Wie kommt man unbeschadet durch die Krise?

Shiri Lavy, Dozentin für Psychologie und Co-Herausgeberin eines wissenschaftlichen Magazins für Glücks-Studien antwortet auf diese Frage in einem Interview mit dem ZEIT-Magazin: „Wenn man sich anschaut, wer die Menschen sind, die besser durch eine Krise kommen, dann sieht man, dass ‚Resilienz‘ oft damit zu tun hat, eben Sinn in einer Situation finden zu können – oder sogar das Gute darin zu sehen.“ (Hinter Bezahlschranke, aber kostenloses Test-Abo möglich).

Diese Umschreibung des Begriffs Resilienz drückt nur einen Teilaspekt – die psychologische Sicht – aus. Der Ausdruck fand in der Vergangenheit auch überwiegend in dieser Disziplin, der Psychologie, Verwendung. Damit werden menschliche Fähigkeiten beschrieben, die helfen, widrige Umstände zu überwinden oder Krisen auszuhalten und zu bewältigen – kurz Widerstandsfähigkeit zu besitzen. Das Wort kommt aus dem Lateinischen (von resilire) und bedeutet zurückspringen, abprallen.

Bambuswald als natürliches Sinnbild für Resilienz

Krisen decken unsere Verletzlichkeiten auf

Die Corona Krise hat Anfälligkeiten, Verletzlichkeiten und Zerbrechlichkeit bei uns Menschen schmerzhaft ins Bewusstsein gebracht. Es zeigten sich auf dramatische Weise Schwachstellen in unseren Gesellschaften und bei ihren Einrichtungen. Geschäftsmodelle und Wirtschaftsabläufe müssen harte Stresstests bestehen. Das Gesundheitswesen stand dabei zuallererst im Mittelpunkt und im Vordergrund der Bemühungen zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit unserer zivilisatorischen Lebensverhältnisse.

Wie in der vorangegangenen Finanzkrise ging es wieder um die Feststellung von „Systemrelevanz“ bestimmter Sektoren von Gesellschaft und Wirtschaft. Innerhalb relativ kurzer Zeit haben sich mehrere Existenz bedrohende Ereignisse dieser Größenordnung eingestellt. Das sollte auf allen Ebenen Anlass und Grund zu tiefergehenden Überlegungen sein.

Was wir davor tun können

Wir sind durch unsere Prägungen und Erfahrungen gewohnt, in negativ empfundenen, außergewöhnlichen Lebenssituationen zuerst danach zu fragen und uns daran zu orientieren, was wir tun können. Dabei erleben wir und müssen häufig schnell erkennen, dass der gewohnte Aktionsradius unserer Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten plötzlich dramatisch geschrumpft ist. Nicht selten versinken Menschen dabei im Strudel der Fragen nach dem „warum jetzt“ und „warum gerade bei mir?“ Oder im endlosen Suchen nach einem Sinn des Geschehenen.

Dieser unbequemen Lage, in die jeder Mensch irgendwann kommen kann, sollten wir aufgrund der Erfahrungstatsache in vorbeugender (antizipativer) Weise begegnen. Damit ist nicht sichergestellt, dass wir vor Schädigungen bewahrt bleiben. Es werden jedoch Voraussetzungen geschaffen, das Ausmaß der Schäden mit hoher Wahrscheinlichkeit einzudämmen.

Eine gewisse „psychische Immunität“, wie von Joachim Müller-Jung in faz-net vom 14.5.2020 beschrieben, kann dazu beitragen, trotz Schicksalsschlägen, Krisen oder Katastrophen langfristig stabil zu bleiben. Wieder aufzustehen, weiterzumachen und negative Energien in Positives umzuwandeln, so wie die Australierin Turia Pitt es eindrücklich geschafft hat (im Kurier vom 14.4.2017 beschrieben).

Das Resilienz-Rad drehen

Die Wirtschaftsprofessorin Jessica Di Bella entwickelte das von ihr so bezeichnete „Resilienz-Rad“ als Tool zur Navigation durch Krisen.

Resilienz-Rad von Jessica Di Bella

Krisenbedingte Einschnitte sind häufig mit Leerzeiten verbunden, da gewohnte Aktivitäten nicht stattfinden können. Diese Situation sollte anregen, die unerwartet zur Verfügung stehende Zeit sinnvoll zu nutzen.

