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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstösse zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute knüpfen wir stattdessen an die heilige Theresia von Avila (aus #43) mit der katholischen Kirche sowie die neue Bundesregierung samt Klima- und Wirtschaftsminister an.
1. Spitz-findig-keit
Die NZZ vom 21.1.2022 berichtet in einer „längeren“ Kurzmeldung über ein fast 2000 Seiten langes Gutachten. Darin wird auch dem Erzbischof von München und Freising, Kardinal Joseph Ratzinger (1977 bis 1982) – dem späteren Papst Benedikt XVI. – in vier Fällen ein Fehlverhalten vorgehalten. „In zwei davon soll er Priester, bei denen er ‚überwiegend wahrscheinlich‘ von ihrer Missbrauchsvergangenheit wusste, nach Bayern geholt haben.“ Der 94-jährige Benedikt selbst räumt in einer 82-seitigen Stellungnahme zum Gutachten kein Fehlverhalten ein (hier kann, wer möchte, das Gutachten nebst Anhang von der Webseite der erstellenden Kanzlei als pdf herunterladen).
Besonders brisant erscheint der NZZ, dass laut den Gutachtern Ratzinger nicht die Wahrheit gesagt hat. Laut Sitzungsprotokoll war er 1980 bei dem Treffen dabei, bei dem beschlossen wurde, dass der Priester nach Bayern übersiedeln soll. Der Gutachter hält „… Benedikts Angabe, er sei in dieser Sitzung nicht anwesend gewesen, für ‚wenig glaubwürdig‘.“ Unser Papst wenig glaubwürdig!
Nackte Tatsachen
Auch SWR3 hat das Thema tags zuvor aufgegriffen und die Zahlen aufbereitet. 247 Geschädigte männlich, 182 weiblich – in 68 Fällen eine geschlechtliche Zuordnung nicht möglich. 60 Prozent der betroffenen Jungen waren zwischen acht und 14 Jahre alt. Dabei deckten die Zahlen nur das Hellfeld ab, es sei von einem weitaus größeren Dunkelfeld auszugehen. Die Gutachter ermittelten außerdem 235 mutmaßliche Täter von 1945 bis 2019, davon 173 Priester.
Päpstlicher als der Papst zu sein – ordnungsliebenden und anderen rechtschaffenen Personen oftmals vorgehalten, das gilt nicht mehr. Schlimmer noch!
„Da hilft kein Zorn. Da hilft kein Spott. Da hilft kein Weinen, hilft kein Beten. Die Nachricht stimmt! Der liebe Gott ist aus der Kirche ausgetreten.“ – witzelte noch Erich Kästner (1899-1974).
NZZ vom 24.1.2022 mit wichtigem Nachtrag (hinter Schranke)
„Der frühere Papst Benedikt XVI. korrigiert eine wesentliche Aussage zum Münchner Missbrauchsgutachten. Entgegen seiner bisherigen Darstellung habe er doch an der Ordinariatssitzung am 15. Januar 1980 teilgenommen, heisst es in einer Stellungnahme gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vom Montag (24. 1.). Der Fehler in seiner Aussage sei aber ’nicht aus böser Absicht heraus geschehen‘, sondern die Folge eines Versehens bei der ‚redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme‘. Dies tue ihm sehr leid, und er bitte, dies zu entschuldigen, schreibt der emeritierte Papst.
In der betreffenden Sitzung sei allerdings über einen seelsorgerlichen Einsatz des betreffenden Priesters nicht entschieden worden, betont Benedikt XVI. Vielmehr habe man lediglich der Bitte entsprochen, dem Mann während seiner therapeutischen Behandlung in München Unterkunft zu ermöglichen. Wie es zu dem Versehen kam, will Benedikt XVI. in seiner noch ausstehenden Stellungnahme erklären. Dies sagte sein Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).“
Das tut gut! Es bringt wieder etwas Zutrauen zurück, nicht gleich in die Institution Kirche, aber in die einzelne Person.
2. Spitz-findig-keit
Wie lästig es sein kann, als Vorbild gelten zu müssen, erfahren gerade auch die neuen Ampelkoalitionäre.
„So großzügig wie die neue Bundesregierung war nicht einmal der päpstliche Nepotismus zu seinen Günstlingen.“ Sagt Marco Gallina auf Tichys Einblick vom 18.1.2022, nachdem er im Berliner Selbstbedienungsladen/Buffet in die Töpfe und auf die Teller geschaut hat. Zum Begriff Nepotismus – auch „Vetternwirtschaft“ – lohnt es sich bei Wikipedia nachzuschauen.
Im Dezember noch hieß es, die Ampel braucht für ihre Regierungsarbeit 176 neue Stellen, hier beschrieben. Nun werden 148 weitere Posten benötigt, „24 Stellen davon … alleine im Habeck’schen Ministerium für die Familienbetreuung der Graichens.“ Was es damit auf sich hat, wird von Marco Gallina ausführlich beschrieben.
