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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute freuen wir uns dafür lieber über eine vielversprechende Kooperation. Zudem begleiten wir Donald Trump zu einem besonderen Sportereignis und lernen aus erster Hand, wie man gekonnt Wissenschaft simuliert.
1. Spitz-findig-keit
Fundstück aus der NZZ vom 10.2.2025. Transmutex, ein fünf Jahre altes Genfer Start-up, erhält als einzige nicht-amerikanische Einrichtung rund 4,8 Mio. US-Dollar (4,3 Mio. Franken) vom US-Energieministerium im Rahmen eines speziellen Forschungsprogramms zu Transmutationstechnologien. Mit einem Budget von insgesamt 40 Mio. Dollar werden 11 Projekte gefördert.
Worum es geht. „Transmutex entwickelt eine Anlage, die aus zwei Hauptkomponenten besteht: einer Aufbereitungsanlage, die abgebrannte Brennelemente verwertet, und einem kleinen Kernreaktor. Dieser kann aus dem verarbeiteten Atommüll Energie produzieren und gleichzeitig 99,9 Prozent der hochradioaktiven Abfälle umwandeln – ein Vorgang, der sich Transmutation nennt. Zudem verkürzt sich die Zeit, die die Strahlung zum Abklingen benötigt, um den Faktor 1000: Nach etwa 500 Jahren wären die verbleibenden Abfälle so harmlos wie natürliches Uranerz.“
Nun hat Transmutex – von der NZZ als erstaunlichste Entwicklung überhaupt eingeordnet – soeben im Auftrag der Ende 2019 gegründeten Bundesagentur für Sprunginnovationen (Sprind) eine Studie (als pdf abrufbar) mit durchgängig positivem Ergebnis erstellt. Die Agentur mit Sitz in Leipzig fördert gezielt Technologien, die disruptiv sind oder zu einem Sprung in der technologischen Entwicklung führen. „Während Finnland bereits ein Endlager betreibt und die Schweiz zumindest den Standortentscheid gefällt hat, wird die Endlagerung von Atommüll in Deutschland kaum vor dem Jahr 2100 beginnen.“ Genug Zeit, um „… bessere Lösungen zu finden, als den hochgefährlichen Müll für Hunderttausende Jahre zu vergraben“. So der Geschäftsführer von Transmutex Deutschland, Guido Houben, im Gespräch mit der NZZ.
2. Spitz-findig-keit
FAZ Frühdenker, Newsletter vom 10.2.2025. Dort ist unter Punkt 4 über das größte, jährlich wiederkehrende Sportereignis der USA im Beisein des neuen und alten Präsidenten Donald Trump, folgendes zu lesen:

Na gut, das macht er ja ständig, zu jeder Tages- und Nachtzeit, überall wo er geht und steht. Aber wollte er vielleicht sogar mitspielen? Unter den Augen von Taylor Swift, die sich gegen ihn positioniert hat – siehe nur #196 -, deren Partner die krachende Niederlage der Kansas City Chiefs auch nicht verhindern konnte. Und die, als die Stadionregie die Sängerin auf den Bildschirmen zum ersten Mal einblendete, übrigens lautstark ausgebuht wurde. Das fortgeschrittene Alter, das fehlende Footballstudium und die mangelnde Spielpraxis sprechen gegen ein spätes Trump’sches Footballstadium.
Auf jeden Fall war er der erste amtierende US-Präsident, der sich im Footballstadion das Super Bowl-Finale so nebenbei anschaute. Bislang wurde das vermieden, wie faz-net am 10.2.2025 festhält, „… um die ohnehin komplizierten Sicherheitsvorkehrungen für die Veranstaltung nicht noch komplizierter zu machen. Auch herrschte bislang offenbar ein Einvernehmen unter den Präsidenten, dass der Super Bowl nicht politisch aufgeladen werden sollte.“ Trump jedenfalls sorgte bei der Premiere für nur wenige Misstöne auf den Rängen und sah einen klaren 40:22-Sieg der Philadelphia Eagles. Und um hinzugehen, hat er kurzerhand mit sich selbst das bislang fehlende Einvernehmen hergestelllt. Geht doch!
3. Spitz-findig-keit
Robert Habeck und seine Doktorarbeit, mit der er im Jahre 2000 an der Universität Hamburg promovierte, wird am 11.2.2025 in Tichys Einblick (TE) thematisiert (gleich doppelt, siehe unten). Der erfolgreiche österreichische Plagiatejäger Stefan Weber wertet Habecks Dissertation als „Wissenschaftssimulation“, die eine erhebliche methodische Täuschung des Lesers enthalte. „In seinem Gutachten [zu lesen im Blog für wissenschaftliche Redlichkeit] weist er meist durch Vergleich mit Originaltexten 128 Quellen-, Zitats- und Textplagiate nach … . … Habeck habe auf geradezu unglaubliche Weise eine Belesenheit vorgetäuscht, die er nicht habe …“.
