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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Gemeinsam geht es uns heute dafür lieber um eine verbreitete Akteneinsicht, Benns (Ab)Lage neben oder im Bett und ein „Jahrhundertprojekt“ im Schwabenland.
1. Spitz-findig-keit
Die NZZ vom 20.11.2025 mit einem süffisanten Kommentar zu den Epstein-Akten (hinter Schranke): „Zehn Monate lang konnte sich Trump in Washington fast wie ein Alleinherrscher gebärden; die Republikaner im Kongress gaben ihm praktisch freie Bahn – sie winkten unkonventionelle Kabinettsbesetzungen durch, sie erteilten dem Präsidenten mit der ‚Big Beautiful Bill‘ einen Blankocheck für seine politischen Vorhaben – und sie muckten auch bei den Importzöllen und dem martialischen Drogenkrieg in der Karibik nicht auf. Doch das Thema Jeffrey Epstein beendet die Harmonie zwischen den Republikanern und ihrem Anführer im Weissen Haus abrupt.“
Raus aus der Epstein-Schmuddelecke
Epstein wurde den Republikanern ein Jahr vor den nächsten Kongresswahlen zunehmend zur politischen Hypothek. „Die Demokraten sahen eine Chance, es den Republikanern heimzuzahlen, und weibelten laut für eine Offenlegung der Akten.“ Sie „… konnten diesen Monat in New York, New Jersey und Virginia bedeutende Wahlsiege feiern. Der sich manifestierende Anti-Trump-Effekt bedroht die Mehrheit der Republikaner im Kongress. Trumps Beliebtheitswerte nähern sich derweil der 40-Prozent-Marke – schon während Trumps erster Amtszeit begann der Rückhalt der Republikaner bei ähnlich tiefen Werten zu bröckeln.“
Umfänglich berichtet die NZZ am 22.11.2025 (hinter Schranke) über den Beginn und das Ende der Freundschaft zwischen Trump und Epstein. „Es gibt zwar keine Hinweise darauf, dass er selbst an Missbräuchen in Epsteins Villen beteiligt war. Die über 20 000 Seiten an E-Mails, das Geburtstagsbuch und neue Fotos, die in den letzten Monaten bekannt werden, werden für Trump aber zu einem immer heftigeren Sturm.“
Parteiübergreifend wurde im Kongress ein Gesetz ausgearbeitet, um das Justizministerium zur Herausgabe der Epstein-Akten zu zwingen, und letzten Dienstag mit 427:1 Stimmen angenommen. Der Senat beschloß danach einstimmig, es so zu übernehmen. Donald Trump blieb am Mittwochabend nichts anderes übrig, als das Gesetz zu unterschreiben.
2. Spitz-findig-keit
Aus unserem schon vielfach bemühten „Buch der Tagebücher“ Gottfried Benn (1886-1956) am 23. November 1950 in Berlin – heute vor 75 Jahren (S. 551; zur Person S. 618; auch schon in der #211 und #124):
„Jetzt schreiben die Ladys: ‚B liegt neben meinem Bett‘, – früher lag ich wo anders …“.
Kein Grund zur Traurigkeit, immerhin wurden – und werden bis heute, siehe die Deutsche Biographie zu Gottfried Benn – seine Bücher noch gelesen, seine Gedichte noch rezitiert.
Eine Lanze fürs Gedicht allgemein bricht übrigens der ehemalige Verleger Michael Krüger in der NZZ vom 18.11.2025 (hinter Schranke), wo er zu seinem neuen Werk „Unter Dichtern„*, erschienen im Suhrkamp-Verlag, Berlin 2025, 615 S., 34 €, interviewt wird. „Man lernt mit ihnen, sich kurz zu fassen. Man sollte in allen Institutionen, von der Bank bis zum Parlament, am Anfang von Sitzungen ein Gedicht vorlesen. Wenn Friedrich Merz vor Beginn der Haushaltsdebatte ein Gedicht von Paul Celan deklamieren würde! Oder von Arnfrid Astel: ‚Ich hatte schlechte Lehrer. / Das war eine gute Schule.‘ Gedichte können in der kürzesten Form unendlich viele Fenster aufstossen. Heute findet das Gedicht leider vor allem auf Traueranzeigen statt.“
3. Spitz-findig-keit
Faz-net vom 19.11.2025 – Stuttgart 21 versinkt im Chaos: „Bahnchefin Evelyn Palla lässt die Eröffnung des größten Infrastrukturprojektes des Konzerns abermals verschieben – auf unbestimmte Zeit. In Stuttgart reagiert man empört.“ Dabei ist die Rede von Terminrisiken, „… die sich in einer ’so bisher nicht vorhersehbaren Dimension‘ erhärtet hätten.“ Diese sind nun clever ausgeräumt. „Vorsichtshalber hat die Deutsche Bahn gar keinen neuen Termin für eine Eröffnung ihres 13 Milliarden Euro teuren Infrastrukturprojekts mehr genannt. So lässt sich unbeschwerter planen.“ Balla, balla – auch eine Lösung.
„Die Planungen für Stuttgart 21, die einen neuen Hauptbahnhof, weitere Haltestellen sowie eine Reihe neuer Strecken im Raum Stuttgart vorsehen, sind inzwischen Jahrzehnte alt. Zu Baubeginn war die Inbetriebnahme für das Jahresende 2019 anvisiert worden. Im Juli dieses Jahres hatte die DB mitgeteilt, von Dezember 2026 an sollten der Fernverkehr und Teile des Regionalverkehrs über den neuen Bahnhof fahren. Ein Teil des Regionalverkehrs solle dagegen bis Sommer 2027 weiter zu dem alten oberirdischen Kopfbahnhof fahren. Schon die stufenweise Inbetriebnahme hat in der Region für Ärger gesorgt.“
#PreppoKompakt
Legen wir uns intern einfach auf das Jahr 2031 fest, dann hätten wir für den Hauptbahnhof im Ländle in Summe eine Verspätung von 12 Jahren – um im Bahnjargon zu bleiben – eingefahren. Die damit einhergehenden horrenden Kostensteigerungen lassen wir außen vor. Zumindest einen „Profiteur“ kann Mann/Frau schon jetzt ausmachen, nämlich Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Durch den Ausgang der von den Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 geprägten, wie auch wohl von der Naturkatastrophe in Japan mit den Folgeschäden im Kernkraftwerk Fukushima beeinflußten Landtagswahl vom März 2011, konnte er als Grüner, in der bundesrepublikanischen Geschichte ein Novum, zum Regierungschef des Bundeslandes gewählt werden.
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