Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer neuen Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ werden wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen zitieren, dabei auch klassische Denkerinnen und Denker nicht verschonen.
Um Denkanstösse zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Was wir heute dafür sehr bewußt machen, ist unseren Schweizer Nachbarn gleich dreifach zu „huldigen“. Dafür, dass sie sich intensiv mit uns Deutschen beschäftigen, uns immer wieder mal den Spiegel vorhalten, dabei aber nicht undultsam, sondern pädagogisch sinnvoll vorgehen. Und uns mögen, obwohl wir immer wieder mal auch in Richtung des kleineren Nachbarlandes den „Kotzbrocken“ spielen.
Die Schweiz – am 1. August 1291 der Legende nach mit dem „Rütlischwur“ als ewiger Bund gegründet, am 12. September 1848 als moderner Bundesstaat in ihre heutige Form gebracht – ist, was direkte und gelebte Demokratie anbelangt, für uns auf jeden Fall ein Vorbild.
1. Spitz-findig-keit
In der NZZ vom 25.5.2021 ist zu lesen: „Im Jahr 2020 sind die drei mächtigsten Personen in Europa – Angela Merkel, Ursula von der Leyen und Christine Lagarde – Frauen. Und die schwedische Regierung nennt sich die ‚erste feministische Regierung der Welt‘. All diese Fortschritte haben sich Frauen mit dem generischen Maskulinum und ohne Gendersternchen, Unterstriche oder Doppelpunkte erkämpft. …
Beim Gendern geht es vor allem um eines: sich selbst als den besseren Menschen zu inszenieren. …
Das Gendern der Sprache ist ein Trend der Intellektuellen, die ihrem Umfeld damit nicht nur zeigen, dass sie die komplizierten Theorie-Trends aus den USA verstanden haben. Sie stellen damit auch die ‚richtige‘ Gesinnung aus. Der Wille zur besseren Moral führt zu amüsanten Verirrungen. Bei Anne Will sprach neulich die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock vom Bund der Steuer*innenzahler, Anne Will selbst von Mitglieder*innen.
Die Social-Justice-Bewegung hat mit ihrem Populismus die Moral komplett für sich gepachtet: Nur wer gemeinsam mit Feministinnen ‚The future is female!‘ ruft und Sternchen setzt, ist auch ein guter Mensch. Jeder, der die Bewegungen und ihre Massnahmen kritisiert, ist indes ein schlechter Mensch, ein Nazi oder ‚rechts‘. Damit wird aber nur eines erreicht: die Spaltung der Gesellschaft.“
Dies alles schreibt Judith Sevinç Basad, eine junge deutsche Journalistin und Publizistin, hier bei SWR 1 Leute am 30.3.2021 mit ihrem neuen Buch „Schäm dich!“ vorgestellt.
2. Spitz-findig-keit
Wenn jemand etwas wirklich auf die Spitze treibt und dies zudem phänomenal beherrscht, dann ist es Tamara Wernli. Sie ist studiert, Schauspiel geschult, kommt aus dem schweizerischen Basel – man hört es am Dialekt – und regelmäßig auf der Achse des Guten zu Wort. Was bei dieser Augen- und Ohrenweide im Grunde genommen nur fehlt ist der Hinweis darauf, dass zuviel davon der eigenen Gesundheit abträglich sein kann. So wie auf Zigarettenschachteln oder wie bei dem absolut unsinnigen – weil innert (so heißt das in der Schwiiz) weniger Sendeminuten gleich „tausendfach“ verabreichten – Spruch, dass man in Bezug auf mögliche Nebenwirkungen den Arzt oder Apotheker fragen soll.
In diesem speziellen Fall mischt Tamara Wernli sich – Prae-Nomen est (auch hier) Omen – fast wie vermutlich Wladimir Putin, der Gefürchtete, in die kommende Bundestagswahl im September ein. Aber eigentlich trägt sie parodierend nur das zusammen, was die wichtigsten deutschen Medien – natürlich auch die öffentlich-rechtlichen – in Bezug auf Annalena B. und Armin L. in den letzten Wochen so abgesondert haben. Also genießen Sie ganz einfach die sechs Minuten auf Youtube, ausnahmsweise – liebe Judith Basad – schlucken wir dabei auch den Gender-Schluckauf:
3. Spitz-findig-keit
„Wer den öffentlichrechtlichen Rundfunk in seiner bestehenden Form für sakrosankt hält, zeigt eine seltsam aus der Zeit gefallene Angst vor Veränderung. In einer Ära der Disruption sollten ARD und ZDF nicht als Dinosaurier des Überkommenen auftreten.
Letztlich gibt es weder für insgesamt 21 Fernseh- und 74 Hörfunkprogramme noch für die ausufernden Aktivitäten im Internet und in den sozialen Netzwerken eine Rechtfertigung. Dort agieren ARD und ZDF mit einem unlauteren Wettbewerbsvorteil namens Rundfunkbeitrag. Allein bei Instagram wird mit rund 300 Kanälen noch das kleinste Spezialinteresse bedient. …
Je wütender ARD und ZDF Kritik abzuwürgen versuchen, desto stärker bestätigen sie deren Notwendigkeit. Den digitalen Wildwuchs zu kappen, die Zahl der Sender und die Menge der Formate zu reduzieren und Mehrfachstrukturen abzubauen, wäre nicht rechts und nicht links, sondern überfällig.“
Diesen wohlmeinenden, gut begründeten Rat gibt uns in der NZZ vom 17.5.2021 ihr Berliner Redakteur Alexander Kissler mit auf den steinigen Weg.
Und hier geht es um bildliche Manipulationsversuche.
#PreppoKompakt
Die Neue Zürcher Zeitung hat Format und oft genau die richtige Distanz zu den uns betreffenden Themen. Tamara Wernli ist eine begnadete, geistreiche Komödiantin und die Berliner Redaktion der NZZ auf der Höhe der Zeit. Herzlichen Dank!