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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstösse zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Fulminante Starts der drei Koalitionsparteien in Deutsch“LARAFFEN“land, als die Ampel am 8. Dezember in Berlin von Rot auf Grün springt. Heute von uns in den Spitzfindigkeiten für mindestens eine halbe Ewigkeit festgehalten.
1. Spitz-findig-keit
Faz-net vom 9.12.2021 beschreibt umfänglich mit vielen Namen, wie die Amtsübernahme durch Christine Lambrecht (SPD) im Verteidigungsministerium ablief. Aus deren Umfeld war langjährigen Mitarbeitern bereits vor der Ernennung mitgeteilt worden, „… dass sie bis spätestens Donnerstagmittag ihre Büros zu räumen hätten. Der Umgang betraf vor allem den langjährigen Staatssekretär Gerd Hoofe … . Seine Nachfolgerin als höchste zivile Beamtin im Ministerium wird die bisherige Staatssekretärin im Justizministerium Margaretha Sudhof. … Lambrecht bringt zudem Vertraute aus ihrem vorigen Ministerium mit, darunter Mitarbeiter, deren rasche und unkonventionelle Beförderungen im Justizministerium für Unmut gesorgt hatten.“
Die 193 Lesermeinungen zu diesem Artikel mit der „frostigen Amtsübernahme“ sind übrigens (fast) alle (nehme ich an) hellauf begeistert. Ein Kommentar endet kurz und knapp mit „Oh Olaf, was hast Du Dir dabei gedacht?“
2. Spitz-findig-keit
Und so lief die Stabübergabe im Klima- und Wirtschaftsministerium ab. Im Gastbeitrag in der NZZ vom 16.12.2021 wird bezogen auf Robert Habeck, dem vor allem der Ausbau der Wind- und der Sonnenenergie am Herzen liegt, feinfühlig sogar von „Liebeserklärungen“ berichtet, nachdem er sich präsentiert hatte.
„Seinem neuen Amt mit 2200 Mitarbeitern hat Habeck sich per Live-Übertragung vorgestellt, wie man ihn kennt: locker, nahbar, verstrubbelt, Ehrfurcht vor der neuen Aufgabe ausstrahlend. Manche Beamtinnen hätten sich spontan in ihn verliebt, heisst es. Dass die Grünen die Leitungsfunktionen des Hauses ohne jedes Zögern sofort mit eigenen Leuten besetzten, fällt deutschen Journalisten kaum auf – im Zweifel finden sie das ‚professionell‘.“
Klar, das sind alles nur Menschen. Wie auch die Verfasserin des Gastbeitrags, Susanne Gaschke, Kieler SPD-Oberbürgermeisterin von November 2012 bis Oktober 2013. Seit 2015 Autorin bei der ‚Welt‘, zudem seit Mai 2020 Ex-Genossin. Sie hat kürzlich im Heyne-Verlag eine politische Biografie des „Angebeteten“ veröffentlich. Zudem taucht im Vorspann des NZZ-Beitrags über die „schillerndste Figur“ der Ampelregierung – zugleich Vizekanzler, eine spitze Umschreibung zum ersten Mal auf: die drei „Kollissionsparteien“, was der fulminante Start und der Kurs in Zukunft einfach nahelegen.
Die 118 Kommentare decken das gesamte Spektrum ab, von totaler Ablehnung bis zum Sympathiebeweis. Ein Deutsch-Schweizer, auf der eher kritischen Seite, endet mit: „Master of Desaster, den Titel kann man für diese Regierung schon mal einloggen. Und nicht falsch verstehen, die Cdu hat und hätte es nicht besser gemacht.“
3. Spitz-findig-keit
Faz-net vom 14.12.2021 berichtet, wie sich die Personalpolitik in der Ampel allgemein anlässt. Womit endlich auch die Farbe Gelb ins Spiel kommt. Denn die Ampelregierung genehmigt sich insgesamt 176 neue Arbeitsplätze. Wie der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium Florian Toncar (FDP) argumentiert, sind aufgrund neuer Aufgaben 81 Planstellen und Stellen für die Leitungsbereiche der Ressorts erforderlich. Und für die Errichtung des neuen Ministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen werden 95 Stellen benötigt.
28 Stellen gehen ins grüne Klimaministerium, das Kanzleramt erhält 21 neue Stellen. „Der Vizekanzler sitzt zwar nicht länger im Finanzministerium, aber Christian Lindner (FDP) verliert gleichwohl die 41 Stellen nicht, die Olaf Scholz damals deswegen bekommen hatte, er erhält sogar zwei dazu: eine in der Besoldungsgruppe B 11, also eines Staatssekretärs (14.808,25 Euro im Monat).“ Da erscheint doch Neu-Vizekanzler Habeck als die personifizierte Sparsamkeit, wahrlich rund herum schillernd.
