Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer neuen Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ werden wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen zitieren, dabei auch klassische Denkerinnen und Denker nicht verschonen.
Um Denkanstösse zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Wir begeistern uns heute unter anderem leichtfüßig für die Sprache der Musik – mit, aber auch ohne Worte. Zuvor noch zwei Reminiszenzen an unsere politischen Amts- und Mandatsträger.
1. Spitz-findig-keit
„So bitter es klingen mag, die nachhaltige physische Dezimierung und die nachfolgende soziale Vernichtung jener explizit modernisierungsfeindlichen Kräfte wirkten sich im Hinblick auf die Entwicklung der Nachkriegsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland förderlich aus. Der durch Krieg und Kriegsfolgen beschleunigte gesellschaftliche Nivellierungsprozess, dem sich die alten Eliten ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit wegen nun nicht mehr entziehen konnten, erleichterte den Aufbau und die Konstanz parlamentarisch-demokratischer Strukturen im westlichen Nachkriegsdeutschland ganz erheblich. Eine nachfolgende soziokulturelle Elite mit dominierendem Einfluss auf Politik konnte die Massendemokratie der Bundesrepublik Deutschland bis heute nicht hervorbringen. Das mag man bedauern oder auch nicht. Ausdruck findet diese Zäsur im kodexfreien, eher vom Streben nach materieller Sicherheit und von parvenühaftem Ehrgeiz geprägten Naturell der nun oft dem kleinbürgerlichen Milieu entstammenden politischen Amts- und Mandatsträger.“
Aus einer sehr lesenswerten Betrachtung von Detlef Rogge über die Männer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg und den 20. Juli 1944 und seine weitreichenden Folgen auf der Achse des Guten exakt zum 75. Jahrestag des Attentats.
Nun wissen wir also, woran es liegt. Unsere Elite – zu den Begrifflichkeiten siehe den Eintrag im Staatslexikon der Görres-Gesellschaft – ist nicht soziokulturell, sprich echt und gewachsen, sondern aufgesetzt, mit einem ausgeprägten Hang zum Mittelmaß. Und zur Selbstdarstellung, was wohl auch mit charakterlichen Eigenheiten, um nicht zu sagen Schwächen, einhergeht.
2. Spitz-findig-keit
„Kinder und Jugendliche werden heute nicht mehr aufgezogen, sondern wachsen einfach auf. Sie sind umgeben von ungewollt aggressiv präsenten Erziehern: vom Fernsehen, vom plakativen Wohlstand unseres Landes, von den Verführern der Konsumgesellschaft, von den Vorbildern eines geistigen und charakterlichen Mittelmaßes, das unsere ‚Eliten‘ repräsentieren.“ So Bernhard Bueb in „Lob der Disziplin. Eine Streitschrift“*, Berlin 2006 (S. 13), der dreißig Jahre lang Leiter der Eliteschule Schloss Salem am Bodensee war.
Dabei hat Bueb eine ganz klare Vorstellung von Elite: „Von Elite darf man sprechen, wenn sich Menschen als Menschen zu ihrer höchsten Form steigern, wenn sie hervorragendes Können mit Verantwortung und Humanität verbinden, wenn sie frei und souverän ihren Weg gehen und anderen ein Vorbild sind. Solche Menschen sind heute rar geworden, weil Elite immer seltener am Charakter festgemacht wird, sondern am Erfolg und Verdienst.“ (S. 168).
Noch überhaupt nicht auf dem Schirm hat Bernhard Bueb vor anderthalb Jahrzehnten die (Aus)Wirkungen des Internets, wie wir sie heute vergegenwärtigen. Mit seinen Worten könnte man von einem weiteren, aber nicht selten gewollt aggressiv präsenten „Erzieher“ – und das nicht nur beschränkt auf Kinder und Jugendliche – sprechen.
3. Spitz-findig-keit
Eine abwechselungsreiche Reise, ohne den Bodensee, hat der Violinist und Menschenfreund Daniel Hope im Sommer 2020 unternommen. Dabei haben ihn Kamera und Mikrofon professionell begleitet und ARTE bringt nun das wunderbare Ergebnis (bis zum 30.7.2021 hier abrufbar) in knapp 41 Minuten unter die Leute. Dabei wechseln bei „Daniel Hope & Friends on Tour“ nicht nur die Orte und Lokalitäten – in Deutschland und der Schweiz -, sondern mit den verschiedenen Interpreten auch die Musikstile und -richtungen. Daniel Hope ist übrigens in Südafrika geboren, mit jüdischen Vorfahren (siehe Wikipedia in Englisch), besitzt die irische und deutsche Staatsbürgerschaft und lebt mit seiner Familie gegenwärtig in Berlin.
Der „Rotschopf“ Hope ist bei zehn der einem Dutzend Stücke auch mit seinem Instrument dabei. Beim letzten, sehr kurzen und einem Stück in der Mitte seiner Tour mit Freunden, hört auch er nur zu. Das besagte Mittelstück vom kammermusikalischen Frauenquartett ‚Salut Salon‘ transportiert (ab 25:15 bis 30:12) zudem eine profunde Weisheit. Während alle Stücke spitze sind, kommt hier auch noch Spitzfindigkeit pur hinzu. Man erfährt, warum es nicht gut ist, immer die erste Geige zu spielen bzw. spielen zu wollen. Für viele ein echter Trost und zugleich eine Warnung. Für die rechten Könner, die es wenigstens beim Musizieren noch gibt, wohl eher ein kleines Hindernis. Alles zusammengenommen, aber erste Sahne!
#PreppoKompakt
Der Musikus Daniel Hope, bei ihm ist der Name Programm. Oder wie die Lateiner zu sagen pfleg(t)en: Nomen est omen. Unsere sogenannten Eliten hingegen, verdienen immer weniger diesen schmückenden Begriff.
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