5 minutes
Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Wir schauen hingegen auf Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, wie sie mit der Zeit und auch miteinander umgingen und -gehen. Eigentlich sollte heute in der Kürze die besondere Würze liegen, was aber nur ansatzweise gelungen ist.
1. Spitz-findig-keit
Die NZZ vom 19.5.2022 berichtet (hinter Schranke), dass der Haushaltsausschuss des Bundestages Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder einen Teil seiner Sonderrechte entzogen habe. „Grund dafür ist seine Nähe zum russischen Machthaber Putin.“ Das freut viele – nicht unbedingt nur aus Schadenfreude – und ist wohl auch vertretbar.
2. Spitz-findig-keit
Faz-net widmet dem Auftritt von Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel am letzten Dienstag im Theatersaal des Berliner Ensemble (BE) – Bertolt-Brecht-Platz 1 – am 8.6.2022 gleich zwei Beiträge. Der erste, ein trockener Kommentar von Jasper von Altenbockum bescheinigt zwar einen hohen Unterhaltungswert, aber ohne dabei wirklich klüger geworden zu sein. „Der Vorhang zu, und alle Fragen offen“. Immerhin, ist schon was, wenn man nicht – so wie bei vielen TV-Untenhaltungsprogrammen – dümmer wurde.
Der zweite Beitrag beschreibt (hinter Schranke) eine Frau Merkel ohne Reue, so wie man sie eben kennt. „Hauptthema ist ihre Russlandpolitik. Da kann sie keine Fehler erkennen.“ Offensichtlich aufgescheucht durch den Entzug von Sonderrechten/Privilegien bei ihrem Vorgänger, ist sie zum ersten Mal seit Ende ihrer Amtszeit vor einem halben Jahr öffentlich aufgetreten. Trotzdem möchte sie sich vorrangig wohlfühlen.
Die NZZ vom 8.6.2022 dazu: Erstes Interview „… live zur Lage der Welt und zum Leben als Ruheständlerin. Es wurde peinlich, aber nicht für sie.“ Ein schrecklich schöner Wohlfühlabend, wohl für den Spiegel-Journalisten, der den Interviewer spielte, mehr peinlich als zum Wohlfühlen. Aber als echter Merkel-Fan kann er – ist ihm hier auch zu wünschen – wohl bei sich selbst, keine Fehler erkennen.
3. Spitz-findig-keit
DerStandard vom 8.6.2022 hält dafür fest, was Bundeskanzlerin a.D. über Anna Netrebko zu sagen wußte: Die russische Operndiva habe Dinge gemacht, die sie – Merkel – absolut verurteile. Und verneint die Frage, ob sie – Merkel – Anna Netrebko morgen zum Essen einladen würde. Unklar bleibt, ob dies früher nicht schon einmal der Fall war, vielleicht sogar zusammen mit Wladimir.
Netrebko lebt übrigens in Wien – wo man gut speist – und hält neben der russischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft. So wie es ist, ist es wohl auch gesünder, denn über die Kochkünste unserer „Engelsgleichen“ weiß man relativ wenig/fast nichts. Davon abgesehen haben wir zur gegenwärtigen Behandlung russischer Kulturschaffender und deren Drahtseilakt, hier schon einmal Stellung bezogen.
Fernsehtipp
Wer sich selbst ein Bild, wobei auch die Körpersprache zählt, machen will – auf phoenix vor ort kann Frau/Mann sich nachträglich ins vollbesetzte, wunderbar illuminierte Theater in die Hauptstadt begeben. Und dem immer wieder von Beifall begleiteten Geplänkel zwischen Frau Merkel und Herrn Osang folgen – ab 1:20 mit der Einführung ganze 98 Minuten lang.
Und hier geht es weiter mit inflationärer Entwicklung.
#PreppoKompakt
Sehr kritisch könnte man auch von einer großen Portion Geschwurbel mit einer gewissen, von der Seitenlinie hereingerufenen Komik sprechen. Um nur die Bemerkung zum a.D.-Büro (ab 46:00) herauszugreifen. Wenn Frau Merkel sagt, „… wie ich gelesen habe, ein sehr großes, ein sehr schönes Büro …“, dann stellt sich ernsthaft die Frage, ob es angemessen ist, dafür und für die dort Beschäftigen jedes Jahr rund eine Million € Steuergelder – wie hier und hier thematisiert – zu ver(sch)wenden. Dem wohl verdienten Wunsch der Alt-Bundeskanzlerin, sich wohlzufühlen, täte diese „Gleichbehandlung“ mit ihrem Vorgänger – auch ohne eine Kostgängerin Wladimir Putins zu sein – sicherlich keinen Abbruch. Haushaltsausschuss, bitte übernehmen, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) kennt in diesem Fall die Richtung.