währenden Besuch der berühmten Versuchspilotin Reitsch unter der Berliner Erde, bis zur Ermordung der sechs, von zwei bis 12 Jahre alten Goebbelskinder.

Schlussakkord und -satz im Text von Linus Schöpfer: „Ihre Kinder hat sie töten lassen, gleich wird sie selber Zyankali nehmen. Dem letzten Telefonisten im Bunker zufolge setzte sich Magda Goebbels aber zuerst nochmals an den Tisch und legte nochmals eine Patience. Womit das irrste Regime der Geschichte sein letztes Blatt gespielt hätte, endlich.“

2. Spitz-findig-keit

Thomas Mann (1875-1955) schrieb heute vor 80 Jahren – weit weg von Berlin in Los Angeles/Pacific Palisades – in sein Tagebuch, entnommen wie üblich, zuletzt hier, dem „Buch der Tagebücher“ (S. 218, zur Person S. 643-644):

„Viel Zeitung gelesen und Time. Kapitulation in Dänemark. Es bleiben Oslo und Prag. Alles drängt sich zur Gefangennahme durch die Anglosachsen, um den Russen zu entgehen. Bei den Verhandlungen in Norwegen geht es um den ‚Schutz vor den Einwohnern‘. Wildeste Brutalität im Siege, Gewimmer und Appell an Generosität und Gesittung in der Niederlage. Nein, es ist kein großes Volk.“

3. Spitz-findig-keit

DerStandard rekonstruiert mit seiner Wissenschaftsredaktion in einem laufend fortzuschreibenden Bericht „in Echtzeit“ die letzten Kriegswochen bis zur Befreiung Österreichs von der NS-Herrschaft. Diese „… sind komplex, facettenreich und bisweilen widersprüchlich. Zugleich legen sie den Grundstein für die weitere Entwicklung Österreichs.“ Es beginnt am 29.3.2025 mit dem 29. März 1945. Zu jedem einzelnen Schritt gibt es Kommentare.

„Die Befreiung Österreichs von der NS-Diktatur erfolgt nicht aus eigener Kraft, sie wird mit Gewalt von außen erzwungen. Möglich wird sie nur durch den extrem verlustreichen Einsatz der Roten Armee, in der auch Millionen ukrainischer Soldaten kämpfen, sowie durch den Einsatz US-amerikanischer, britischer und französischer Soldaten. Als die Rote Armee Ende März in Richtung Wien vorrückt, hat allein die Sowjetunion in diesem Krieg bereits 17 Millionen Zivilisten und neun Millionen Soldaten verloren.“

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