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Spitz-findig-keit #50

7 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstösse zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitz-findig-keit #50.

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute, am 11. Tag des Krieges, dreht es sich natürlich um den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Man kann sich diesem Vorgang kaum entziehen

1. Spitz-findig-keit

Roland Tichy auf TE vom 28.2.2022 mit einer Glosse über Wladimir Putin, die keine mehr ist. Eher schon ein Psychogramm. Zwei Auszüge:

„Putin ist kaltblütig, ausgebufft und undurchschaubar. Er reagiert nicht auf gutgemeinte pädagogische Ratschläge. Er ist kaltblütig. Das macht seinen Erfolg aus. Auch seine Misserfolge, von denen gibt es genug. Ob er vom Westen beleidigt wurde, kann ihm gerade egal sein. Er verfügt über ein Privatvermögen von bis zu 200 Milliarden Dollar; ob das stimmt, ist nicht nachprüfbar.“

Und: „Er hat sich Gerhard Schröder gekauft und Manuela Schwesig manipuliert bis zur Selbstaufgabe; mit Merkel Tee getrunken und seinen großen Hund vor ihr sabbern lassen, sich an ihrer Angst geweidet, bis sie gefügig wurde. Er hat mit Trump gedealt und Obama in Syrien abgezockt. Ob er da noch das Verständnis von Sahra Wagenknecht und Alice Weidel für seine Eroberungen in der Ukraine braucht, ist eher zweifelhaft. Er verfolgt seine diversen Ziele, und die beiden Damen schiebt er auf seinem imaginären Schachbrett herum, bis sie dort stehen, wo er sie haben will: als Influencerinnen. Das macht er mit vielen Personen, die sich alle auf die Nummer eingelassen haben.“

2. Spitz-findig-keit

Das hier bei uns wiederholt zitierte Buch der Tagebücher* legt (auf S. 119) eine Notiz von Arthur Schnitzler, österreichischer Arzt, Erzähler und Dramatiker, vor exakt 107 Jahren offen. Nachdem er am 6. März 1915 bei stürmischem Wetter mit schlechtester Laune spazieren war, berichtet er über die Gesprächsthemen bei einer Frau Hofrätin Zuckerkandl. Der große Krieg – später Erster Weltkrieg genannt – dauerte da schon 222 Tage. Seine Formulierungen sind dabei nicht zimperlich: „Über die Kriegsschwärmer, die Phantasielosigkeit der Völker, die von den Regierungen gefördert wird. Über die Dummheit deutscher Dichter. Hauptmann … der den Krieg gut findet, weil er ungelüftete Stuben nicht mag. (Wenn ihm der Zug den Schädel wegrisse – ja ihm nur Zahnweh verursachte!)“. Höchstwahrscheinlich ist Gerhart Hauptmann gemeint, der 1912 den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte.

3. Spitz-findig-keit

Auch die Bedeutung von speziellen Freund- sowie Städtepartnerschaften mit russischer Beteiligung wird thematisiert.

Die NZZ vom 3.3.2022 beschäftigt sich detailiert mit Putins Judofreuden und -freunden aus alten Leningrader Tagen und den daraus entstandenen, bis in die heutige Zeit reichenden Verbindungen. „Zu Arkadi Rotenberg, seinem ersten Sparringpartner, zu dessen sechs Jahre jüngerem Bruder Boris Rotenberg und zu Gennadi Timtschenko, der später als Finanzierer zum Trio stiess und die St. Petersburger Sportfreunde komplettierte. Sie alle gehören heute zu den reichsten und mächtigsten Männern der Welt und bilden ein Kartell, auf dem der Aufstieg und die Macht Wladimir Putins fussen.“

Putin hat dies auch gekonnt auf die internationale Ebene des Sports übertragen. „Wer immer eine hohe Funktion in einer wichtigen Organisation innehat, kommt früher oder später nicht an ihm vorbei. Sie waren alle da: von den Fifa-Präsidenten Joseph Blatter und Gianni Infantino über den IOK-Präsidenten Thomas Bach bis hin zur französischen Skilegende Jean-Claude Killy. Sie alle drückten dem mächtigen Russen in Freundschaft die Hand.“ Und haben heute, ebenso wie die eingangs erwähnten Politgrößen, einen schweren Stand.