„Ein König verteilt Lehen über Jahrzehnte und Jahrhunderte. Parteien verteilen dagegen eine kurzfristige Beute – und das alle vier Jahre. Dadurch, dass den Vasallen ihr Land gehörte, fühlten sie sich dafür verantwortlich. Politiker dagegen kommen und gehen wie die Freier im Bordell. Kein schöner Vergleich, aber Eigentum schafft Verantwortung, und die um sich greifende Verantwortungslosigkeit besteht auch zu einem großen Teil daraus, dass Ministerien nur noch als Kriegsbeute nach dem Wahlsieg betrachtet werden, um sie anschließend großzügig zu verteilen.“ Eben auch an die Graichens.
Nackte Gier – Corona-Boni für Sechs
Weitaus gnädiger wird im Newsletter der NZZ „Der andere Blick“ vom 20.1.2022 geurteilt (hinter Schranke). „Der sprichwörtliche Selbstbedienungsladen ist der deutsche Parteienstaat deshalb noch nicht, aber es sollte schon der Anschein vermieden werden, dass es so sein könnte. Sinnfreie Corona-Boni für Parteifunktionäre vermitteln dabei ein unglückliches Bild und gehen in die falsche Richtung. Das gilt umso mehr, wenn sie womöglich illegal ausgezahlt wurden.“ Davon profitierte der sechsköpfige Vorstand der Grünen – der Name Graichen taucht dabei übrigens indirekt in Gestalt der Ehefrau Verena von Michael Kellner auf. Hinzu kommen Baerbock, Habeck, Jamila Schäfer, Ricarda Lang und Marc Urbatsch.
Nur einer von 60 Kommentaren – J.K.: „Sie sind genau die Sorte, für die ich sie immer schon gehalten habe. Im produzierten Wohlstand der Altvorderen gut genährt groß geworden, hinreichend darauf trainiert, zu nehmen, was man bekommen kann, für sich sämtliche Vorteile und Möglichkeiten nutzend, um dann mit halbem Wissen und überzogenem Selbstbewusstsein aus der übersatten Position und heillosen Selbstgerechtigkeit den Unwissenden erläutern, wie sie richtig zu leben haben. JETZT! haben wir es Schwarz auf Weiß.“
3. Spitz-findig-keit
Manfred Haferburg auf der Achse des Guten geht am 20.1.2022 spitz den Rechenkünsten eines Märchenonkels bezüglich der Erneuerbaren – on- und offshore-Windkraft- und PV-Anlagen – nach. Und 148 Kommentierende geben ihren Senf dazu.
„Minister Habeck rechnet mit der Energiewende. Damit die rechnerisch aufgeht, reicht einfaches Schönrechnen nicht. Aber der Minister kann wahrscheinlich schöner rechnen – sein Verhältnis zur Mathematik scheint äußerst flexibel.“
Nackte Zahlen
Haferburg beschreibt zunächst, dass nach Habeck bis 2030 der erneuerbare Anteil an der Gesamtstromerzeugung von heute 36,1 Prozent auf 60 Prozent ansteigen soll. Das sind 663 x 0.6 = 398 Terawattstunden (TWh).
„Demzufolge ist festzustellen, dass in den nächsten 10 Jahren – wir wollen ja großzügig und rund rechnen – insgesamt 398 TWh minus 181,7 TWh = 216,3 TWh Strom aus Wind- und Solar-Anlagen zusätzlich erzeugt werden müssen. Somit ist ein Zubau von 21,63 TWh pro Jahr erforderlich.“
Allein auf Onshore-Windenergie-Anlagen bezogen, beträgt von heute an der nötige Zubau: 35.268 durch 120 Monate gleich 294 pro Monat, also 10 neue Onshore-Windenergie-Anlagen pro Tag.
„Bisher wurden im Jahr 2020 durchschnittlich 35 Onshore-Windräder pro Monat gebaut. Verdreifachung würde nach Adam Riese heißen, dass 105 Anlagen gebaut werden. Sie benötigen aber 294 Anlagen pro Monat, um die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Das ist, wieder nach Adam Riese, nicht eine ‚Verdreifachung‘, sondern eine ‚Verachtfachung‘, konservativ gerechnet.“ So Manfred Haferburgs Fazit adressiert an Robert Habeck.
Und hier geht es weiter mit einschlägigen Spitz-findig-keiten.
#PreppoKompakt
Wenn Sie den Glauben an die … Kirche, Regierenden, Erneuerbaren … nicht verlieren wollen, dann ignorieren Sie bitte unsere heutige Spitz-findig-keit. Wem die Wahrheit hingegen wichtig ist und wer einen gesunden Menschenverstand wertschätzt, der/die kommt nicht darum herum. Eine echte Spitz-findig-keit!