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Spitz-findig-keit #148

7 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute wundern wir uns über ein irritierendes, zugleich anziehendes Kunstwerk in Basel, ärgern uns über etwas Neues in der TV-Werbung und freuen uns zuguterletzt über den Mitgliederzuwachs beim Verein Deutsche Sprache (VDS).

1. Spitz-findig-keit

Ab/Auf nach Basel ins Kunstmuseum! Dort ist nur noch bis zum 28. Januar im Rahmen der Ausstellung „Die Basler Künstlergruppe Kreis 48“ das Bild „Die Hölle“ des Malers Max Kämpf (1912-1982) ausgestellt. Ein Fresko, 112 auf 143 cm groß, auf dem die Menscheit entsorgt wird. Danach wandert es, wie in der NZZ vom 10.1.2024 vermutet, zurück ins Depot, wie jahrzehntelang zuvor. Der Besuch der Ausstellung lohne sich allein wegen dieses einen Bildes. Sie ist zudem ohne Ticket zugänglich und kostenlos. Hingegen war der Aufwand des Künstlers zur Fertigstellung in den Jahren 1947–1949 enorm. Er benötigte mindestens dreissig zeichnerische Studien und mehrere kleinformatige Freskoversuche (nach Wikipedia eine Technik der Wandmalerei).

Beschreibung

„Dargestellt ist ein frontal gesehenes, mehrgeschossiges Haus, dessen Fassade weggebrochen ist: Ein Bild, das auch und gerade in jüngster Zeit als fotografischer Topos der Erdbeben- und Kriegsberichterstattung oft Verwendung findet. Der Betrachter ist jedoch nicht mit aufgerissenen, menschenleeren Wohnräumen konfrontiert, sondern mit einer dicht besiedelten, dauerhaft genutzten Struktur fester, wenn auch teilweise aus Trümmern improvisierter Einrichtungen zur Versorgung und Entsorgung menschlicher Wesen.“

Erdgeschoss

„Mehrheitlich feist und allesamt nackt treten diese im ersten Panel des zunächst an eine comicartige Bildsequenz erinnernden Hausquerschnitts in die sonderbare Anstalt ein, in Reih und Glied, stoisch und ohne jegliche Interaktion ihr Schicksal erwartend. In anderen Zimmern sind sie hinter Holzverschlägen eingepfercht, werden in Öfen verbrannt, aufrecht in Fässern gebadet oder kopfüber aufgehängt.“

Untergeschoss, aber nicht nur da

„Leichname liegen – wie Holbeins Christus im Grab – in seitlich offenen Särgen, Schädel stehen auf spiralförmig geschmückten Stäben in Holzbottichen wie Blumensträusse. Das ruinöse Haus ist über dem Wasser gebaut, worin eine Unzahl von Köpfen noch lebender Menschen zu sehen ist. Ein Raum zeigt eine familiäre Tischszene mit verschiedenen Mischwesen, ein anderer eine frivole Szene mit Zuschauern und musikalischer Begleitung: Alltag in einer kaputten Welt.“

Mittel- und Obergeschoss

„Diese Wirtschaft des Grauens wird von aufrecht gehenden, teils überlebensgrossen Ratten geführt, die damit beschäftigt sind, die Menschheit zu ‚entsorgen‘. Mit viel Witz und Empathie gezeichnet, werden die mehr oder weniger menschenähnlichen Ratten zu den Sympathieträgern des Bildes. Sie benehmen sich weitgehend zivilisiert, für ihren noch auf allen vieren gehenden Nachwuchs stehen da und dort Futternäpfchen bereit. Aus einem Verschlag zeigt ein Gefangener mit christusähnlicher Physiognomie auf eine Ratte, als wolle er wie Pilatus sagen ‚Ecce homo‘ – siehe das ist ein Mensch.“

Zum Künstler

Max Kämpf war jemand der Tiere liebte und ihnen eben besondere Aufgaben zuwies. So von Andreas Chiquet in der NZZ ausgedeutet und detailliert beschrieben. Für uns Menschen tröstlich und Hoffnung vermittelnd: zeitgleich zur Hölle hat Kämpf auch das Paradies gemalt. Weitergehende Informationen zum Künstler und seinen Werken sind im Archiv regionaler Künstlerinnen- und Künstlernachlässe Basel (ARK Basel) zu finden.

2. Spitz-findig-keit

Im Infobrief des Vereins Deutsche Sprache (VDS) vom 7. Januar 2024 wird unter Bezugnahme auf einen Bericht in der Bild-Zeitung kurz vor Weihnachten der neue Medikamentenhinweis aus der TV-Werbung wie folgt kommentiert:

„Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ hat ausgedient. Ab sofort fragt man jetzt „Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in der Apotheke“. … Der Berufsverband der Ärzte freut sich über diesen neuen Spruch, behauptet Bild, der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller sieht ihn skeptisch. Mag er geschrieben noch unproblematisch sein, zeige sich die Krux in den audiovisuellen Werbespots im Fernsehen oder im Radio. Laut Arzneimittelhersteller sei er nicht innerhalb der ‚etablierten Zeitspanne von vier Sekunden professionell sprechbar‘. Die 4 Sekunden, die für den Spruch zur Verfügung stehen, seien zu kurz bemessen, der Sprecher rase geradezu durch den Satz.“

Definitv der dümmste Satz in der Werbung vor Acht, den Mann/Frau mit etwas Pech drei bis viermal kurz hintereinander zu hören bekommt. Schon in der alten Fassung für normale Ohren und halbwegs gesunden Verstand eine regelrechte Zumutung. Der Gesetzgeber sollte die Werbung im über Gebühren reichlich finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen. Nunmehr ein weiterer Grund, den Fernseher aus- oder gar nicht erst einzuschalten.

3. Spitz-findig-keit

Kleiner Briefwechsel (per Mail) zwischen Albstadt (hin) und Tübingen (her):

Hin am 26.12.2023

Betreff: Gemeinsamkeit

Sehr geehrter Herr Palmer,

auf den aktuellen Anlass, weshalb ich Ihnen schreibe, komme ich gleich zurück. Zunächst möchte ich Ihnen für 2024 in der privaten und beruflichen Sphäre alles erdenklich Gute wünschen. Sie haben mit der Entscheidung, für die Freien Wähler zu kandidieren, sicherlich die richtige Wahl getroffen. Die Fesseln, die Ihnen von dort angelegt werden könnten, sind weit weniger bindend für einen freien Geist, wie den Ihren, als bei anderen Parteien. Auch weil der Organisationsgrad geringer, das ganze Prozedere über weniger politische Ebenen hinweg nicht so schwerlastig, zudem in der Folge der Zeitaufwand geringer ist.

Habe mich sehr gefreut, als ich einen Tag vor Weihnachten erfahren habe, dass Sie auch Mitglied im VDS sind. Meine Motivation und meinen Weg dorthin habe ich in dem Beitrag „Auf Fels gebaut“ auf der Preppo-Seite festgehalten. Vielleicht sehen wir uns ja bei den „Sprachfreunden“ einmal wieder.

Machen Sie es gut.

Mit besten Grüßen

Jürgen Gneveckow

und her am 8.1.2024

Lieber Alt-Kollege,

a guats Neues und vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen

Boris Palmer

Oberbürgermeister

Und hier geht es revolutionär weiter.

#PreppoKompakt

Wundern, ärgern, freuen – heute eine halbwegs ausgewogene Mischung.

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