Die neue Bundesregierung verweist auf die 209 neuen Stellen, die sich die schwarz-rote Vorgängerin in 2018 genehmigt hatte. „Diese sollen allerdings nicht weggefallen, es wird nochmals aufgestockt. Toncar zufolge werde dafür anderswo „in finanziell gleichwertigem Umfang“ eingespart. Dies dürfte nicht zuletzt für den Zoll und die Bundeswehr gelten.“ So schlußfolgert Manfred Schäfers in der FAZ.
Wenig Leserkommentare dazu, ganze 14. Es lässt die Leute kalt, verleitet zum Sarkasmus: „Irgendwo muß der vom SPD Schatzmeister auf dem Parteitag (siehe Faz) geplante Stellenabbau im Willy Brandt Haus ja ausgeglichen werden.“
Zwei „Kleinigkeiten“ noch
Auf der Achse des Guten vom 14.12.2021 wird über die Beförderung des „Parteisoldaten“ Oliver Krischer zum Parlamentarischen Staatssekretär – nein, nicht im Verteidigungs-, sondern im Klimaministerium berichtet. „Von 2002 bis 2009 war Krischer – ohne einen wissenschaftlichen Abschluss – wissenschaftlicher Mitarbeiter der Landtagsfraktion NRW der Grünen im Bereich Energie, Landwirtschaft und Landesplanung. Diese Tätigkeit steht auch in seinem Eintrag auf der Bundestagsseite. Krischer gehört zu den Abgeordneten, deren berufliche Vita sich auf drei Stationen stützt: Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal.“ Krischers sichtbarer Verdienst: im Juli verteidigte er in der Talkshow bei Markus Lanz die inhaltlichen Schönfärbereien und Korrekturen im Lebenslauf der damaligen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sowie ihr Buch „Jetzt“.
Faz-net vom 15.12.2021 dokumentiert ein kleines Beispiel für die Vergangenheitsbewältigung auf Rot. Das Verfahren gegen Wolfgang Schmidt, dem neuen Kanzleramtschef, wegen eines Posts über die staatsanwaltlich angeordnete Durchsuchung im Bundesfinanzministerium auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, wurde eingestellt. „Wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Berlin am Mittwoch mitteilte, muss Schmidt insgesamt 5000 Euro an zwei gemeinnützige Einrichtungen zahlen.“ Der damalige Finanzstaatssekretär Schmidt hatte einen kleinen Teil des Durchsuchungsbeschlusses auf Twitter öffentlich gemacht.
Und doch noch ein dickes Ei
Im Newsletter des Bundes der Steuerzahler (BdSt) vom 17.12.2021 steht zu lesen. „Für die Beibehaltung eines umstrittenen Diäten-Automatismus stimmte gestern eine Mehrheit des Deutschen Bundestages. Demnach sollen die Entschädigungen und Pensionen für die Abgeordneten auch in den kommenden vier Jahren automatisch immer zur Mitte des Jahres angepasst werden – ohne Beschluss und öffentliche Debatte. Die Höhe orientiert sich dabei am sogenannten Nominallohnindex. Was es damit genau auf sich hat und warum die Nettoeinkommen der Abgeordneten damit schneller steigen als die der Arbeitnehmer, lesen Sie hier.“
Der Antrag 20/269 der Ampelkoalition plus CDU/CSU wurde übrigens gegen die Stimmen der AfD-Fraktion und der Fraktion Die Linke angenommen. Dabei gab es keine Enthaltungen. Die Zeit für die Aussprache zum Antrag war auf 31 Minuten begrenzt. Wer möchte kann sich die neun Redebeiträge hier anschauen, um sich selbst ein Bild zu machen.
Und hier hält uns immer noch die Sicherheitslücke in Atem.
#PreppoKompakt
Vorbilder sind für die Gesellschaft wichtig – aber bitte nicht die falschen. Wird Verschwendung im kleinen oder großen Stil von der politischen „Elite“ vorgelebt, bleiben Recht und Anstand auf der Strecke. Waren das noch Zeiten, als Finanzminister sparsam und Wirtschaftsminister Hüter der Ordnungspolitik waren – so hatten wir hier schon räsoniert. Und auch die rund 4600 neuen Stellen in der Ära Merkel moniert. Denn wir leben immer noch nicht im Schlaraffenland. Was wir dringend brauchen: mehr Transparenz, Sparsam- und Ehrlichkeit, Klasse statt Masse. Und vor allem die Orientierung am Gemeinwohl, anstelle der ausgeprägten Selbstbedienungsmentalität. Dennoch einen schönen vierten Advent und frohe Weihnachten!