Spitz-findig-keit #147

8 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute dreht sich bei uns dafür alles um die Liebe. Die gelebte Liebe zu Tieren und zwischen Menschen. Selbst die Vorliebe von Hunden für den Menschen kommt zur Sprache.

1. Spitz-findig-keit

In der NZZ vom 3.1.2024 wird schon im Titel die Frage aufgeworfen: „Welches Haustier macht den Menschen am glücklichsten?“ Und dann postuliert, dass für Hundehalter klar sei, wer der beste Freund des Menschen ist. Auch die Entwicklungsgeschichte und Studien sprächen für sie. Doch Katzenbesitzer hätten hierzu Einwände.

Zunächst zu den Hunden

„Der amerikanische Neuropsychologe Luke Stoeckel hat das Gehirn von 14 Frauen im Kernspintomografen untersucht, als er ihnen Fotos von ihren eigenen Kindern und ihrem Familienhund zeigte. Bestimmte Hirnregionen, die an Belohnung, Emotion und Zugehörigkeitsgefühl beteiligt sind, waren beim Anblick des Familienhundes genau gleich aktiv wie beim Anblick der eigenen Kinder. Am stärksten war die Reaktion derjenigen Frauen, die eine besonders intensive Beziehung zu ihrem Hund beschrieben hatten. … Hunde erreichen demnach … nicht unbedingt den emotionalen Stellenwert des eigenen Babys, werden aber gefühlsmässig mindestens wie ein enges Familienmitglied eingestuft.“

Hinzu kommt, dass Hunde von Geburt an die Beziehung zu einem Menschen gegenüber der zu den eigenen Artgenossen präferieren – „… eine seltsame Vorliebe, die kein anderes Tier der Welt in dieser Weise mitbringt.“ Eine enge Bindung von Mensch und Hund wird zudem dadurch erleichtert, dass Hunde von Wölfen abstammen, „… die ähnlich wie Menschen in Gruppen leben, jagen und ein dementsprechend komplexes Sozialverhalten entwickelt haben …“.

Diverse Studien zeigen, dass sehr viele Menschen erstaunlich tiefe Beziehungen zu Hunden haben, „… die sie teilweise für fast so wichtig halten wie die zu anderen Menschen. Und da man weiss, wie entscheidend tiefe Beziehungen für das menschliche Wohlbefinden sind, kann man annehmen, dass die enge Beziehung zu einem Hund einen Menschen glücklich machen kann.“

Und weil Menschen biophil sind, also eine angeborene Vorliebe für die Anwesenheit von Pflanzen und Tieren haben, verbessert schon ein kurzer Aufenthalt in lebendiger Umgebung messbar die menschliche Gefühlslage. Ein australisches Forscherteam hat in 2022 mit einer Analyse von 49 Studien diese Biophilie-Hypothese bestätigt. „Und mit Hunden machen Menschen etwas, was mit kaum einem anderen Tier möglich ist: Sie gehen in der Natur spazieren. Die Hundehaltung könnte also eine Art doppelten Glückseffekt mitbringen.“

Dann zu den Katzen

„Die Verhaltensbiologie von Katzen ist einfach eine ganz andere. Sie sind von Natur aus Einzelgänger und sie sind, anders als Hunde, auch kaum domestiziert, also wenig an den Menschen angepasst. Mit anderen Worten: Katzen interessieren sich für Menschen und allgemein für soziale Interaktion sehr viel weniger als Hunde, und sie ähneln uns auch weniger. Ihre emotionalen Auswirkungen auf den Menschen sind demnach sehr wahrscheinlich geringer als die von Hunden. Mensch und Katze verbringen nicht so viel Zeit zusammen, sie gehen selten miteinander spazieren und erleben seltener gemeinsame Aktivitäten, auch die Mensch-Katze-Kommunikation ist weniger ausdifferenziert.“

NZZ-Redakteurin Judith Blage beantwortet schließlich die Ausgangsfrage folgendermaßen: „Doch Glück ist eben relativ: Vielleicht macht es den Katzenbesitzer ja gerade glücklich, dass er weniger Arbeit hat als mit einem Hund.“

2. Spitz-findig-keit

Eine meiner Freundinnen hat ihre pragmatische, auf enorm viel Lebenserfahrung beruhende Ansicht dazu, sehr anmutig beschrieben:

„Ich kenne ja beides, da ich als Mädchen fast sämtliche Ferien bei Tante und Onkel verbracht habe. Dies hauptsächlich wegen ihrer Schäferhunde, die Freude und Zuneigung war gegenseitig. Daher kam für mich viel später auch nur ein Schäferhund in Frage, bzw. eine Hündin namens Abby of Black Fancy. Sie gehörte fast 14 Jahre lang zu unserer Familie. Nach Abby kamen dann die Katzen. 

