6 minutes
Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute schauen wir uns dafür gemeinsam nach Irrtümern um und enden mit unheimlich schönen fließenden Bewegungen zum wehmütig klingenden Lied „Eine weitere Nacht“.
1. Spitz-findig-keit
„Irren ist menschlich, sagte der Hahn und stieg von der Ente.“ Dieser Spruch ist schon seit Schulzeiten abgespeichert, ohne dass er an Aussagekraft eingebüßt hätte. Und was für die Tierwelt gilt, gilt eben auch – oder erst recht – für die Menschen!
So wurde in der Spitz-findig-keit #6 der Spruch „Der Zufall ist Gottes Art anonym zu bleiben“ Albert Einstein zugeordnet. Ein sonniger sonntäglicher Spaziergang mit Reinhard ließ Zweifel daran aufkommen. Denn er widerspricht der Einstein’schen Einschätzung von „Gott würfelt nicht“, wie mir mein, mit der Quantenmechanik besser vertrauter, guter Freund überzeugend darlegte. Vielleicht stammt der Spruch mit dem Zufall doch eher von Albert Schweitzer, dem Urwalddoktor, oder gar von Anatole France, dem französischen Literaturnobelpreisträger? Der Blick ins weltweite Netz hilft da auch nicht so richtig weiter.
2. Spitz-findig-keit
Der Herausgeber der „Welt„, Stefan Aust, nimmt am 12.2.2024 (hinter Schranke) in einem bemerkenswerten Kommentar mit dem Titel „Das böse Erwachen nach dem grünen Traum der ‚Fortschrittsregierung'“ auf Heinrich Heine Bezug. Dass Träume und Alpträume das Mantra der politisch-religiösen Bewegungen seien, habe dieser schon in seinem Gedicht „Deutschland – ein Wintermärchen“ beschrieben. Von dem würden die meisten nur den ersten Reim – nämlich „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“ – kennen. Weiter hinten charakterisiere Heine die Deutschen folgendermaßen: „Franzosen und Russen gehört das Land. Das Meer gehört den Briten. Wir aber besitzen im Luftraum des Traums die Herrschaft unbestritten.“ Das heißt, wir sind die Tagträumer, selbst nachts, uns macht – so deutet es Stefan Aust auf die Ampelkoalition um – in dieser Hinsicht niemand etwas vor.
Was er übersieht, es handelt es sich dabei um zwei unterschiedliche Gedichte: „Nachtgedanken„, die Nr. 24 aus dem Zyklus Zeitgedichte aus dem Jahre 1844, ist der geliebten Mutter gewidmet. Um sie macht Heinrich sich nächtens Sorgen. Deutschland, sagt er hingegen , „… hat ewigen Bestand, es ist ein kerngesundes Land, mit seinen Eichen, seinen Linden werd‘ ich es immer wiederfinden.“ Und eben das Wintermärchen-Gedicht, ebenfalls aus 1844 mit besagter Stelle in Caput/Kapitel 7. Ebenda träumt Heine von einem schaurigen Besuch des Kölner Doms, in dem ihm – so dort beschrieben – Ampeln und Hampelmänner begegnen.
Irren ist menschlich, lieber Herausgeber. Dafür liegt Aust aber inhaltlich mit seiner Kritik an der gegenwärtigen Bundesregierung goldrichtig.
3. Spitz-findig-keit
Sieben Minuten langes YouTube-Video vom Beginn dieses Jahre aus Hongkong, wo zum fließenden Tanz mit einer unglaublichen Beinarbeit reichlich Schweiß und (angedeutete) Tränen hinzukommen. Das italienische Paar Lorena Tarantino & Gianpiero Galdi entzückt mit dem Tango – als dritte Zugabe bis 10 Minuten vor Zwölf – und den Gesten einen ganzen Saal voller Menschen. Deren asiatische Gesichter drücken – wenn man beim dritten oder vierten Mal anschauen es schafft, vom Tanzpaar zu abstrahieren – die ganze Faszination in unzähligen Variationen aus. Absolut kein Irrtum, echt spitze!
Widmung
Bereits am 2. April 2020 hatte ich einem Tieringer Unternehmer einen Blog-Beitrag gewidmet. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Firma Mattes & Ammann werden seit 1961 hochwertige Bürostühle entworfen und produziert. Dabei setzt die Firma Interstuhl in dem knapp über 1000 Einwohner zählenden Ortsteil von Meßstetten auf weltweite Kundennähe. Auch die Kundschaft aus dem rund 15 km entfernten Albstadt kommt natürlich nicht zu kurz. Wir standen vor der Wahl, einen grauen Bürostuhl zu entsorgen oder wieder herrichten zu lassen – und entschieden uns für letzteres.
Unglaublich, wie schön dieser rund vierzig Jahre alte Stuhl (Bildmitte) „restauriert“ wurde. Das angenehme Leder, die sauberen Nähte, die Mechanik, die Rollen – alles passt. Dafür auch von dieser Stelle recht herzlichen Dank an den gestandenen Geschäftsführer Joachim Link, seine kompetente Assistentin und die meisterlichen Mitarbeiter.
Und hier geht es gleich weiter mit unserer Muttersprache.
#PreppoKompakt
Ente gut, alles gut – noch so ein Spruch aus der Schulzeit.