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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute kümmern wir uns dafür um das aktuelle bundesrepublikanische Erdbeben der Stärke 9 auf der nach oben offenen Irrsinn-Skala (hier noch, wie gewohnt, der monatliche Rückblick auf der Achse des Guten), beschäftigen uns mit dem Vorwärts- und Rückwärtsgang in der Weltgeschichte und greifen auch längst vergangene lokale Geschehnisse auf.
1. Spitz-findig-keit
Wenige Stunden nachdem feststeht, dass Donald Trump über Kamala Harris triumphiert hat und die USA nun in ein goldenes Zeitalter eintreten, überschlagen sich in Berlin die Ereignisse. In der NZZ vom 6.11.2024 steht dazu geschrieben: „Der deutsche Kanzler wirft den liberalen Finanzminister aus der Regierung und stellt ihn als Hallodri dar. Seine Rede ist eine einzige Realitätsverweigerung.“ Denn Olaf Scholz verliert kein Wort über die katastrophalen Zustände im Land, die er – zunächst als Arbeits- und später Finanzminister – und seine SPD, die mehr als ein Vierteljahrhundert im Bund fast ununterbrochen mitregiert hat, mit zu verantworten haben.
„Der erste deutsche Kanzler Konrad Adenauer hat die Westbindung gegen massive Widerstände durchgesetzt. Gleiches gilt für Helmut Kohl und die Wiedervereinigung oder Gerhard Schröder und seine Wirtschafts- und Sozialreformen zum Beginn dieses Jahrtausends. Sie alle waren Staatsmänner, die sich um ihr Land verdient gemacht haben, indem sie kompromisslos waren, als es darauf ankam. Olaf Scholz gehört nicht in diese Reihe. Er ist ein Beamter, der sich ins Kanzleramt verlaufen hat. Gut, dass er bald gehen muss.“ So Marc Felix Serrao.
Eine an Beamtenbeleidigung grenzende Beschreibung, die leider auch auf Frank-Walter Steinmeier, unseren Bundespräsidenten zutrifft. Auch er gehört nicht ins Schloss Bellevue, wobei seine zweite Amtszeit erst am 18. März 2027 endet.
2. Spitz-findig-keit
Heute vor 35 Jahren – dem Tag nach dem Mauerfall am 9. November 1989 – schreibt Armin Mueller-Stahl, der sich zu Dreharbeiten in Baltimore/USA aufhält, folgende Notiz in sein Tagebuch (siehe „Buch der Tagebücher“, S. 529 sowie S. 647 zur Person):
„Gespräch mit Israel Rubinek: Es kann sich nicht mehr umdrehen, du wirst sehen, auch in der Sowjetunion, auch in Polen, auch in Ungarn; Bulgarien und Rumänien werden ebenfalls fallen, du wirst es erleben, es geht nicht mehr rückwärts. Es geht immer rückwärts, sage ich. Häufig, nicht immer, diesmal geht’s nur noch vorwärts, Du wirst es erleben. Woher weißt du das? Ich weiß das. Frania nickt. Doch er weiß das. Frania und Israel hatten sich 28 Tage in einem Erdloch versteckt, um die Nazis zu überleben.“
Zusammen mit Armin Mueller-Stahl spielten Frania und Israel Rubinek im Film Avalon. Durch die Hilfe einer christlich geprägten Bäuerin in Pinczow, einem kleinen Ort in Polen, war das jüdische Paar dem mörderischen Holocaust entkommen und Ende der 1940er Jahre nach Canada ausgewandert.
3. Spitz-findig-keit
Am 4. September 1958 wird in der Zeitung „Frankenpost“ auf S. 3 ausführlich ein Jagdunfall auf der Gemarkung Rehau beschrieben, dem (vermutlich) ein Onkel des Albstädter Grafikers Hans Geißler – wir haben diesen in der #82 kennengelernt – zum Opfer fiel. Auf der Pirsch nach dem Festbraten für seine anstehende Goldene Hochzeit stolperte der Landwirt und Jagdpächter Hans Hundt (76), aus seiner Flinte löste sich eine Schrotladung und traf den guten Freund und Jagdkameraden Franz Geißler (68) ins Gesäß. Ein eilig herbeigerufener Arzt konnte nur noch den Tod feststellen. Um das Gemüt der Zeitungsleserinnen und -leser etwas aufzuhellen, werden direkt neben dem tragischen Bericht aus Rehau, fünf nicht für möglich gehaltene, eher zum Schmunzeln geeignete Fälle aufgezählt.
Die Zeitungsseite gehört zum reichhaltigen Nachlass von Hans Geißler (1920-2009), der letzten Monat ins Archiv der Stadt Albstadt übergegangen ist. Das Lebenswerk dieses sehr kreativen und geschäftstüchtigen Grafikers spiegelt wunderbar die positive wirtschaftliche und soziale Entwicklung in unserer Raumschaft wider. Von den 1950er- bis in die Nullerjahre hat er die lokale Wirtschaft, die städtischen Einrichtungen, die Kirchen, die Parteien- und Vereinslandschaft mit seinen Produkten versorgt und insbesondere auch den Prozess des Zusammenschlusses zur Stadt Albstadt im Jahre 1975 werblich begleitet.
In seiner akribisch geführten Kundenkartei habe ich sogar meinen Vater Georg, der zuletzt Ehrenvorsitzender des Modellfliegervereins war, entdeckt.
Auch dieses Vereinsemblem trägt die unverwechselbare Handschrift Hans Geißlers. Und wie er schafft!
Bei der Arbeit hat ihm in einer kurzen Sequenz der Filmemacher Emil Knobel zugeschaut (anläßlich der Hauptversammlung des Schwäbischen Albvereins im Juni 1980 in Albstadt; vom Haus der Volkskunst in Balingen-Dürrwangen wurde der Film in voller Länge, rund 32 Minuten, auf YouTube eingestellt; den Hinweis darauf gab es auf der Homepage von Volker Jehle).
Und hier geht es munter weiter.
#PreppoKompakt
Eine bunte Mischung aus gekonntem Handwerk, tragischem Geschehen und heillos überforderten, inkompetenten Politikern. Von der Ampel haben alle genug! Dazu passend ein Spruch unbestimmter Herkunft: „Die Ampel ist aus/weg. Jetzt gilt wieder rechts vor links.“