Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer neuen Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ werden wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen zitieren, dabei auch klassische Denkerinnen und Denker nicht verschonen.
Um Denkanstösse zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Aber wir springen noch einmal zum Zufall aus Spitzfindigkeit #6 zurück – und seiner Bedeutung für unsere Lebenssituation, individuell, wie als Gesellschaft. Und verlieren auch noch ein Wort zum Stellenwert des Diskurses in heutiger Zeit.
1. Spitz-findig-keit
„Wer dazu aufruft, den Zufall zu akzeptieren, ruft nicht zu Fatalismus auf. Die Folge darf nicht sein, schicksalshaft zu glauben, man sei machtlos gegenüber den Volten der Natur; oder Einkommen besonders hoch zu besteuern, weil sie «unverdient» seien. Ganz im Gegenteil: Einsatz und Ehrgeiz sind wichtig, um dem Glück eine Chance zu geben; das Streben danach ist ein fundamentaler Zug menschlicher Natur. Nicht ohne Grund spricht der Volksmund vom Glück des Tüchtigen.“ So zu lesen in der NZZ vom 21.4.2021 unter der Überschrift „Von wegen Leistung: Es ist vor allem der Zufall, der unseren Erfolg bestimmt“.
Wer dies so realisiert und für sich akzeptiert, der entgeht der, leider nicht selten seltsame Blüten treibenden Gefahr der Selbstüberschätzung. So hundertfach zu sehen, hören und „erleiden“ in Wirtschaft, Politik und Medien.
„Viel wäre schon gewonnen, wenn die Glücklichen und Privilegierten es mehr gewahr würden, wie stark sie vom Schicksal begünstigt sind. Sie würden mit mehr Demut agieren, mit mehr Bescheidenheit und wohl auch mit mehr Empathie gegenüber jenen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Solche Bodenhaftung droht vielen Erfolgsverwöhnten mit der Zeit abhandenzukommen.“ Dies schlussfolgert Thomas Fuster.
2. Spitz-findig-keit
Am 14.7.2020 findet sich in der NZZ eine Besprechung des Buches von Kyle Harper: „Fatum. Das Klima und der Untergang des Römischen Reiches“*, Verlag C. H. Beck, München 2020. Der Untergang erfolgte demzufolge durch Klimawandel und Seuchen, stufenweise über einen Zeitraum von fast 500 Jahren im Anschluss an das zweite Jahrhundert, dem wohl glücklichsten Zeitalter des Imperiums. Es ist festgehalten, dass die Römer ein Gespür dafür hatten, was sich ihrer Macht und ihrem Einfallsreichtum entzog. Dies spiegelte sich gemäß Harper, „… in ihrer Verehrung der ‚furchtbaren Macht der Göttin Fortuna‘ – sie habe die unbeständige Mischung aus Struktur und Zufall, Naturgesetzen und purem Glück repräsentiert, der jedes Leben unterworfen sei.“
Auch beim Golf(en) wimmelt es übrigens von Zufällen. Schon der leidenschaftliche Golfer John Updike schwärmte von „magischen Erlebnissen unter offenen Himmeln, umgeben von Endlosigkeiten des Zufalls und des Raums“. Diese Ode ans Golfspielen des berühmten US-amerikanischen Schriftstellers – neben Golf- wohl auch Schriftspieler – ist nachzulesen auf faz-net vom 19.7.2020 (allerdings hinter Bezahlschranke).
3. Spitz-findig-keit
„Denken war gestern; heute ist Schnattern.“ So kommentiert Wolfgang Kaufmann am 29.3.2019 einen Artikel von Quentin Quencher auf der Achse des Guten, der den ‚Jargon der Eigentlichkeit‘ – ein kritisch gepolter Begriff Theodor Adornos – mit der politisch korrekten Sprache von heute, beispielsweise beim Gendern, gleichsetzt.
„Weißt du wo der Bahnhof ist? Nein. Aber gut dass wir darüber geredet haben. – Dies zeigt die Intention der Pseudowissenschaftler: Keinen interessiert es, wo der Bahnhof wirklich ist; es könnte sich ja herausstellen, dass einer Unrecht hat oder gar alle beide. Hauptsache wir haben darüber geredet.“
Und Kaufmann weiter: „Diskurs als Ersatz für Realität. Für Diskurs hoch zwei gibt es das Smartphone: mitreden von zuhause und unterwegs; liken, sharen, dissen. Nichts mehr mit kritischer Theorie, nichts mit Verifizierung und Falsifizierung; nichts mit These, Antithese, Synthese. Denken war gestern; heute ist Schnattern.“
Und hier geht es weiter mit dem Klimathema.
#PreppoKompakt
Zufälle sind wirkmächtiger als man denkt. Reiche steigen auf und gehen unter, sogar Golfbälle richten sich danach. Und wir suchen zunehmend das Heil darin, uns einer politisch korrekten Sprache zu befleissigen. Ja definitv, wir sind nicht mehr ganz dicht.
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