Beides hat Vor- und Nachteile, logisch.

Mit Hund lernst du Leute kennen, kannst aber nie wirklich entspannt unterwegs sein. Ich hatte immer die Umgebung im Blick, aus gutem Grund. Plötzlich steht ein Reh da, oder andere Hunde sind in der Nähe unterwegs, da gibt es ein Gekeife, oder es ist alles voller Gülle, ich könnte 1000 Dinge aufzählen. Hunde fressen alles, was sie unterwegs entdecken, auch da muss man fürchterlich aufpassen. Und sie wälzen sich in stinkendem, ekligen Zeug. Und sie bringen Zecken, manchmal auch Flöhe mit. Alles schon erlebt.

Die Katzen zerstören Sofas, Kissen, Decken mit ihren Krallen, und sie haben auch sonst noch einige fragwürdige Angewohnheiten. Ständig muss man überall Katzenhaare abbürsten usw. Freigänger bringen Rotkehlchen, Blaumeisen, Libellen, Mäuse ins Haus, so manches spucken sie halbverdaut auf den Teppich…

Trotz allem, Hund und Katze sind liebenswert und anhänglich, letztere lassen sich das halt eher selten anmerken. Ausser Paloma, die aus unerfindlichen Gründen an mir einen Narren gefressen hat. Die Schäferhunde meiner Verwandten mochten mich viel lieber als den eher groben Onkel, das haben sie immer wieder merken lassen. Und ich war insgeheim schadenfroh… Das war jetzt ein bisschen Nostalgie.“

3. Spitz-findig-keit

Aus einem vorzüglichen Weihnachtsgeschenk – „Schreiben Sie mir, oder ich sterbe“, Liebesbriefe berühmter Frauen und Männer*, herausgegeben von Petra Müller und Rainer Wieland, Piper, München/Berlin 2016 (S. 23-26) – wähle ich einen Brief von Bertolt Brecht (1898-1956) an Paula Banholzer (1901-1989) und gebe ihn zwischen Anfang und Ende stark verkürzt wieder.

„Im August 1917 zu Tegernsee

Geliebte Paula! Angebetete!

Erlaube Deiner Majestät unterthänigster Kreatur, Dir seine ehrfurchtsvollsten Unterwürfigkeiten vor die zarten Füßchen zu legen. Er hat sonst wenig zu tun. Salaam.

Meine Reise war glücklich, meine Begleiter Damen und meine Ankunft ersehnt. Es ging alles nach meinem Wunsch, es entsprach alles Deinen Gebeten. Oh, Du süße Gazelle meiner dunkelen Träume!

Siehe, ich grüße Dich, Du Futter meiner Bandwurmsätze, Du Sphinx meines Mondscheinnachtskahnfahrtentraumwahnsinns, Du funkelnder Hohlspiegel des Nirwana, stolze, kluge Perlenfischerin im Meer dieses Unsinns, schmücke Dich mit den Perlen, kleine Ingeborg Brennessel!

Bert Brecht“

Aus der kurzen Liason ging 1919 ein Sohn hervor, bevor Brecht nach Berlin zog und dort 1922 Marianne Zoff heiratete, mit der er eine Tochter bekam. 1923 lernte er Helene Weigel kennen, die ihm das Jahr darauf ebenfalls ein Kind schenkte. Diese Verbindung wurde 1927 durch Eheschluss gekrönt und hielt, trotz zahlreicher Affären, ein Leben lang. Bertolt Brecht hat sich im Gedicht „Vom armen B.B.“ folgendermaßen charakterisiert: „In meine leeren Schaukelstühle vormittags / Setze ich mitunter ein paar Frauen / Und ich betrachte sie sorglos und sage ihnen: / In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen.“

Einer von 77 inspirierenden Briefen aus neun Jahrhunderten (1133 bis 1977), mit zahlreichen Faksimiles, Bildern der Protagonisten und deren Lebensläufen. Das Wunder der Liebe, vereinzelt auch deren Schattenseiten, ja Tragik wie im Falle von Oscar Wilde, auf 285 großflächigen Seiten (einschließlich Quellenverzeichnis, Bildnachweis und Register) eindrucksvoll festgehalten.

Und hier geht es zügig weiter.

#PreppoKompakt

Nun verstehe ich meine Freundinnen Brigitte, Lidia und Paula, wie auch meine Cousinen Monika und Elke weit besser.

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