Faz-net vom 2.3.2022 geht unter der Überschrift „Schwierige Beziehungen in Krisenzeiten“ auf die Lage deutsch-russischer Städtepartnerschaften ein. Bei einer handelt es sich um die Städte Oberursel und Lomonossow. Zwar verurteilen die Oberurseler den Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine. „Aber eine Städtepartnerschaft zeichne sich gerade dadurch aus, dass sie nicht auf politischer, sondern auf zwischenmenschlicher Ebene begründet sei. Deshalb wolle man den Kontakt zu den Partnern in Lomonossow nicht abreißen lassen.“ Wahrlich eine vernünftige Einstellung. „Es handele sich um einen Krieg von Wladimir Putin gegen die Ukraine und keine Auseinandersetzung der beiden Völker,“ so auch Oberbürgermeister Hetjes von der Stadt Bad Homburg, die seit 1994 mit Peterhof bei St. Petersburg eine Partnerschaft unterhält.

Zusatz

Vernünftig sollte man auch mit russischen Kulturschaffenden von internationalem Format umgehen, sie nicht ungehört „in die Wüste schicken“. Ich denke in besonderem Maße an die Sopranistin Anna Netrebko, dies gilt aber auch für andere. In der Spitz-findig-keit #33 sind übrigens die Ukrainerin Olga Korolova und die Russin Aida Garifullina zu sehen, die sich wie Schwestern gleichen. Und in der #40 hatten wir bereits Putins Leningrader Hintergrund, die klare Haltung von Friedrich Merz zur sich abzeichnenden Grenzüberschreitung sowie Gemeinsamkeiten von Annalena Baerbock und Wladimir Putin beschrieben.

Nachtrag zum Zusatz

Tut das gut, wenn man nach kräftiger sonntäglicher Diskussion im Familienkreis, tags darauf in der NZZ einen einschlägigen sachlich-nüchternen Gastkommentar findet. Béatrice Acklin Zimmermann, wohl selbst eine streitbare Theologin und Geschäftsführerin eines Think-Tanks in der Schweiz, sagt mit Bezug auf Anna Netrebko: „In einer freiheitlichen Gesellschaft hat jeder das Recht darauf, seine Überzeugung zu äussern, ohne deswegen Sanktionen befürchten zu müssen. Und jeder, auch eine Künstlerin, hat ebenso das Recht, sich nicht politisch äussern zu müssen.“ Und weiter: „Wer … russische Künstler zu einem Positionsbezug gegen ihre Heimat zwingen will, verkennt, dass die Freiheit der Kunst gegen jede Form von politischer Bevormundung und Moralisierung verteidigt werden will. Er verkennt aber auch das ethische Dilemma, in dem sich derzeit (wieder) viele russischstämmige Kunstschaffende befinden: Äussern sie öffentlich Kritik am totalitären Regime und am von ihm entfachten Krieg, riskieren sie die Gefährdung von Angehörigen in ihrer Heimat. Verweigern sie einen öffentlichen Positionsbezug, so wird ihnen vorgeworfen, sie hätten sich mit den Machthabern arrangiert, und es droht ihnen das Ende ihrer Karriere.“

Und hier geht es weiter – denn alles fließt.

#PreppoKompakt

Eine gereimte Botschaft an Leute wie Wladimir Putin, frei nach Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es – und es gibt viel Schlechtes, außer man läßt es.“

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Eine Antwort

  1. Vielen Dank für die Spitzfindigkeiten und Denkanstöße. Wir haben uns 1945 und 1991 getäuscht und täuschen uns heute über die Natur des Menschen. Es ist nie nur ein Spinner der die Welt aus dem Lot bringt. Die letzten Jahre zeigen, dass überall auf der Welt die Menschen Spinner und Despoten hervorgebracht haben.

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