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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute dreht sich dafür fast alles um ein rundes Ding aus Leder und seine ursprüngliche Faszination, die uns der Frauenfußball gegenwärtig wieder vor Augen führt. Zudem um Menschen, die sich sehr gut verstehen.
1. Spitz-findig-keit
Die FAZ mit ihrem Frühdenker, Newsletter für Deutschland, vom 21.7.2025 wußte es ganz früh.

Nur wer heute das Finale gewinnt, ließ sie noch offen. England oder wir? Nach dem Wunder von Bern 1954, das Wunder von Basel 2025? Und dann – aus der Traum!
Die NZZ vom 24.7.2025 mit einer versöhnlichen Analyse (hinter Schranke) des Halbfinalspiels vom letzten Mittwoch, das für Spanien mit 1:0 endete. „Manchmal geht einem Scheitern, das in seiner Tragik kaum zu greifen ist, ein ganz profaner Vorgang voraus. Einer, der in seiner Banalität überrascht, ja regelrecht verblüfft.“ In der zweiten Hälfte der Verlängerung, genau in der 113. Minute, verspekulierte sich die weltbeste Torhüterin Ann-Katrin Berger. „Als Aitana Bonmatí, Spaniens Weltfussballerin vom FC Barcelona, in den Strafraum eindrang, erwartete Berger offenbar eine Flanke, ihr Arm zeigte nach rechts, doch die Spanierin begriff, dass sich für den Bruchteil einer Sekunde eine Lücke zwischen der Torhüterin und dem Torpfosten auftat. Dorthin platzierte sie den Ball – und Berger kam einen Wimpernschlag zu spät.“
Nun ist – auch ohne EM-Titel – eingetreten, was Mann/Frau über viele Jahre vergeblich zu erreichen versucht hatte: „Der Frauenfussball in Deutschland ist nun eine akzeptierte Grösse – und nicht mehr nur eine saisonale Attraktion, wenn einmal wieder die Ergebnisse stimmen.“ So Stefan Osterhaus in der NZZ.
2. Spitz-findig-keit
Albert Camus (1913 – 1960), der Dichter des Absurden, 1958 – heute vor 67 Jahren – in Paris:
„Aufnahme Fall fertig. Don Giovanni. Den ganzen Tag grauer Himmel. Am Abend Film über die Fußballweltmeisterschaft. Junge brasilianische Neger weinen nach dem Sieg und versuchen, ihre Gesichter vor der Kamera zu verbergen. Das rührt und bewegt mich noch immer wie früher.“
Entnommen dem in den Spitzfindigkeiten (u.a. hier in der #22) wiederholt genutzten „Buch der Tagebücher“, S. 355 und S. 621 zur Person.
3. Spitz-findig-keit
Kleine Fortbildung in der italienischen Körpersprache – schön anzusehen und noch besser zu verstehen – in der NZZ vom 24.7.2025 (hinter Schranke). Zum Beispiel: „Lass uns gehen“, „Hau ab!“ Oder: „Was? Wie bitte? Wer?“, das physische Fragezeichen. Oder: „Das ist mir egal, es interessiert mich nicht.“ Oder: „Du bist so stur!“ Oder auch: „Perfekt!“ Und noch fünf weitere, wie:

Über 250 Gesten sind laut NZZ katalogisiert. Gesten, die für sich selber stehen, also ohne Worte verstanden werden. Hinzu kommen unzählige, die das gesprochene Wort ergänzen.
Widmung
Meinem „großen“ Kameraden und Freund, Günther Knaupp, gewidmet, der in Zwiefalten die Regie geführt hat – in der #221 festgehalten. Er feiert heute im Kreise der Familie seinen 73. Geburtstag.
#PreppoKompakt
Spannend wäre das Aufeinandertreffen von Ann-Katrin Berger, 34 Jahre alt, mit ihrer Verlobten, Jessica Carter (27), gewesen, mit der zusammen sie beim Gotham FC in den USA spielt. Die beiden sind seit 2017 ein Paar, als sie Teamkolleginnen bei Birmingham City in England waren. Aber anstatt deren Schüsse parieren zu müssen, kann sie heute den Engländerinnen beide Daumen drücken. Spielbeginn ist um 18:00 Uhr, die Spannung bleibt erhalten. (Als Nachtrag die Meldung aus dem „Anderen Blick am Morgen“ der NZZ vom 28.7.2025: „Englands Fussballerinnen haben ihren EM-Titel verteidigt. Das Team von Erfolgstrainerin Sarina Wiegman gewann in Basel mit 3:1 im Elfmeterschiessen gegen Weltmeister Spanien. Nach der regulären Spielzeit hatte es 1:1 gestanden.)
5 Antworten
Mein lieber Jürgen,
ein riesengroßes Kompliment für die Spitzfindigkeit # 228 und für alle vorherigen Spitzfindigkeiten. Ihr macht einen ausgezeichneten Job.
Ein Bewunderer aus Winterlingen
Einfach prima. Danke. 👍😉. Hans-Martin
Lieber Jürgen,
danke für Deine Spitzfindigkeiten, die ich mittlerweile jeden Sonntag lese. Ich bin beeindruckt von den vielfältigen aktuellen Themen, die Du aufgreifst und mit denen Du Dich auseinandersetzt.
Deine Schulkameradin Christa
Lieber Jürgen,
deine Spitzfindigkeiten sind einfach genial. Danke dafür. Wir lesen diese immer wieder gerne.
Mach weiter für uns.
Deine Schulkameradin Renate aus Winterlingen
Hallo Jürgen,
immer wieder schön deine Beiträge zu lesen.
Noch eine Nachricht in eigener Sache: Ende August findet endlich mein lang ersehnter Umzug nach Nagold statt.
Grüße Ingrid