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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute beschäftigen wir uns dafür lieber mit der aktuellen Jugendsprache und der historischen Jugendmusikbewegung. Letztere konnte ich in dieser Woche in Schmochtitz kennenlernen und hautnah miterleben. Auch kommt ein Universalgenie des 20. Jahrhunderts zu Wort.
1. Spitz-findig-keit
Auch 2025 wird wieder das Jugendwort des Jahres gesucht. Worauf pikanterweise der Verein Deutsche Sprache (VDS) in seinem Infobrief vom 1. August hinweist: „So, ihr Boomer! Lasst mal die crazy Jugend ran! Die Wahl des Jugendworts steht wieder an. Unter anderem stehen ‚Sybau‘, ‚tuff‘ und ‚goonen‘ zur Auswahl. ‚Sybau‘ steht für ‚Shut your bitch ass up‘ und ist die jugendliche Version von ‚Halt die Fresse‘, es findet sich oft in Kommentarspalten in den Sozialen Medien. ‚Tuff‘ ist das neue ‚cool‘, und ‚goonen‘ ist laut Langenscheidt-Verlag ein Slangbegriff für Selbstbefriedigung.“
Auf der Seite des Langenscheidt Verlags in Stuttgart kann die Wahl zwischen zehn, von Jugendlichen favorisierten Vorschlägen getroffen und ab dem 9. September dann unter den drei besten Vorschlägen, das endgültige Jugendwort gewählt werden, das dann am 18. Oktober verkündet wird. Schon seit 2008 führt der Verlag diese Wahl durch. Und hat, im Jahr 2019 ist sie ausgefallen, bisher sechzehn Begriffe – wie beispielsweise „Cringe“ und „Smash“ – zum Sieger gekürt.
2. Spitz-findig-keit
Schmochtitz, seit 1999 zur Großen Kreisstadt Bautzen gehörend, liegt in der Oberlausitz und befindet sich im Siedlungsgebiet der Sorben. Zum 23. Mal fand dort in dieser Woche in einem von der Katholischen Kirche zur Bildungsstätte umgenutzten alten Rittergut, dem Bildungsgut Schmochtitz, die jährliche Chor- und Instrumentalwoche statt.
Werner Patzelt, der Dirigent, hat noch zu Studentenzeiten gemeinsam mit Hubert Gößwein, zuständig fürs Instrumentale, und Birgit Vogt, die Musikwoche, die vor Schmochtitz lange in Angath in Tirol stattfand, ge/begründet. Seine Frau Annette Patzelt organisiert das Ganze auf wunderbare Weise. Und ich habe einfach das Glück, mit Werner seit den 1980er Jahren – einer gemeinsamen Zeit als Mitarbeiter an der 1978 neu geschaffenen Universität Passau – befreundet zu sein.
Musik ein himmlisches Gut
Der Geist von Schmochtitz tritt ausgezeichnet in dem von Heinz Lau vertonten Spruch von Hermann Claudius zu Tage: „Musik, du bist die tiefste Labe, die aus der Menschenseele quoll, bist Gottes allerbeste Gabe, da seine Güte überschwoll.“ Lau, geboren 1925 und gestorben 1975, stammte aus Stettin und war ein Vertreter der Jugendmusikbewegung. Nach Einsätzen als Flakhelfer und Soldat und der Kriegsgefangenschaft studierte er ab 1948 an den Musikhochschulen in Hamburg, Detmold und Zürich. Er komponierte Instrumentalstücke, Kammermusik, Lieder und Chorwerke. Seit 1971 gab er sein Wissen an der Pädagogischen Hochschule in Berlin weiter. Für ihn war Musik ein himmlisches Gut, das selbst, wenn alle Dinge vergangen sind, auf ewig bestehen bleibt.

Die durch die Bank freundlichen, aufgeschlossenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Chor- und Instrumentalwoche und das in jeder Hinsicht gute Miteinander – nicht nur bei den Proben – sind für mich ein Beleg für die Richtigkeit dieser Auslegung.
Das Ergebnis
Der Höhepunkt der Woche, das Konzert am Samstagabend in der Kirche, auf den alle hingearbeitet haben, ist hier auf YouTube anzuschauen und vor allem auch zu hören. Heinz Lau, der in diesem Jahr seinen hundertsten Geburtstag feiern könnte, ist beim Konzert mit sechs Stücken prominent vertreten.
3. Spitz-findig-keit
Jean Cocteau (1889 – 1963), künstlerisches Universalgenie, das dichtete, Theater spielte, zeichnete, Ballette entwarf, Filme drehte, 1952 – heute vor 73 Jahren – in Milly-la-Forêt, rund 60 km südlich von Paris:
„Madame X. ‚Ich hatte heute nacht einen Traum, in dem ein Psychoanalytiker mich ausfragte.‘ – ‚Billiger‘, sagte ich, ‚kann man zu keiner Analyse kommen.'“
Entnommen dem in den Spitzfindigkeiten (zuletzt in der #228) wiederholt genutzten „Buch der Tagebücher“, S. 375 und S. 621 zur Person.
Widmung
Dem Andenken an meinen Vater, Georg Gneveckow, und meine Großmutter mütterlicherseits, Hedwig Simon, gewidmet, die heute ihren 97., respektive 126. Geburtstag feiern könnten.
#PreppoKompakt
Mehr gibt es heute nicht zu sagen.