Spitz-findig-keit #98

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitz-findig-keit #98

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute geht es dafür um unsere Muttersprache, auf die der Verein Deutsche Sprache e.V. (VDS) mit Sitz in Kamen in Nordrhein-Westfalen mit Liebe und Verstand achtet. In einem regelmäßig alle Wochen erscheinenden Infobrief werden Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen an die weltweit präsente Vereinsmitgliedschaft, „gelegentlich“ auch mit einem Augenzwinkern, kommunziert. „Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.“ So auch im neuesten Infobrief vom 23.1.2023.

1. Spitz-findig-keit

Zum „Unwort des Jahres 2022“ ruft Horst Haider Munske, Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des VDS, das Wort „Gendern“ aus (er wendet damit im weitesten Sinne ein ähnliches Verfahren wie beim „Alternativen Nobelpreis“ an, der seit 1980 als Antwort auf die vom Nobelpreiskommitee seit 1901 verliehenen Preise – beides in Schwedens Hauptstadt Stockholm – ausgerufen wird).

Das eigentliche „Unwort des Jahres 2022“ – „Klimaterroristen“ – wurde von einem kleinen Kreis von „Sprachwissenschaftler*innen“ (wie sie sich selbst bezeichnen) der Universität Marburg aus eingesandten Vorschlägen ausgewählt und verkündet. Die Absicht sei, auf Diskriminierung, Stigmatisierung und Diffamierung, insbesondere in der politischen Auseinandersetzung, aufmerksam zu machen.

Oppositions-Politiker verurteilten damit die neuen Protestformen der „Letzten Generation“, sprich die mit ihren Aktionen für das Klima den öffentlichen Verkehr behindernden jugendlichen Pflasterkleber. Wobei „Terrorist“ eine polemische Übertreibung ist und das Wort „Klimaterrorist“ auch nicht charakteristisch für das ganze Jahr 2022 war. „Diese Unwort-Verkündigung ist nichts anderes als eine politische Stellungnahme aus dem linken Lager. Sprachkritik wird missbraucht zu politischer Meinungsmache.“ So bewertet es Prof. Munske.

Und weiter: „Unwörter eines Jahres findet man am besten, wenn man fragt: Was hat die Mehrheit der Deutschen über das ganze Jahr zutiefst geärgert und verletzt? Es sind die Genderschreibungen in den Verlautbarungen von Behörden, Universitäten und manchen Firmen. Es sind die durchsichtigen Aktivitäten von Gleichstellungsbeauftragten, welche mit sogenannten ‚Empfehlungen für geschlechtergerechte Sprache‘ reparieren wollen, was noch immer an sozialer Ungleichheit zwischen den Geschlechtern besteht. Das ist nichts als Symbolgebaren, das ist Nötigung von oben.“ So sein klares Votum für sein „Alternatives Unwort“.

2. Spitz-findig-keit

Eine namentlich genannte Aktivistin bei der von großer Medienpräsenz begleiteten Räumung von Lützerath tweetet und gendert dabei im jugendlichen Übermut. Dafür fängt sie zu Recht auch bissige Bemerkungen ein.

Ihr Tweed: „Die Polizei tut als Repressionsorgan natürlich alles, um die Identität*innen der Aktivisti herauszufinden (…)“.

Der VDS-Infobrief dazu: „Unabhängig davon, dass ‚Aktivisti‘ das neue Lieblingswort der demonstrierenden jungen Menschen ist, zeigt ‚Identität*innen‘, wie Gender-Indoktrination die Fähigkeit zum vorsichtigen Verfassen eigener Gedanken lahmlegt.“ Dazu werden drei ebenfalls getwitterte hämische Bemerkungen kolportiert: 1. „Da braucht man keine Komiker mehr“, 2. „Das ist das Endstadium der Verblödung“ und 3. „Tja, das deutsche Bildungsniveau in einem Satz“.

3. Spitz-findig-keit

Wer etwas auf sich hält, der hat seinen eigenen Wettbewerb, so auch der VDS. Seit 2010 kürt er die „Schlagzeile des Jahres“.

In 2022 erringt die Süddeutsche Zeitung mit „Klebe wohl!“ dabei den ersten Platz. Im dazugehörigen Artikel vom 7.4.2022 erfährt man, dass das italienische Unternehmen Panini, das seit Urzeiten kleine Sammelaufkleber anläßlich internationaler Fußballturniere produziert, die Lizenz für die kommenden Europameisterschaften verloren hat. „Dass ausgerechnet das positiv konnotierte ‚kleben‘ nur kurze Zeit später durch die Klebeaktionen von Klimaaktivisten negativ belegt wird, war zum Zeitpunkt der Schlagzeile nicht absehbar.“

Schon 2021 hatte die Süddeutsche mit der Schlagzeile „Katarstimmung beim FC Bayern“ im gleichen Genre den Spitzenplatz erreicht. Und damit wohl eher zufällig die Zukunft weis- oder vorhergesagt, nimmt man die kollektive Gefühlslage vor wenigen Wochen nach dem Ausscheiden unserer National-Mannschaft bei der Weltmeisterschaft. Katerstimmung wie nach einem heftigen Rausch oder längeren Katarrh.

Widmung

Prof. Dr. Gerhard Kleinhenz gewidmet, der heute seinen 83. Geburtstag feiern könnte. Könnte, denn leider ist er am 19.4.2015 in Passau, wenige Wochen nach seinem 75. Geburtstag, viel zu früh verstorben. Er war ein ausgezeichneter Hochschullehrer und Wissenschaftler, guter Kommunikator, geduldiger Chef sowie ein feiner Mensch.

Und hier geht es weiter zu Plisch und Plum – jungen Hunden, keine Kater.

#PreppoKompakt

In eigener Sache: Nach dem gemeinsamen vor- und zubereiten, kochen und verspeisen der Mittagsmahlzeit halte ich mich in der Regel beim Aufräumen am längsten in der Küche auf. Meine Frage nach dem Warum, konnte in der Familie bislang niemand schlüssig beantworten. Ein Zufallsfund im weltweiten Netz trägt nun wohl zur Erklärung bei: So wie die Erd- wirkt auf mich die „Herdanziehungskraft“. Der physikalisch saubere Beweis steht allerdings noch aus. Die Gesetze der Schwerkraft hatten wir übrigens hier in unserem Beitrag vom Juni 2022 zumindest gestreift. Fragen bleiben, wie die: wirkt in der Küche nun eher das Gesetz der Wärmelehre oder doch der Schwerkraft? Eine sichere Erkenntnis hingegen: Nach Schlagzeile und Unwort des Jahres, manchmal kommt es nicht aufs Wort, sondern auf einzelne Buchstaben an. Beispielsweise bei dem Wunsch, „so klebt denn wohl“ ihr Aktivisti!

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