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Spitz-findig-keit #82

7 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitz-findig-keit #82

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Wir kümmern uns heute – ohne Kant ganz außer Acht zu lassen – lieber um Zufälle. Sie sind das Salz in der Suppe, der Essig im Salat, das Tüpfelchen auf dem i, ja noch viel mehr. Wen wundert es, Albert Einstein sah gar im Zufall „… Gottes Art anonym zu bleiben“. Dies konnte man ansatz- und fortsetzungsweise beim Besuch am 2. Oktober in Burgfelden erleben, dem kleinsten (um die 333 Einwohnerinnen und Einwohner) und zugleich höchstgelegenen Ortsteil (912 m über dem Meeresspiegel) der Stadt Albstadt. Fast könnte man meinen, am Nabel der Welt. Wir sind übrigens mit der Spitz-findig-keit #64 schon einmal hier gewesen.

1. Spitz-findig-keit

Ausstellung in der Alten Schule unter dem Titel „Hans Geißler – Kunst für den Alltag. Gebrauchsgrafik, Illustration, Typografie“. Zusammengestellt – kuratiert – von einem alten Schulfreund, Reinhold Lautenbacher, den ich schon sehr lange nicht mehr gesehen hatte. Stefanie Doldinger, die Vorsitzende des Fördervereins Burgfelden, schreibt im Schwarzwälder Boten vom 30.9.2022, so „… mancher Besucher konnte sich noch an ‚das kleine Männle‘ erinnern, das geradezu zum Ebinger Stadtbild gehörte und als ‚der‘ Werbefachmann bekannt war: Briefköpfe, Plakate, Logos, Wäsche- und Produktverpackungen – all das zählte zu seinen Kreationen, und das Spektrum dessen, was er bewarb, reichte vom Nylonhemd über Industrienähnadeln und Präzisionswerkzeuge bis zu Klavieren.“ Der Ebinger, der 2009 verstarb und dessen Schaffensperiode mehr als ein halbes Jahrhundert umfasste, begleitete und bereitete graphisch auch den Weg in die 1975 gegründete Stadt Albstadt.

Immanuel Kant wird auf dem Ausstellungsplakat der folgende Satz in den Mund gelegt: „Der Himmel hat den Menschen als Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: Die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen.“ Schriftbild und Form hat selbstverständlich Hans Geißler geliefert.

2. Spitz-findig-keit

Zum Schluss gab Stefanie Doldinger dann noch den Hinweis auf eine weitere Veranstaltung an gleicher Stelle, die nun am gestrigen Samstag stattgefunden hat – „Alles Essig!“.

Es trat auf Rolf-Bernhard Essig, der Enkel von Hermann Essig, welcher am 28. August 1878 in Truchtelfingen – heute ebenfalls zu Albstadt gehörend – geboren wurde. Nicht ganz vierzigjährig verstarb der, laut Wikipedia zu Lebzeiten eher erfolglose Dramatiker, Erzähler und Lyriker, am 21. Juni 1918 in Berlin.

Ende der 1970er dann eine kleine Renaissance/Wiedergeburt von Hermann Essig. „Seine Komödien Die Glückskuh, Der Schweinepriester, Die Weiber von Weinsberg und Der Frauenmut wurden … in Stuttgart, Basel, Esslingen, Pforzheim, Freiburg und Nürnberg aufgeführt.“ Martin Walser meinte im Jahre 1978 dazu: „Ich würde wahnsinnig gern weitere Stücke lesen, weil mich dieser Sprachrhythmus verhext hat, ich bin ununterbrochen in Versuchung, solche Essig-Sätze zu sagen, ich kann mich schlecht wehren. Daß Essig nicht mehr verschwinden darf, ist klar …“.

Dafür sorgt automatisch nun auch sein Enkelsohn Rolf-Bernhard, Jahrgang 1963. Der in Bamberg beheimatete Kritiker, Wissenschaftsjournalist, Kolumnist, Dozent und „Redensartenpapst“ mit Doktortitel (hier seine Internet-Seite) ist unheimlich kreativ und produktiv. Die vielen Auszeichnungen und Preise spiegeln dies wider. Zu seinen neueren Werken gehören „Pünktlich wie die Maurer“. Handwerksredensarten und ihre wunderbaren Geschichten. 192 Seiten, Duden, September 2022. Oder – und das betrifft zufällig auch unseren Preppo-Vogel – „Phönix aus der Asche“. Redensarten, die Europa verbinden. 144 Seiten. Duden 2021.

Seine Bücher verkauft er über den Shop der Autorenwelt – das doppelte * schenken wir uns heute mal großzügig, beziehungsweise schauen ausnahmsweise darüber hinweg.

3. Spitz-findig-keit

Zufällig haben uns in den letzten paar Tagen sukzessive – nach und nach – vier Mäuse auf dem Dachboden der Garage beschäftigt. Und beim Sondieren der Werke von Hermann Essig bin ich zufällig auf seine Sammlung von zwölf Novellen gestossen. Davon beschreibt gleich die Erste unter dem Titel „Ein Weltereignis„, ein einem freudigen Ereignis entgegensehendes, zudem sprachgewandtes Mäusepaar. Einfühlsam und witzig beschrieben mit ungewöhnlicher Wortkreation, wie bei Lebensnam und Leichnam schon das Mäuseschicksal verheißend.

„Geh hin,“ sprach die Mäusin zum Mäuserich, „und kundschafte, ob du irgendwo einen fetten Ort findest, der mich mit meinen kleinen Mäuslein lange gut ernähren wird.“ Der Mäuserich drückte ihr einen Kuß auf die Schnauze und begab sich auf die Reise. „Daß du nicht zu lange ausbleibst,“ sagte sie noch, „und gehe ja nicht in die Falle.“ „Nein, nein, ich komme gleich wieder,“ sprach er.“

Und verschwand, durch Düfte von schönen Blumen und reichlich Küchenabfällen angelockt, in der dritten Etage im Haushalt der Familie Stange. Mariechen, könnte die Haustochter geheißen haben, oder auch nicht. Jedenfalls landen am Ende des Tages die Mäuseeltern, wie auch die fünf Frühgeburten, mäusetot im Hof und von dort im Müllkasten, respektive im Magen einer zufällig vorbeikommenden Katze.

Unsere vier Mäuse übrigens gingen auch in die Falle, haben aber überlebt. Und wie – das zeigt ein 10 Sekunden langes Video.

Und hier dreht sich alles um Dresden.

#PreppoKompakt

Heute so wertvoll wie eh und je: Die begründete Hoffnung, der gesunde Schlaf und das herzhafte Lachen. Von Hans Geißler zu den beiden Essigs, von den Mäusen aus der Novelle zu denen auf der Garage. Zufälle – wie Spitzfindigkeiten – zuhauf.

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