Die Kommentare zum Blog – bis dato 112 von 39 verschiedenen Personen – verteidigen zumeist mit rationalen Argumenten die Einschätzung Webers (19), sind aber auch verletzend und/oder wenig qualitätsvoll, wenn sie pauschalierend Habecks Arbeit rechtfertigen (17), der Rest verhält sich neutral (3). Eine mit Künstlicher Intelligenz (KI) – konkret ChatGPT, als solche auch ausgewiesen – verfaßte Beurteilung, votiert ohne alle Emotionen pro Weber. Auch unsere Zählung hat übrigens ChatGPT übernommen.
Gleiches Recht für alle, denken wir an die Minister-Rücktritte von Giffey, Schavan und von und zu Guttenberg – die beiden letzteren hier auf TE in den Zusammenhang gestellt. Zudem wird der Buch-Flop der damaligen Kanzlerkandidatin der Grünen, Baerbock, erwähnt. Auch die NZZ vom 10.2.2025 nimmt darauf Bezug. Und hält von Stefan Weber fest, dass er bei seinem Tun keiner politischen Agenda folge, sondern lediglich „… gegen akademischen Textbetrug und seine Folgen“ kämpfe.
Nachtrag
„Ins Knie geschossen“ titelte ein Beitrag auf faz-net vom 9.2.2025 über zwei blamierte Plagiatsjäger, darunter auch Stefan Weber. Ins eigene Knie, weil auch er nicht erkannt hatte, dass ein rumänischer Tagungsband, aus dem plagiiert worden sein sollte, gar nicht echt, sondern als Kern einer hinterlistigen Intrige getürkt war. Also erst nach der beanstandeten Dissertation zusammengeschrieben wurde. „Dabei gab es eine Reihe von Gründen, an seiner Echtheit zu zweifeln: Der Band war in keiner Bibliothek weltweit verzeichnet, nirgends zitiert, die Aufmachung wirkte unglaubwürdig, die Herkunft undurchsichtig.“ Die Aufdeckung erfolgte mit Hilfe der Universität Hamburg bereits 2022, die juristische Aufarbeitung läuft gegenwärtig vor dem Amtsgericht München. Weil Stefan Weber sich entschuldigt und zur Aufklärung des Falls beigetragen hat, wurde gegen ihn keine Strafanzeige gestellt, gegen den zweiten „Jäger“ hingegen schon.
„Die Aufarbeitung vermeintlicher Plagiate muss künftig problembewusster und kenntnisreicher betrieben werden. Beschuldigte sind zu hören, die Medien müssen alle Vorwürfe selbst nachprüfen. Das Ansehen der kommerziellen Plagiatssuche ist schwer beschädigt. Es ist fraglich, ob sie sich von dem Münchner Desaster erholen kann. Unterdessen streut Stefan Weber schon seit Wochen die Ankündigung, einen Bundespolitiker der ersten Reihe sowie dessen Frau als Plagiatoren auffliegen zu lassen.“ Schlussfolgert Uwe Ebbinghaus auf faz-net.
Es ist davon auszugehen, dass der österreichische „Jäger“ aus seinem Fehler gelernt und in diesem Fall alles richtig gemacht hat.
Und hier geht es wahlweise spitzfindig weiter.
#PreppoKompakt
Nachdenker nein, Weiterdenker nein, vielmehr ein „Märchen“-Erzähler als die passende Berufsbezeichnung für Robert Habeck. Schuster, bleib bei deinem Leisten! Wir haben wahrlich bessere Politikerinnen und Politiker verdient. Mein Rat: Vorgang weglegen, aber nach der Wahl unbedingt wieder aufnehmen. Und dabei auch klären, was die Universität Hamburg und die Nationale Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, wohl geritten hat, fahrlässig unsauberes wissenschaftliches Arbeiten zu verteidigen. Wie will man dann glaubhaft weiter Studentinnen und Studenten ausbilden, sie mit verbürgten Regeln des Wissenschaftsbetriebs vertraut machen?
2 Antworten
Leider und in gewissem Sinne auch fahrlässig wird die im Zusammenhang mit dem Einsatz und der Verarbeitung der Abfälle aus der Nutzung von Atomenergie verbundene höchst kritische Problematik der Proliferation und der damit verbunden Risiken für die Sicherheit völlig ausgeblendet….Vgl. dazu z. B.
IMPLICATIONS OF PARTITIONING AND TRANSMUTATION IN RADIOACTIVE WASTE MANAGEMENT TECHNICAL REPORTS SERIES No. 435
Widerspruch, Euer Ehren: Die im Auftrag der Bundesagentur für Sprunginnovationen von Transmutex durchgeführte, in diesem Monat frisch veröffentlichte Studie thematisiert selbstverständlich die Proliferation. So steht in der „Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse“ (siehe pdf, S. 4) unter anderem geschrieben: „Alle Aktinide und die für das geologische Endlager problematischen, wasserlöslichen Spaltprodukte wie Selen-79, Jod-129 und Technetium-99 werden zu über 99 % in einem sicheren, umweltschonenden und proliferationsresistenten Verfahren transmutiert.“