Dafür bietet sich an, etwas zu „LERNEN“, was man vielleicht schon lange vor hatte.

Zum „GEBEN“ merkt Di Bella an, es gebe uns das Gefühl, wertvoll für die Welt zu sein, es stärke unsere Sinnhaftigkeit und verbinde uns automatisch mit anderen Menschen.

Die Nabe oder den Kern bildet das „SEIN“. Damit ist gemeint, physisches Wohlbefinden sicherzustellen, Liquidität zu sichern und unter Umständen auch alternative Einnahmequellen zu finden. Offenbar mit Blick auf die Anfangserfahrungen in der Corona Krise mit Hamsterkäufen weist die Autorin auch auf Folgendes hin. „Vergessen Sie aber bitte bei Ihrem Bedürfnis nach Sicherheit nicht, dass auch andere Menschen ihr Sein absichern müssen …“.

Beim Element „NÄHREN“ geht es darum, trotz Krisenhaftigkeit, daran zu denken, sich gut zu versorgen.

Resilienz als universales Vorbeugekonzept

Ausgehend vom Gesundheitswesen wird Resilienz inzwischen auch in verschiedenen anderen Fachgebieten als Beschreibung eines Konzepts zur Herstellung von Stabilität, Widerstandsfähigkeit und besserer Rekurierbarkeit angewandt. Technische Systeme werden mit Hilfe dieses Ansatzes von Anfang an so ausgelegt, dass mögliche teilweise Störungen nicht sofort zu Totalausfällen führen.

Beispielsweise erfolgt die Planung und der Ausbau neuer Stromnetze so, dass trotz schwankender Einspeisungen von Strom aus Sonne und Wind, eine stabile Stromversorgung gewährleistet ist. Generell werden mit Resilienz also Eigenschaften und Fähigkeiten von Systemen beschrieben, die Widerstandsfähigkeit und Robustheit mit Flexibilität und Festigkeit in sich vereinigen. Bambus dient als ein natürliches Sinnbild für Resilienz.

Die System-Resilienz ist gefragt

Wie bereits erwähnt, spielt das Konzept der Resilienz nicht nur in der individualpsychologischen Forschung und Praxis eine Rolle. Soziale Gemeinschaften, wie Familien oder Vereine, soziale Institutionen, wie Religionsgemeinschaften und Kirchen, sind ebenso krisenhaften Phasen ausgesetzt wie einzelne Menschen. „Resilienz bezeichnet die Fähigkeit einer Gesellschaft, sowohl im Großen (Unternehmen) als auch im Kleinen (der Mitarbeiter, der Mensch an sich) auf unausweichliche Krisen und kritische Situationen vorbereitet zu sein“. So Katharina Janauschek am 14.5.2020 im DerStandard unter der Überschrift „Jetzt die richtigen Fragen stellen und Resilienz einüben“.

In gleicher Weise kann das Resilienz-Konzept auf „Systeme“ angewandt werden. Unter System versteht man eine definierte Gesamtheit von Elementen. Darunter werden technische, ökologische, ökonomische und soziale Einheiten aufgefasst, je nachdem wie die Systemgrenzen gezogen sind. Man spricht auch von sozio-technischen Systemen, wenn z.B. das Zusammenspiel von technischen Infrastruktureinrichtungen (Mobilitäts- oder Kommunikationssystemen) mit dem Verhalten ihrer Nutzer gemeinsam betrachtet und unter anderem in seiner Störanfälligkeit analysiert wird.

Ebenso lässt sich auch die „Wirtschaft“ als ein System auffassen, dessen Resilienz untersucht werden kann. Die Autoren einer Bertelsmann-Studie (hier als Download) aus 2017 führen dazu aus. „Wenn der Resilienzbegriff umfassend entfaltet und nicht nur einfach als neue Überschrift für altbekannte Botschaften zweckentfremdet wird, dann bietet er wirtschaftspolitisches Potenzial als eine Art neuer Kompass. Denn die Frage, wie Volkswirtschaften auf allen ihren Ebenen ihre Krisenverarbeitungsfähigkeit steigern können, ist in einer Zeit multipler Krisen von großer Bedeutung.“

#PreppoKompakt

Eine produktive Haltung und der positive Blick in die Zukunft zahlen sich aus. Das entspricht auch unserem Motto „Prepare & think positive“. So wird der Mensch resilient.